Briefwechsel

Briefwechsel

Vertiefender Briefwechsel zur Veröffentlichung auf der RW-Homepage zu Katyn und Kuropaty und die antikommunistische Kampagne gegen die Sowjetunion

Im Dezember 2020 dokumentierte die RW-Homepage einen Briefwechsel zu Katyn und Kuropaty und die antikommunistischen Verleumdungsvorwürfe gegen die sozialistische Sowjetunion im "Rote Fahne Magazin" der MLPD. Darüber entfaltete sich ein vertiefender Briefwechsel, den wir hier dokumentieren.

Von RW-Redaktion

C. 25.01.2021


Auseinandersetzung zum Briefwechsel über Katyn. 

(Link auf der Homepage des REVOLUTIONÄRER WEG dazu)

Der Briefwechsel ist spannend geschrieben und schafft Klarheit für die Auseinandersetzung und er ist somit ein wichtiger Bestandteil in der Kampagne „Gib Antikommunismus keine Chance“. Ich finde es wichtig, dass wir Zitate vollständig bringen, um uns nicht den Vorwurf gefallen lassen müssen, wir würden uns diese zurechtbiegen. In dem im Briefwechsel aufgeführten Zitat von Joseph Goebbels Tagebüchern vom 8. Mai 1943 fehlt diese Bemerkung: „Entweder handelt es sich um Munition, die von uns während der Zeit des gütlichen Übereinkommens an die Sowjetrussen verkauft worden ist, oder die Sowjets haben selbst diese Munition hineingeworfen.“ Wir wissen ja das es Goebbels mit der Wahrheit nicht so genau genommen hat – deshalb ist es umso wichtiger, so wichtige Aussagen nicht wegzulassen sondern konkret darauf einzugehen. In diesem Zusammenhang ist der Artikel in der Roten Fahne vom 19. August 2011 ganz wichtig, der auf folgendes hinweist: Am 18. Juni 2010 fand nun in der Staatsduma der Russischen Förderation eine Pressekonferenz mit dem Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der KPRF, S. N. Reschulskij, und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Komitees der Staatsduma für Gesetzgebung und staatlichen Bau, W. I. Iljuchin, statt. Es wurde von ihnen bekannt gemacht, dass die Schriftexpertise der angeblichen Dokumente zu Katyn ergeben habe, dass diese mit unterschiedlichen Schreibmaschinen angefertigt wurden und dass auf dem angeblichen Politbürobeschluss weder Unterschrift noch Siegel vorhanden waren. Iljuchin führte aus, dass er einen Zeugen habe, der behaupte, dass es Anfang der 1990er Jahre im Apparat Jelzins eine spezielle Gruppe gegeben habe, die sich mit der Aufgabe der Fälschung von Dokumenten beschäftigt habe. Zudem seien von dem damals führenden Historiker Wolkogonow aus dem Geheimen Staatsarchiv Hunderte von Dokumenten in die Kongressbibliothek der USA entführt worden. Gerade dieser angebliche Befehl vom 5. März 1940 (ohne Unterschrift und Siegel) wird als Beweis für die Massenerschießungen hergenommen und breit im Internet verbreitet, bzw. auch konkret z.B. im Buch „Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945, herausgegeben 2008 vom Ferdinand Schöningh Verlag das aber im Fall Katyn zu folgender Schlußfolgerung kommt: Seite 358: Darüber hinaus war es ethisch mehr als fragwürdig, wenn das Deutsche Reich, das an zahlreichen Fronten selbst einen grausamen Vernichtungskrieg führte, im Fall Katyn auf der Aufklärung völkerrechtswidriger Handlungen bestand, sich selbst aber, etwa in der Behandlung der „Judenfrage“, jede Einmischung in seine inneren Angelegenheiten strikt verbat. Die Rolle vom DRK im Bezug auf das IKRK im zweiten Weltkrieg und danach muß hier extra untersucht werden – da bin ich gerade dabei - das würde hier den Rahmen sprengen. Ganz wichtig für die Auseinandersetzung ist unter anderem das Buch von Grover Furr mit dem Titel Chrutschtschows Lügen – so über die Verbannung der Krimtataren , so heißt es auf Seite 125: 20.000 desertierten 1941 von der Roten Armee. Was hätte die sowjetische Regierung hier tun sollen? Sie hätte diese 20.000 Deserteure erschießen können. Oder nur die Männer im militärfähigen Alter in die Verbannung schicken oder ins Gefängnis stecken. Wie auch immer, jede dieser Möglichkeiten hätte das Ende der Krimtataren als Nation bedeutet. Über 90% der jungen Krimtataren im heiratsfähigen Alter wären für die nächste Generation junger tatarischer Frauen als mögliche Ehemänner verloren gewesen. Stattdessen beschloss die sowjetische Regierung, das gesamte Volk der Krimtataren nach Zentralasien umzusiedeln, wie im Jahre 1944 geschehen. Die Krimtataren erhielten dort Land und waren für einige Jahre von der Steuerpflicht befreit. Die tatarische Nationalität blieb so erhalten und wuchs zahlenmäßig bis Ende der 1950er Jahr stetig. Das war die konkrete Politik unter Stalin und steht somit im Widerspruch zu den angeblichen Massenerschießungen in Katyn.

.

.

D., Fachredaktion Geschichte der Arbeiterbewegung

16.03.21

betr.: Brief vom 25. Januar 21 zum Briefwechsel zu Katyn auf der RW-Homepage

Lieber C.,

ich schreibe Dir heute zu Deinem Brief vom 25. Januar zu Katyn. Bitte entschuldige die lange Verzögerung – tatsächlich ist der Auftrag zur Beantwortung bei mir untergegangen und ich musste von den Genossen erst daran erinnert werden.

Dein Hinweis auf die Pressekonferenz zu Katyn am 8. Juni 2010 in Moskau ist richtig. Die dort bekannt gemachten Fakten wurden in der Antwort auf der RW-Homepage nur angedeutet, weil sie sich auf die Darstellung der Ereignisse während des II. Weltkriegs konzentrierte. Sehr wichtig dabei waren ihre Hinweise auf die weitergehenden Informationen, die 2012 gewonnen wurden – darauf waren wir in unserer bisherigen öffentlichen Behandlung der Frage noch nicht eingegangen. Es ist tatsächlich so, dass die Leichen zweier Personen, die von polnischer offizieller Seite als NKWD-Opfer des Massakers von Katyn aufgeführt wurden, an völlig anderen Orten gefunden wurden! Der Hintergrund dazu besteht darin, dass aus Transportlisten kriegsgefangener Polen, die unter sowjetischer Verwaltung von Katyn aus verlegt werden sollten, nachträglich Exekutionslisten gemacht wurden. Diese Gefangenen sollten an anderen Orten zur Arbeit eingesetzt werden und dafür wurden die Listen erstellt. Ich hatte schon 1990 dazu eine Anfrage an die DDR-Zeitschrift „horizonte“ gemacht, die damals von deren Redaktion an das DDR-Außenministerium weitergeleitet wurde. Ich bekam zur Antwort, dass tatsächlich keine Dokumente vorlägen, in denen die Rede von Exekution gewesen sei, dass man jedoch inzwischen annähme, dass sie trotzdem zu diesem Zweck angefertigt worden seien. Durch die Leichenfunde an anderen Orten ist dieser Schwindel inzwischen aufgeflogen!

Die Enthüllung von W. I. Iljuchin auf der von Dir angesprochenen Pressekonferenz über die Fälschung von Archivdokumenten ist ein besonderes weiteres Thema und geht über die Angelegenheit Katyn hinaus. Iljuchin stellte ja dar, dass eine spezielle Gruppe zur Fälschung von Archivmaterialien eingerichtet worden war – sie „bearbeitete“ auch andere Fragen – und er wies im Zusammenhang damit darauf hin, dass der Historiker Dimitri Wolkogonow zahlreiche, bis dahin geheime, Dokumente in die USA verschickt hatte. Der 1995 verstorbene Wolkogonow, ein Anhänger Gorbatschows, hatte 1989 die erste sowjetische Stalin-Biographie nach dessen Tod veröffentlicht und verfasste 1992 bzw. 93 auch noch Biographien zu Trotzki und Lenin. Seine Zusammenarbeit mit den USA war Teil der Anti-Stalin-Kampagne, die der moderne Antikommunismus in Gang gesetzt hatte: „Die Hetze gegen Stalin und die sozialistische Sowjetunion - das ist Gorbatschows ideologisches Brautgeschenk für die angestrebte Durchdringung mit dem westlichen Imperialismus“ hieß es in den Dokumenten unseres III. Parteitags im Juli 1988 (S. 25), und dieses Vorgehen gehörte zur praktischen Umsetzung. In diesem Zusammenhang steht auch das Aufbringen der Katyn-Frage zum damaligen Zeitpunkt und Iljuchin störte das 2010 mit seinen Fälschungsnachweisen erheblich. Ein Jahr später ist er „plötzlich“ verstorben und seine Parteifreunde (er war Funktionär der revisionistischen Nachfolgeorganisation der KPdSU, der KPRF) sprachen von Mord. Er hatte damals den Namen des Mitglieds der Fälschergruppe, der ihm die Informationen verschaffte, nicht genannt, um diesen zu schützen. Leider haben wir keine Informationen darüber vorliegen, ob es weitere Entwicklungen in dieser Sache gab. Konkret ging es bei dem Fälschungsnachweis nicht nur darum, dass verschiedene Schreibmaschinentypen innerhalb eines Dokuments verwendet wurden, sondern auch um die Datumsangabe (die in einem „neuen“ Dokument dann geändert wurde) und um die Verwendung der Bezeichnung „KPdSU“, die jedoch erst 1952 so hieß gegenüber vorher KPdSU(B). Das alles betraf ein angebliches Schreiben Berias, der in ihm die Hinrichtung der polnischen Gefangenen vorgeschlagen habe. Kurioserweise wurde dieses „Dokument“ angeblich zusammen mit einem Brief von Schelepin an Chruschtschow aus dem Jahr 1959, in dem die Vernichtung der Katyn-Dokumente vorschlagen wurde, in einem versiegelten Umschlag an die Chruschtschow nachfolgenden Generalsekretäre der KPdSU (Breschnew, Andropow, Gorbatschow) weitergegeben – erst dann folgte die Verwendung bzw. die Bearbeitung durch die Fälschergruppe!

Es ist auch vorgesehen, dieses Thema in unserem geplanten Stalinbuch zu behandeln, aber ich denke, dass wir es unabhängig davon auch weiter in der Roten Fahne bringen sollten. Wenn Du eine Untersuchung zur Rolle des DRK im II. Weltkrieg machst, wäre das doch auch eine Gelegenheit dazu, oder nicht? Der Antikommunismus führt ja die „Autorität“ dieser Institution in Bezug auf Katyn noch immer ins Feld und es wäre zur Aufklärung sehr gut, auch diesen Zahn mal zu ziehen!

Herzliche Grüße,

D.