Stefan Engel

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Konspekt zu Lenins »Materialismus und Empiriokritizismus«

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente zum System des RW

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Stefan Engel, Leiter der RW Redaktion

30.10.2018

Konspekt zum Studium des Buches „Materialismus und Empiriokritizismus“ von W.I. Lenin, Werke, Bd. 14

(geschrieben von Februar bis Oktober 1908, erschienen im Mai 1909)

Das Studium des Buches dient der grundsätzlichen Vorbereitung auf die Arbeit am RW 36/37. Die vorbereitende theoretische Arbeit von Lenin für die Oktoberrevolution wird in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung oftmals unzulässig auf „Staat und Revolution“ und „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ eingeschränkt. Darin drückt sich die nach wie vor nicht über­wundene Unterschätzung der weltanschaulichen Grundlage des revolutionären Klassenkampfs im imperialistischen Stadium des Kapita­lismus aus. Ohne die notwendige Grundlage kann weder der Marxismus-Leninismus schöpferisch weiterentwickelt, noch die lähmende Zersplitterung der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung überwunden werden.

Das Buch „Materialismus und Empiriokritizismus“ muss neben seinen Schriften „Karl Marx“ und „Philosophische Hefte“ aus den Jahren 1914/15 zur Dialektik als ein wesentliches weltanschauliches Vorgefecht für den Sieg der Oktoberrevolution angesehen werden und ge­hört zu den Hauptwerken Lenins theoretischer Arbeit.

Das Aufblühen des Idealismus, vor allem durch die „Machisten“, war eine weltanschauliche Grundlage der wütenden Reaktion, aber auch für die Niedergeschlagenheit unter den Massen sowie das Liquidatorentum in der SDAPR in den Jahren nach der verlorenen Revolution von 1905 in Russland.

Es mag verblüffen, dass Lenin diese politische Entwicklung in den Zusammenhang mit der Krise der modernen Physik bringt. Scheinbar war es eine Zeit großer Fortschritte in den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, vor allem in der Physik und der Chemie. Diese bedeu­teten zum Teil eine Infragestellung bisheriger physikalischer Lehrsätze, insbesondere aus der Mechanik. Mit der Entdeckung der Elektro­energie entstand spontan die idealistische Vorstellung einer »Bewegung ohne Materie«. Das war der Ausgangspunkt für die Infragestel­lung des Materialismus überhaupt und die Renaissance und Entwicklung des Neopositivismus und Empiriokritizismus. Waren die großen wissenschaftlichen Fortschritte im 19. Jahrhundert noch auf die Anwendung der dialektischen Methode zurückzuführen, die Friedrich En­gels als moderne Naturwissenschaften zusammenfasste, so war der neuerliche Erkenntnisfortschritt mit einer Verdrängung der dialekti­schen Methode in den bürgerlichen Naturwissenschaften verbunden. Aufgrund dieses erkenntnistheoretischen Rückschritts in den bür­gerlichen Naturwissenschaften konstatierte Lenin eine regelrechte Krise in der Physik. Die neu beobachteten und erforschten Phänome­ne (wie der Aufbau des Atoms) konnten nur mit dem dialektischen Materialismus erklärt und theoretisch verallgemeinert werden.

Das Aufblühen neuer idealistischer Theorien und metaphysischer Methoden führte zur Unfähigkeit, die neuen Erkenntnisse zum tieferen Begreifen der Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität zu verarbeiten. Eine Minderheit naturwissenschaftlicher Philosophen, die sich subjektiv sogar noch mit dem Marxismus verbunden fühlten, entwickelten neue »neue« philosophische Theorien mit dem vermeintlichen Anspruch, Materialismus und Idealismus „schöpferisch“ zu versöhnen. Tatsächlich widersprachen sie dem Marxismus fundamental und glitten zum reaktionären Idealismus ab. Der Versuch der Versöhnung von Materialismus und Idealismus wurde zu einem Haupt­merkmal der bürgerlichen Ideologie im Zeitalter des Imperialismus. Seinen Höhepunkt fand das im System der kleinbürgerlichen Denkweise als vorherrschende Form der bürgerlichen Ideologie seit Ende der 1980 er Jahre.

Die MLPD hat mit ihrer Analyse der Neuorganisation der internationalen Produktion in dem Buch „Götterdämmerung über der 'neuen Weltordnung'“ und der daraus zu schlussfolgernden proletarischen Strategie und Taktik der Vorbereitung und Durchführung der internatio­nalen sozialistischen Revolution in dem Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ die wesentlichen Veränderun­gen des imperialistischen Weltsystems und der daraus zu schlussfolgernden Aufgaben im proletarischen Klassenkampf theoretisch verar­beitet. Nunmehr ist es darauf aufbauend an der Zeit, die Vorbereitung der internationalen Revolution auch auf weltanschaulichem Gebiet weiterzuentwickeln.

In der ganzen Welt hat sich eine reaktionäre Tendenz der allgemeinen Kriegsvorbereitung in Verbindung mit einer grassierenden Rechts­entwicklung der Regierungen und der bürgerlichen Parteien herausgebildet. Zugleich sind die Massen in einen bedeutenden fortschrittli­chen Stimmungsumschwung eingetreten, in dem sich die MLPD bereits in einem Übergang zur nachhaltigen Durchbrechung der relativen Isolierung, zur Partei der Massen befindet. Sie hat sich die Einheit von sozialem und ökologischem Kampf auf ihre Fahnen geschrieben und arbeitet entschlossen an der Vereinigung von nationalem und internationalem Klassenkampf. In dieser Situation muss der RW 36/37 zum Rüstzeug für eine Offensive der proletarischen Weltanschauung unter den Massen im Streit gegen die bürgerliche Ideologie und alle Schattierungen der kleinbürgerlichen Denkweise werden.

Die heute zu beobachtende weltweite Rechtsentwicklung der imperialistischen Regierungen mit dem vorläufigen Höhepunkt des Amtsan­tritts von Donald Trump hat seine Wurzel auch in der umfassenden Krise der bürgerlichen Ideologie. Sie kann die Massen immer weniger an das kapitalistische Gesellschaftssystem binden. An die Stelle lange Zeit für die Herrschenden bewährter kleinbürgerlicher Lebenslü­gen tritt nun die Renaissance längst überwunden geglaubter offen reaktionärer Ideen und ihre zunehmende Umsetzung in die gesell­schaftliche Wirklichkeit. Diese reaktionäre Entwicklung erzeugt auf der Grundlage der kleinbürgerlichen Denkweise Resignation, Negati­vismus und Desorganisation bis hin zu rechten Tendenzen unter den Massen. Zugleich erscheint im Denken, Fühlen und Handeln eine bahnbrechende Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative. Diese beginnt jedoch erst, sich von den Eingebungen und weltanschauli­chen Fesseln des modernen Antikommunismus zu befreien.

Der RW 36/37 darf deshalb nicht nur die Krise der bürgerlichen Ideologie und ihre materielle Grundlage in der allgemeinen Krisenhaf­tigkeit des imperialistischen Weltsystems aufdecken. Er muss überzeugend Antwort der proletarischen Ideologie durch ihre Weiterent­wicklung vor allem durch die Lehre von der Denkweise geben.

Die schier unendliche Menge an neuen Einzelerkenntnissen in den Naturwissenschaften, die Flut politischer Informationen, das Aufblü­hen pseudowissenschaftlicher Theorien und die weltanschauliche Verwirrung durch die modernen Medien vernebeln den Blick für das Wesentliche. Der Gesamtzusammenhang der Entwicklung wird aus den Augen verloren. Nur mithilfe der dialektisch-materialistischen Me­thode ist es möglich, der objektiven Wirklichkeit die grundlegenden Tendenzen ihrer Entwicklung, ihrer neuen Erscheinungen und wesent­lichen Veränderungen abzuringen und sie im Denken, Fühlen und Handeln tiefgehend zu verstehen, um darauf Einfluss zu nehmen.

Die kritische und selbstkritische Aneignung von Lenins Buch „Materialismus und Empiriokritizismus“ ist eine notwendige weltanschauli­che Vorbedingung, um die globale Ausgangslage allseitig zu begreifen und in der theoretischen Arbeit und revolutionären Praxis eine entsprechende Antwort zu geben.