Willi Dickhut

Willi Dickhut

Keine zwei Hauptaufgaben!

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1982

Von RW-Redaktion
Keine zwei Hauptaufgaben!

An das Zentralkomitee der MLPD 5. 8. 82

An die Zentrale Kontrollkommission
Liebe Genossen!

Ich bedaure, nun doch schriftlich Stellung nehmen zu müssen, weil die Auseinandersetzung über die Angelegenheit der gegenwärtig laufenden zwei Hauptaufgaben sich zu einem prinzipiellen Problem zugespitzt hat.

Die gleichzeitige Durchführung von zwei Hauptaufgaben ist ein schwerer Fehler, der einen beträchtlichen Rückfall in den kleinbürgerlichen Arbeitsstil bedeutet. Der proletarische Arbeitsstil verlangt:

Es darf nur eine Hauptaufgabe aufgestellt werden, die wohl einige Schwerpunkt- und Nebenaufgaben enthalten kann, aber niemals zwei Hauptaufgaben gleichzeitig.

Die seit langem laufende Hauptaufgabe ist die Vorbereitung und Durchführung der Parteigründung, die erst mit der öffentlichen Veranstaltung beendet ist. Die zwischen dem Abschluß des I. Parteitags und der öffentlichen Veranstaltung durchzuführenden Übergangsaufgaben sind:

Konstituierung des Zentralkomitees und Einführung der neu gewählten Mitglieder in ihre Verantwortlichkeit und in ihre spezielle Leitungsarbeit, Einsetzung von Abteilungsleitern, Überarbeitung und Herausgabe der Parteidokumente des 5. Zentralen Delegiertentags und I. Parteitags. Vorbereitung für die öffentliche Gründungsveranstaltung, rechtzeitige Kontrolle und eventuell Korrektur des vorgesehenen Veranstaltungsprogramms (was zu spät erfolgte), Druck von Eintrittskarten und Aufnahmescheinen, Ausarbeitung einer zentral hergestellten Argumentation für die mündliche Agitation und Schulung darüber in allen Ortsgruppen und Zellen bis zum 31.7., Kampagne zur Bekanntmachung der Parteigründung vom 1. bis 21. 8. Mündliche und schriftliche Agitation in Betrieben und Wohngebieten: Flugblattverteilung, verstärkter Kartenverkauf, Rote-Fahne-Verkauf und eventuell Literaturvertrieb, Plakatkleben, Aussprache von Mann zu Mann oder in Stammtischrunde, Werbung zur Teilnahme an der Veranstaltung (nicht jeder, der eine Karte kauft, geht auch zur Veranstaltung), Werbung für Rote-Fahne-Abonnements, Anstöße geben für den Parteieintritt und anderes mehr. Dazu die unmittelbare zentrale Vorbereitung und Durchführung der Gründungsveranstaltung. Ich führe das alles auf, um den Charakter der Hauptaufgabe zu kennzeichnen. In diesen zahlreichen Einzelaufgaben sind bestimmte Schwerpunkte enthalten, die ich unterstrichen habe. Daneben konnte das Zentralkomitee den Plan zur Reorganisation, das heißt den Kaderplan, vorbereiten als Übergang zur zweiten Hauptaufgabe – die Reorganisation auf Bezirksebene –, die nach der Veranstaltung beginnt. Das wäre die Anwendung eines proletarischen Arbeitsstils gewesen; beide Hauptaufgaben gleichzeitig durchzuführen ist ein kleinbürgerlicher Arbeitsstil.

Im Sekretariatsbericht vom 22. 7. wird zugegeben, daß »eine Unterschätzung der Parteigründungsveranstaltung zum Ausdruck« gekommen sei. Es war nicht nur eine Unterschätzung dieser ersten Hauptaufgabe, sondern gleichzeitig eine Unterschätzung der zweiten, die Durchführung der Reorganisation, und das ist noch weit schlimmer. Zu glauben, man könne eine solche Reorganisation auf Bezirke (und später Kreise) mit neuen Bezirksleitungen in einem Monat durchpeitschen (»im Juli ist die Bezirksgründung Schwerpunkt« – Protokoll der außerordentlichen Sekretariatssitzung vom 15.7.), geht von falschen Organisationsvorstellungen aus. Vom Gesichtpunkt des Organisationszustands aus bedeutet die Durchführung eines richtigen Reorganisationsplans: gründliche Kaderauswahl, sorgfältige Überprüfung durch die Zentrale Kontrollkommission, Umstellung von Orts- und Zellenleitungen, Heranziehung einfacher Mitglieder zu Funktionären bei Berücksichtigung ihres ideologisch-politischen Niveaus, ihrer Vorzüge und Mängel, Erfahrungen und Fähigkeiten, ihrer bisherigen politischen und organisatorischen Tätigkeit usw. Zur gründlichen Durchführung dieser Hauptaufgabe sind zwei bis drei Monate notwendig. Die in Hektik durchgeführte Reorganisation birgt Oberflächlichkeit und Überinanspruchnahme der Genossen, besonders der Funktionäre in sich. Das ist ein Rückfall in den Zirkelzustand und den kleinbürgerlichen Arbeitsstil, den wir eigentlich überwunden haben müßten. Ich lege als abschreckendes Beispiel den Arbeitsplan für die Solinger Zellen bei, den ich gestern abend bekommen habe. Das ist die Folge, wenn gleichzeitig zwei Hauptaufgaben gestellt werden. Einen solchen Plan durchführen zu wollen bedeutet, in Hektik und Oberflächlichkeit zu geraten.

Wie konnte das geschehen?

1. Es wurden vom Sekretariat und Plenum nicht nur die beiden Hauptaufgaben unterschätzt, sie wurden als solche anfangs nicht einmal erkannt. Im Übergangsplan vom 12. 7. bis 15. 9. wurden sie unter sechs (!) Schwerpunktaufgaben als 2. und 4. aufgeführt (als ferner liefen!), obwohl es einleitend heißt: »Mit der Parteigründungsveranstaltung wechselt die Hauptaufgabe. Sie besteht dann in der Führung des Klassenkampfes.« Das ist doch – entschuldigt den Ausdruck – naiv!

2. Daraus ist zu schließen, daß die Einschätzung des Sekretariats beziehungsweise Zentralkomitees darauf hinausläuft, daß sich in den nächsten Monaten der Klassenkampf rapide verschärft und wir deshalb die Reorganisation noch vor dem Wechsel der Hauptaufgabe hinter uns haben müssen. Diese Auffassung ist aber eine Fehleinschätzung. Die politische Situation wird sich in der nächsten Zeit nicht sprunghaft verschärfen. Dafür sind gegenwärtig keine Anzeichen vorhanden (innenpolitisch spitzt sich die Lage auf ein Ende der Regierungskoalition zu und damit auf neue Betrugsmanöver). Im nächsten Jahr verschärfen sich die Widersprüche in der BRD durch den Kampf gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen und der Proteste der Friedensbewegung. Der Klassenkampf zeigt gegenwärtig eine Flaute. Täglich werden Tausende Arbeiter und Angestellte entlassen, und sie lassen sich mit einem sogenannten »Sozialplan« abspeisen und verzichten auf den Kampf (von Ausnahmen abgesehen), um die »Gewährung« dieser Brosamen, die von der Herren Tische fallen, nicht zu gefährden. Und auf diesen reformistischen Betrug fallen die Kollegen herein. Bei nüchterner Betrachtung dieser Situation ist es absurd, nach der Gründungsveranstaltung als Hauptaufgabe die Führung des Klassenkampfs aufzustellen, der sich noch gar nicht entwickelt hat. Was in der nächsten Zeit als Hauptaufgabe steht, habe ich in meinem Interview festgehalten, mehr zu erwarten ist Illusion. Es bestand also überhaupt keine Veranlassung, die Reorganisation der Partei vorzuziehen und hektisch durchzuführen. Genossen, erkennt das doch endlich, und merzt den kleinbürgerlichen Arbeitsstil restlos aus.

3. Im Protokoll der außerordentlichen Sekretariatssitzung heißt es: »W. D. berücksichtigt nicht, daß es keine Leitungen mehr gibt.« Das ist eine sonderbare Behauptung. Mit der Parteigründung sind die Leitungen des KABD keineswegs insgesamt weg – nur die Zentrale Leitung ist weg durch die Wahl des Zentralkomitees. Alle anderen Leitungen haben solange Gültigkeit, bis neue gewählt werden können, mit Ausnahme der Landesleitungen, die durch die Bezirksleitungen wegfallen. Die Landesleitungen sind nicht mehr arbeitsfähig, und zwar schon länger. Wir haben aber arbeitsfähige Orts- und Zellenleitungen, und diese sind nicht durch die Parteigründung außer Kraft gesetzt. Sie haben ihre jetzigen Aufgaben durch Anweisung und Anleitung durch das Zentralkomitee bis zur Neuwahl durchzuführen. Wer anders sollte denn die Reorganisation an der Basis durchführen? Ob die gegenwärtigen Orts- und Zellenleitungen des KABD noch einige Zeit länger fungieren, ist doch nicht von Bedeutung.

4. Es ist bei der gleichzeitigen Durchführung der zwei Hauptaufgaben nicht berücksichtigt worden, daß dadurch die eben aus der Taufe gehobene MLPD einer Zerreißprobe unterworfen wurde, die gefährlich werden kann. Besonders unsere Funktionäre waren bei der Vorbereitung und Durchführung des 5. Zentralen Delegiertentags und I. Parteitags bis aufs äußerste angespannt, und man mußte ihnen die Möglichkeit geben, etwas Luft zu schnappen. Dabei war es trotzdem möglich, den Schwung und die Begeisterung auf Weiterführung der Hauptaufgabe zu konzentrieren. Durch Festlegung auf die eine Hauptaufgabe bis zur Gründungsveranstaltung wäre die Überbeanspruchung durch Hektik vermieden und es wäre Rücksicht auf die Kaderentwicklung und Kaderpflege genommen worden. Die Genossen müssen auch noch Zeit und Gelegenheit haben, ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln und sich ihren Familien zu widmen. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, wenn eine Kampagne die andere ablöst wie beim Staffetten-lauf. Wir dürfen keine überzüchteten Leistungskommunisten heranzüchten. Ich habe stets das Prinzip vertreten, von einem Genossen nicht mehr zu verlangen, als ich doppelt zu tun bereit bin. Wir müssen auch Kaderpflege betreiben …

Zusammenfassung:

Die gleichzeitige Durchführung von zwei Hauptaufgaben ist ein prinzipieller Fehler, der einen Rückfall in den kleinbürgerlichen Arbeitsstil bedeutet.

Die Hektik bei der Durchführung der Reorganisation auf Bezirke ist weder durch die gegenwärtig politische Situation noch durch den Stand des Klassenkampfs gerechtfertigt.

Der Fehler läßt sich jetzt nicht mehr korrigieren, beide Hauptaufgaben müssen recht und schlecht durchgeführt werden.

Schlimm ist das sture Festhalten an diesem Fehler. Das Verhalten birgt die Gefahr zukünftiger prinzipieller Fehler in sich. Das bitte ich zu diskutieren.

Willi



An die Mitglieder des Zentralkomitees der MLPD
An die Mitglieder der Zentralen
Kontrollkommission der MLPD 11. 8. 82

Stellungnahme des Sekretariats zur Kritik des Genossen W. D.

Prinzipielle Kritik von Willi deckt Rückfall des Sekretariats in den Zirkelarbeitsstil auf!

Anlaß dieser Stellungnahme des Sekretariats ist die Kritik des Genossen W. D. vom 5. 8. 1982. Willi faßt seine Kritik am Übergangsarbeitsplan des Sekretariats folgendermaßen zusammen:

»Die gleichzeitige Durchführung von zwei Hauptaufgaben ist ein prinzipieller Fehler, der einen Rückfall in den kleinbürgerlichen Arbeitsstil bedeutet.

Die Hektik bei der Durchführung der Reorganisation auf Bezirke ist weder durch die gegenwärtige politische Situation noch durch den Stand des Klassenkampfs gerechtfertigt.

Der Fehler läßt sich jetzt nicht mehr korrigieren, beide Hauptaufgaben müssen recht und schlecht durchgeführt werden.

Schlimm ist das sture Festhalten an diesem Fehler. Das Verhalten birgt die Gefahr zukünftiger prinzipieller Fehler in sich. Das bitte ich zu diskutieren.«

Dem gingen Kritiken gleicher beziehungsweise ähnlicher Stoßrichtung voraus.

Der prinzipielle Inhalt der Kritik von Willi betrifft sowohl die gleichzeitige Festlegung und Durchführung von zwei Hauptaufgaben als Ausdruck des Zirkelarbeitsstils wie auch die Art und Weise der Behandlung der Kritiken durch das Sekretariat.

Auf seiner Sitzung am 5.8.82 stimmte das Sekretariat dem prinzipiellen Inhalt dieser Kritik zu. Der genauen Erfassung dieses Fehlers, seiner Auswirkungen, seiner Ursachen sowie der Bestimmung der notwendigen Konsequenzen dient diese Stellungnahme.

Worin kommt der Rückfall in den Zirkelarbeitsstil durch das Sekretariat zum Ausdruck?

In der Unterschätzung der Vorbereitung und Durchführung der Parteigründungsveranstaltung als Hauptaufgabe

Die Vorbereitung und Durchführung der Gründungsveranstaltung am 21. 8. mußte nach dem I. Parteitag die Hauptaufgabe der ganzen Partei sein. Warum?

Von einer Partei haben die Arbeiter sofort viel weitergehendere Erwartungen als von einem Bund. Die vorherrschende Resignation der Arbeiter macht die Verankerung der Parteigründung, ihrer Bedeutung und ihrer Politik zu keiner leichten Sache. Das erfordert eine sichere, bewegliche, die Dreiteilung der Massen berücksichtigende Agitation und Propaganda. »Hauptaufgabe Vorbereitung Parteigründungsveranstaltung« hätte bedeutet, für diese Veranstaltung in Art einer Kampagne zu mobilisieren, also alle Kräfte darauf zu konzentrieren, die Parteigründung in der Arbeiterklasse und den übrigen werktätigen Schichten zu propagieren. Mit einem solchen Auftreten mußten wir das Bild der MLPD im Denken der Arbeiter positiv einprägen.

Die Mobilisierung zur Gründungsveranstaltung wurde vom Sekretariat jedoch als Hauptaufgabe nicht erkannt und völlig unterschätzt. Im Übergangsarbeitsplan erscheint sie als eine von sechs Schwerpunktaufgaben. Die Auswirkungen:

– Die Partei wurde auf das breite Auftreten nach außen nicht vom Zentralkomitee vorbereitet. Es waren aber eine intensive Ausrichtung auf die zu erwartenden Argumente, also auch Argumentationshilfen notwendig, eine konkrete Analyse der Dreiteilung der Massen bezüglich der Parteigründung. Diese lag erst Ende Juli vor und wirkte sich für die Orte nicht aus.

– Die fehlende inhaltliche Vorbereitung verleitete nicht wenige Ortsgruppen dazu, in Aktionismus zu verfallen, aus einer offensiven Einstellung heraus ein Riesenprogramm der Arbeit nach außen zu entwickeln, ohne inhaltliche Ausrichtungen und regelmäßige Auswertungen vorzusehen.

– Eine Anleitung der Ortsgruppen zum Einsatz neuer Agitationsmethoden wurde vom Zentralkomitee nicht durchgeführt (zum Beispiel angemeldetes Plakatieren).

– Das zentrale Flugblatt zur Parteigründung mußte mehrmals überarbeitet werden, weil es Schwierigkeiten gab, mit der Parteigründung am Denken der Kollegen anzusetzen.

– Der Stand der Vorbereitungsarbeiten zur Gründungsveranstaltung wurde zu spät kontrolliert, so daß die Korrektur entdeckter Fehler längere Zeit in Anspruch nahm.

Das durch den Rundbrief des Sekretariats eingeleitete verstärkte Auftreten nach außen war somit nicht durch entsprechende Vorbereitung angeleitet und deshalb nicht mit der notwendigen Kadererziehung verbunden.

Eine unbändige Eigeninitiative und der Schwung der Mitglieder schwächten die Auswirkungen dieser Unterschätzung etwas ab, verdeckten teilweise aber gleichzeitig die revolutionäre Wachsamkeit, diesen Fehler zu erkennen. Dennoch hat ein Teil der Mitgliedschaft diesen Fehler erkannt.

Unterschätzt wurde vom Sekretariat auch die Auswirkung der Parteigründung auf die Taktik der Bourgeoisie uns gegenüber.

Kaum hatte die Bourgeoisie die erfolgreiche Parteigründung in Erfahrung gebracht, ergriff sie sofort die Initiative, die MLPD in die staatsfeindliche Ecke zu stellen, sie als Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD hinzustellen, uns mit der Behauptung des »konspirativen Arbeitens« verdächtig zu machen und dadurch zu isolieren und gegen uns zu hetzen. Diese Ausrichtung gab der Jahresbericht des Landesamts für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, der auf vier farbenprächtigen Seiten den KABD an die erste Stelle innerhalb der »neuen dogmatischen Linken« rückt. Der jüngste Artikel des Magazins »Der Spiegel« ist die erste Umsetzung dieser Ausrichtung. Die Bourgeoisie weiß sehr wohl, daß die gegenwärtig noch vorherrschende Lähmung des Kampfwillens der breiten Massen, vor allem durch Resignation, keinen stabilen Charakter hat, da sich die Klassengegensätze ständig verschärfen. Deshalb kann die Bourgeoisie die Gefahr sehr wohl erfassen, die ihr in der Perspektive aus der Gründung einer revolutionären Arbeiterpartei zum jetzigen Zeitpunkt erwachsen kann. Darin liegt ihre Initiative begründet, vom »Spiegel« angefangen über uneingeschränkte Zulassungswünsche verschiedener Zeitungen zur Gründungsveranstaltung und nicht zuletzt Anfragen des ZDF.

Diese Initiative der Massenmedien wurde vom Sekretariat völlig unterschätzt …

In der Unterschätzung der Reorganisation der Partei

Die Reorganisation der Partei, angefangen vom Auf- und Ausbau der zentralen Abteilungen bis zu Neubesetzungen der meisten örtlichen Funktionen, ist eine so umfassende Umgruppierung der Kader, daß sie selbst eine Hauptaufgabe darstellt, auf deren Vorbereitung und Durchführung die Hauptkräfte der Partei ausgerichtet sein müssen.

Auch diese Aufgabe unterschätzt der Übergangsarbeitsplan völlig, indem er sie als eine von sechs Schwerpunktaufgaben aufführt.

Eine mit dem marxistischen Arbeitsstil durchgeführte Reorganisation erfordert zwei bis drei Monate Zeit und bedeutet:

– Gründliche Auswahl der in Frage kommenden Kader, Durchführung von Kadergesprächen. Es gilt, den richtigen Mann an den richtigen Platz zu stellen.

– Berücksichtigung aller Auswirkungen am Ort beim Abzug von Genossen für höhere Funktionen. Vor dem Einsatz des Genossen muß sein Ersatz sichergestellt sein!

In der Zeit vor der Gründungsveranstaltung mußte diese Reorganisation vorbereitet werden durch Aufstellung einer allseitigen Kaderplanung, Einsatz von zentralen Abteilungsleitern. Nach der Gründungsveranstaltung galt es, diese Reorganisation als Hauptaufgabe durchzuführen.

Eine sofortige Reorganisation nach dem I. Parteitag war politisch von der Situation im Klassenkampf her nicht notwendig. Ihre Durchführung in fünf Wochen erzeugte einen ungeheuren Druck und führte in nicht wenigen Ortsgruppen zu Hektik und Oberflächlichkeit, die im Sekretariat ihren Ausgang nahm:

– Wohl wurde ein Kadergesamtplan für den Aufbau der zentralen Abteilungen und der Bezirksebene erstellt. Die Auswirkungen auf die Orte wurden aber nicht berücksichtigt. Dabei müssen hauptsächlich junge Genossen in die neuen Aufgaben nachrücken, mit denen ihre Funktionen genau durchzusprechen sind. Hektik und Oberflächlichkeit sind der Tod der systematischen Kadererziehung.

– Die fünf Wochen ließen keine Zeit für Urlaub der Genossen, der aber die grundlegende Seite der Kaderpflege berührt. Besonders nach der höchsten Anspannung der Kräfte während der Vorbereitung der Parteigründung kam es nun zu Zuspitzungen, auf die noch teilweise verschärfend reagiert wurde. Dagegen wandte sich berechtigt ein Genosse auf der Blitzkonferenz Ruhr: »Es ist nicht richtig, daß jeder, der in Urlaub geht, als ›Vaterlandsverräter‹ bezeichnet wird …«

Daß es für die Organisation nicht zu einem größeren Schaden kam, liegt an dem hohen ideologisch-politischen Niveau, dem Schwung der Mitgliedschaft, ihrer uneingeschränkten Bereitschaft, nach vorn zu marschieren. So wurden zu den Bezirksgremien 50 Prozent mehr Kandidaten aufgestellt, als die zentrale Kaderplanung vorgeschlagen hatte. Die Kehrseite liegt darin, daß die Anspannung der Kräfte die revolutionäre Wachsamkeit gegenüber dem Zirkelarbeitsstil in der Reorganisation der Partei in den Hintergrund drängte. Außer auf dem Bezirksdelegiertentag Rheinland gab es zur Selbstkritik des Zentralkomitees keine Diskussion seitens der Mitglieder.

Im Verstoß gegen das Prinzip der Konzentration der Kräfte

Der Übergangsarbeitsplan des Sekretariats stellt die Hauptaufgabe zu allgemein. Dann werden ohne Gewichtung sechs Schwerpunktaufgaben aufgeführt, von denen aber zwei den Charakter von Hauptaufgaben haben. Damit legt dieser Plan also zwei Hauptaufgaben gleichzeitig fest. Das ist ein schwerer Fehler:

»In keinem Gebiet können gleichzeitig mehrere zentrale Aufgaben bestehen; innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts kann es nur eine zentrale Aufgabe geben, die durch andere, zweit-und drittrangige Arbeiten ergänzt wird.« (Mao Tsetung Ausgewählte Werke Bd. III, S. 140)

Das erfordert,

»… die jeweilige maßgebende Schwerpunktaufgabe durch konkrete Analyse der konkreten Situation zu finden und die Hauptkräfte darauf zu konzentrieren.« (Revolutionärer Weg 21, S. 27)

Mao Tsetung weist ausdrücklich auf die prinzipielle Bedeutung dieses Grundsatzes hin. Auch für die heutige Situation der strategischen und sogar taktischen Defensive der Arbeiterklasse gilt besonders:

»Ob man aus der strategischen Verteidigung heraus den Sieg erringen kann, hängt hauptsächlich von diesem Mittel ab – von der Konzentration der Kräfte.« (Mao Tsetung Ausgewählte Werke Bd. I, S. 275)

Statt die Kräfte zu konzentrieren, zersplitterte der Übergangsarbeitsplan die Kräfte mit der Folge, daß keine der beiden Hauptaufgaben, wie dargelegt wurde, wirklich gründlich durchgeführt werden konnte.

Wie war das möglich?

– Dem Arbeitsplan ging keine gründliche und allseitige Analyse des Stands der Organisation voraus;

– die Auswirkungen der festgelegten Aufgaben wurden nicht umfassend durchdacht.

Damit setzte sich das Sekretariat selbst einer Hektik aus, indem die doppelte Schwerpunktsetzung in der Praxis keinen klaren Schwerpunkt bedeutete:

– Einige der gestellten Aufgaben konnten auch bei Anspannung aller Kräfte nur teilweise erfüllt werden;

– Vorlagen ans Sekretariat mußten mehrmals überarbeitet werden, weil die Anleitung und Kontrolle nicht konsequent und allseitig durchgeführt wurde; das behinderte die zielstrebige Kaderentwicklung im Sekretariat;

– die Einarbeitung der neuen Zentralkomitee- beziehungsweise Sekretariatsmitglieder wurde bald der Erledigung der laufenden Aufgaben untergeordnet;

– die Bedingungen für das grundsätzliche Herangehen an die Leitungstätigkeit verschlechterten sich zunehmend …

Auf dem 2. Plenum des Zentralkomitees kam es zu einer gefährlichen Zuspitzung

In einem schriftlichen Redebeitrag übte die Zentrale Kontrollkommission folgende Kritik am Sekretariatsbericht:

»Allerdings meinen wir, daß das Sekretariat bei der Kritik von Willi ungenügend die Wurzel des Widerspruchs aufgedeckt und entsprechende Konsequenzen gezogen hat.«

»Weiterhin haben wir den Eindruck, daß das Sekretariat die Kaderfrage beziehungweise die Probleme, die sich daraus ergeben können, unterschätzt.«

»Wir meinen, das Sekretariat muß überprüfen

– das Verständnis des Auftretens der Partei zur Bekanntgabe der Parteigründung;

– inwieweit bei der Festlegung des Übergangsarbeitsplans tatsächlich die Massenlinie beachtet wurde;

– die Tendenzen zur Oberflächlichkeit und Hektik

– und ob nicht das ungestüme Vorwärtsdrängen auch eine gewisse Ungeduld zum Ausdruck bringt?«

Diese Kritik wurde nur von einer Minderheit innerhalb des Zentralkomitees unterstützt und vertieft. So kennzeichnete Kl. die gleichzeitige Festsetzung von zwei Hauptaufgaben als Verstoß gegen den marxistischen Arbeitsstil, verwies auf die negativen Auswirkungen auf die Kader und stellte den grundsätzlichen Zusammenhang zur Frage der Massenlinie her. Ar. warnte davor, nicht vor Erfolgen schwindlig zu werden, und kritisierte linkssektiererische Tendenzen im Arbeitsstil des Sekretariats.

Genosse Sn. machte in der Diskussionsleitung einen grundsätzlichen Fehler, indem er die Verbindung zwischen der Diskussion über die Massenlinie und der über die zwei Hauptaufgaben aus-drücklich kritisierte und damit im Plenum eine Tendenz stärkte, die prinzipielle Kritik beiseite zu schieben. Dieser Tendenz schloß sich die Mehrheit des Zentralkomitees an, und auch Genosse Ar. erhielt am Ende seine Kritik nicht mehr aufrecht. Im Zentralkomitee kam eine Strömung auf, die Kritiker in die Ecke der Trennung von Massenlinie und Klassenkampf zu stellen. Schwächen der Kritik, die die Nebenseite bildeten, wurden so als Hauptseite behandelt. So kam das Plenum schließlich zu einer prinzipiell falschen Einheit.

Die Zentrale Kontrollkommission ließ sich von dem starken Widerstand gegen ihre Kritik beeindrucken und trat nicht energisch genug auf.

Die neue Qualität der Zuspitzung bestand darin, daß der Verstoß gegen ein Prinzip des marxistischen Arbeitsstils verteidigt wurde, sogar von den Genossen mit anderer Ansicht faktisch verlangt wurde, das Prinzip ebenfalls über Bord zu werfen. Andererseits wurde von den Genossen mit der prinzipiellen Kritik nicht entschieden dagegen vorgegangen. Erst die weitere Zuspitzung durch die harte und prinzipielle Kritik des Genossen Willi am Zirkelarbeitsstil des Sekretariats führte zum bewußten Kampf gegen die kleinbürgerlichen Tendenzen in Kritik und Selbstkritik …

Wo liegen die objektiven und subjektiven Ursachen für den Fehler des Sekretariats?

Während es vor der Gründung der MLPD notwendig war, die Festsetzung der Linie in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen, ohne die dialektische Einheit von Partei und Kampfwillen der Massen auseinanderzureißen, so mußte mit der erfolgreichen Durchführung des I. Parteitags der Schwerpunkt wechseln. Jetzt kam alles darauf an, den Erfolg der Gründung der MLPD unter den Arbeitern und weiteren werktätigen Schichten zu verankern.

Statt dessen entwickelte sich spontan die These von der »Parteigründung von oben nach unten«, womit die schnelle Wahl von Parteileitungen gemeint war.

Im Gegensatz zur Notwendigkeit der baldigen Parteigründung bestand jedoch für die Reorganisierung der Partei zu diesem Zeitpunkt kein zwingender Grund. Vielmehr war sie Ausdruck einer Überschätzung der subjektiven Kräfte und Möglichkeiten der Partei, die bedeutet, sich über die Massen zu stellen, und die bereits zu einer Tendenz geführt hatte, auch die objektiven Möglichkeiten zur Entfaltung der Kämpfe der Arbeiterklasse teils zu überschätzen und die taktische Seite des Monopolkapitals teils zu unterschätzen …

Die Reorganisierung der Partei unmittelbar nach dem Parteitag war eine völlige Unterschätzung der gewaltigen kaderpolitischen Umwälzung der gesamten Organisation. Auf der Strecke blieb dabei eine gründliche Erziehungsarbeit, Auslese und Pflege der Kader.

Was war die konkrete Ursache für diese Unterschätzung der Reorganisierung?

Die ideologisch-politische Ursache war eine Tendenz im Denken und Handeln des Zentralkomitees, die dialektische Einheit von Lernen und Kämpfen zu zerreißen. Sie drückte sich aus in der falschen Auffassung, daß im KABD noch das Lernen die Hauptseite bildete, während nach der Parteigründung das Kämpfen in den Vordergrund rücke. Das ist schematisch, weil die dialektische Einheit von Lernen und Kämpfen die Hauptsache ist und nicht, ob je nach der konkreten Situation die eine oder andere Seite in den Vordergrund rückt.

Die schematische Festlegung einer allgemeinen Hauptseite Kämpfen führt dagegen dazu, das Kämpfen in den Vordergrund zu rücken, auch wenn tatsächlich keine Arbeiterkämpfe stattfinden. Das führt in der Konsequenz zu linksopportunistischen Feh-lefn, indem die Partei stellvertretend für die Massen handelt. Hinzu kommt, daß die theoretische, die grundsätzliche Seite unter - schätzt wird, was zur ideologisch-politischen Verflachung der Parteiarbeit und auch zu rechtsopportunistischen Fehlern führen muß.

Selbst wenn in einem bestimmten Zeitabschnitt das Kämpfen in den Vordergrund tritt, so führen wir Marxisten-Leninisten es doch als Schule des Klassenkampfs. Das Wesen der revolutionären Taktik ist die Erziehung zur Selbstbefreiung.

Praktisch hatten diese undialektischen Auffassungen in unserem Denken folgende Erscheinungen in unserer Parteiarbeit bewirkt:

– eine völlige Unterschätzung der Einarbeitung der Genossen des Zentralkomitees;

– keine inhaltliche Ausrichtung und Vorbereitung der Mitglieder für die öffentliche Mobilisierung zur Gründungsveranstaltung;

– eine Planung, die für erzieherische Anleitung und Kontrolle kaum Zeit läßt;

– ein mangelndes grundsätzliches Herangehen an verschiedene Sekretariatsaufgaben und eine Atmosphäre von Hektik und Zerfahrenheit im Parteibüro.

Genosse Willi schreibt in seinem Artikel »Keine Rezepte, sondern Anregung zum Denken!«:

»Das richtige Denken muß erstens in die Tiefe gehen, das heißt, die Probleme müssen wir bis auf den Grund durchdenken, um vollständige Klarheit zu bekommen, und zweitens in die Perspektive gehen, das heißt in die richtige Richtung gehen, um die Gegenwart mit der Zukunft zu verbinden.« (»Kader entscheiden alles«, S. 98)

Da das richtige Denken nicht mit einem Male gegeben ist, sondern sich nur in einem ständigen Lernprozeß höherentwickeln und festigen kann, heißt es in dem Artikel weiter:

»LERNEN UND KÄMPFEN ist nicht einfach ein Symbol für unsere Organisation, nein, Lernen und Kämpfen ist die Aufgabe eines jeden Kommunisten, davon muß er vollständig durchdrungen sein.«

Wer dagegen meint, er habe bereits ausgelernt, der wird die Probleme mit einem falschen Denken angehen und Fehler machen.

Die Parteigründung und die Entwicklung der Klassenwidersprüche haben den Kampf zwischen kleinbürgerlicher und proletarischer Denkweise zugespitzt.

Die Entwicklung in der BRD hat die Arbeiterklasse noch stärker in die Defensive getrieben. Geschickt verstehen es die Monopole, mit Hilfe der Reformisten und ihrer Sozialplantaktik trotz Massenentlassungen, zum Teil massiver sozialer Demontage, die Arbeiterklasse vom entschlossenen Kampf abzuhalten, um ihre Exportstellung auf dem Weltmarkt nicht zu gefährden. Diese Stellung ist die tatsächliche Achillesferse der wirtschaftlichen Entwicklung der BRD in die Krise.

Die Reaktion der meisten Kollegen ist aufgrund des mangelnden Vertrauens in die eigene Kraft, aber auch ohne klare Perspektive: Resignation und Lähmung ihres Kampfgeists.

Diese Stimmung dringt auch in die Reihen der Partei ein, bewirkt objektiv eine Tendenz des Zurückweichens vor den schwierigen Aufgaben des Klassenkampfs und findet seinen Niederschlag in rechtsopportunistischen Tendenzen.

Die grundsätzliche Auseinandersetzung um die Festsetzung der Parteilinie in der Parteitagsvorbereitung war die entscheidende Ursache, daß diese rechtsopportunistische Tendenz innerhalb des KABD weitgehend zurückgedrängt werden konnte. Überall dort aber, wo die Vernachlässigung der Parteigründungsvorbereitung nicht überwunden werden konnte, zum Beispiel im RJVD, wirkte diese Tendenz voll nach.

Aber verbunden mit der Konzentration auf die Vorbereitung der Parteigründung trat auch eine Entwicklung der Loslösung von den Aufgaben im Klassenkampf in Richtung des ultralinken Wunschdenkens auf. Sie wurzelt in Selbstüberschätzung, verbunden mit einer Tendenz zu Überheblichkeit, die der große Erfolg der Parteigründung genährt hatte, und brachte eine gewisse Loslösung von den tatsächlichen Erfahrungen der Massen und schließlich auch der Mitglieder mit sich.

Beide Tendenzen, sowohl in Richtung des rechtsopportunistischen Zurückweichens als auch des ultralinken Wunschdenkens, sind gleichermaßen schädlich, begünstigen sich gegenseitig und bedeuten ein Zurückweichen vor der geduldigen, revolutionären Kleinarbeit zur Entfaltung der Kämpfe der Arbeiterklasse. Gegenwärtig ist jedoch die linke Tendenz die Hauptgefahr …

Das eigentlich Gefährliche an den beschriebenen Tendenzen war, daß das Zentralkomitee den Rückfall in den kleinbürgerlichen Arbeitsstil nicht erkannte und bereits begonnen hatte, den falschen Arbeitsstil weiter zu vertiefen.

Das behinderte eine unvoreingenommene Behandlung der be-' rechtigten Kritiken und eine rechtzeitige Korrektur prinzipieller Fehler. Es bestätigt sich, was wir im Rechenschaftsbericht der 4. Zentralen Leitung des KABD beschlossen haben:

»Wenn wir jetzt den Sprung vom Bund zur Partei vollziehen, dann bedeutet dies nicht, daß der proletarische Arbeitsstil nun gesichert ist. Der marxistische Arbeitsstil ist keine durch einen einmaligen, bestimmten qualitativen Sprung erreichbare Entwicklungsstufe, sondern der von Rückschlägen unterbrochene Prozeß der Höherentwicklung von Theorie und Praxis.« (Dokumente des 5. Zentralen Delegiertentags des KABD, S. 182)

Diese wertvollen Erkenntnisse unserer Partei kommen aber nur zum Tragen, wenn wir sie ständig kritisch und selbstkritisch aneignen und anwenden …

Es kommt gegenwärtig darauf an, den ideologischen Kampf auf die Zurückdrängung des kleinbürgerlichen Zirkelarbeitsstils, besonders aber der »linken« Tendenz des ultralinken Wunschdenkens zu konzentrieren und dadurch das Verständnis der Massenlinie auf eine höhere Stufe zu heben.

Alle Tendenzen, die dialektische Einheit von Partei und Masse, von Lernen und Kämpfen auseinanderzureißen, von Verzettelung statt Konzentration der Kräfte müssen in der gesamten Parteiarbeit aufgedeckt und überwunden werden!

Das ist der Ausgangspunkt für das Zurückdrängen des erneut aufgetretenen Zirkelarbeitsstils, seiner Hektik und Oberflächlichkeit …



Stellungnahme zur Kritik an den zwei Hauptaufgaben 6. 9. 82

Jedes Mitglied des Zentralkomitees hat kritisch und selbstkritisch zu den Vorgängen eine persönliche Erklärung abgegeben. Wir bringen als Beispiel eine kurze, konkrete Erklärung eines Genossen:

Ich halte die Stellungnahme des Sekretariats für richtig. Noch ungenügend geklärt sind die politischen Vorstellungen, die bei der Festlegung der zwei Hauptaufgaben zum Ausdruck kommen. Außerdem, warum der prinzipielle Fehler so lange nicht korrigiert wurde, sondern sogar verteidigt wurde. Warum selbst Hinweise von W. D. und der Zentralen Kontrollkommission nicht aufgegriffen wurden und eine Vereinheitlichung des Plenums des Zentralkomitees auf einen grundsätzlich falschen Standpunkt zustandekam.

Die politischen Vorstellungen zur Notwendigkeit der Reorganisierung:

In der Stellungnahme wird auf die Seite der Überschätzung der Kräfte und Unterschätzung der Bourgeoisie eingegangen. Dadurch wird noch nicht geklärt, warum wir der Ansicht waren, daß wir die Reorganisierung durchführen müssen, da sonst »die Gefahr von Nachtrab im Klassenkampf« entstehe (S. 6 der Stellungnahme). Dabei ist der Hinweis von Willi wichtig, daß objektiv vom Klassenkampf aus keine Notwendigkeit zur sofortigen Reorganisierung bestand. Die Grundlage für unsere falsche Ansicht war, daß wir die Reorganisierung nicht im Zusammenhang mit der Entwicklung des Klassenkampfs angepackt haben. Dadurch setzte sich spontan die linke Tendenz durch, die nicht von der Defensive der Arbeiterklasse, dem tatsächlichen Bewußtseinsstand ausging, sondern von dem Wunschdenken, das sich auf der Grundlage des Erfolgs der Parteigründung entwickelte. Schwierigkeiten, den Bewußtseinsstand der Kollegen einzuschätzen, gab es bei mehreren Vorlagen (AEG, Antikriegstagsausrichtung), beim l. Aktuellen Referat wurde einseitig die Haltung der Kollegen zur Parteigründung untersucht. Der Fehler im marxistischen Arbeitsstil war die Festlegung der Reorganisierung losgelöst von der objektiven Situation, was zur falschen Einschätzung geführt hat. Hier wird aber auch eine Losgelöstheit von den Massen deutlich. Auf diese Gefahr hatte die Zentrale Kontrollkommission zu Beginn der Sekretariatsarbeit des Zentralkomitees bereits hingewiesen.

Warum wurde so hartnäckig an dem Fehler festgehalten?

Die liberale Haltung zu Kritik und Selbstkritik im Sekretariat wurde in der Stellungnahme als Ursache für die Zuspitzung der Widersprüche rausgearbeitet, die auf dem Plenum eine neue Qualität erreichte. Dazu heißt es in der Arbeitsstilbroschüre: »Die Erfahrung hat gezeigt, daß bei einer liberalistischen Einstellung aus nichtantagonistischen Widersprüchen antagonistische werden können und so schwerer Schaden erwächst. Wenn wir jedoch stets selbstkritisch den Arbeitsstil überprüfen, sind wir in der Lage, schwere Fehler zu vermeiden und gemachte zu korrigieren.« (S. 51) Die gründliche Überprüfung wurde erst durch die massive Kritik von W. D. eingeleitet. Daraus wird deutlich, daß wir die Gefahr des Revisionismus und Liquidatorentums unterschätzen. Mit dem Erfolg des Parteitags wurde das Vertrauen in die Organisation gestärkt, die revolutionäre Wachsamkeit darf nicht vernachlässigt werden, beides muß eine dialektische Einheit bilden.

Das Verhalten auf dem Plenum gegenüber der Kritik der Zentralen Kontrollkommission behinderte objektiv die Kontrolltätigkeit und ist auf eine überhebliche Haltung der Zentralen Kontrollkommission gegenüber zurückzuführen, was von der Mehrheit des Plenums geduldet wurde und selbst von der Zentralen Kontrollkommission nicht zurückgewiesen wurde.

»Wer sich in grundsätzlichen Fragen des Marxismus-Leninismus liberal verhält, beschreitet den Weg des Revisionismus.« (Revolutionärer Weg 15, S. 30)

Eine Tendenz der Liberalisierung bei Kritik und Selbstkritik trat im Sekretariat auch an anderen Punkten in Erscheinung: Verschiedene Standpunkte wurden nicht ausdiskutiert bei der Behandlung des Perspektivarbeitsplans/Kurzarbeitsplans zu den Haupt-/Schwerpunkt-/Nebenaufgaben. Kritiken hatten teilweise einen persönlichen Zug. Kritiken am Arbeitsstil wurden nicht aufgegriffen. Die Kritik am Politischen Leiter ist ungenügend entwickelt, nur von Di., Kl., MW. Die Beteiligung an den Auseinandersetzungen ist von Gü., MW., Lo. und mir ungenügend und entspricht nicht unserer Verantwortung. Meine Kritiken sind oft einseitig negativ, nicht prinzipiell genug. Objektiv ist es schwieriger, in einem größeren Sekretariatskollektiv die Auseinandersetzung zu führen, das erfordert von jedem Genossen, daß er sich vorher schon gründlichst mit den Problemen auseinandergesetzt hat ...

Die Grundlage in meiner Arbeit für die Fehler

Bei mir zeigte sich das Wunschdenken in der Vorstellung, daß die Reorganisation objektiv notwendig wäre und wir mit dem Schwung der Mitglieder beide Hauptaufgaben schaffen, wobei eine Unterschätzung der Erziehungsarbeit deutlich wird.

Die mangelnde kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit meinem Arbeitsstil verhinderte auch, den prinzipiellen Fehler beim Übergangsplan zu erkennen und die Kritik aufzugreifen und in die Tiefe zu gehen. Aufgrund des objektiv entstandenen Drucks verstärkten sich bei mir die liberalistischen Tendenzen, die Versuche, allein die Aufgaben zu bewältigen, was sich im Sekretariat widerspiegelte und verhinderte, die prinzipiellen Fehler zu erkennen und zu bekämpfen. Darin kommt die Tendenz zurückzuweichen zum Ausdruck, anstatt die Probleme offensiv anzugehen, um unsere ganze Arbeit voranzubringen. Das spiegelte sich auch auf dem Plenum wider, wo ich nicht in der Lage war, einen klaren Standpunkt zu beziehen in der Auseinandersetzung, weil ich die Kritik nicht auf ihren Kern überprüft hatte.



An das Zentralkomitee der MLPD 17. 8. 82

An die Zentrale Kontrollkommission

Liebe Genossen!

Ich möchte hiermit eine Ergänzung zu meinem Brief vom 5. 8. vorbringen, weil anscheinend noch keine Klarheit über den Stellenwert und die Art und Veränderung der unterschiedlichen Aufgaben besteht.

Über den Stellenwert der strategischen und taktischen Hauptaufgaben, der Schwerpunktaufgaben und der Nebenaufgaben

Wir müssen unterscheiden zwischen strategischen und taktischen Hauptaufgaben. Die ersteren gelten für die ganze Periode des Klassenkampfs im Kapitalismus sowie die drei Etappen, die zweiten richten sich nach der konkreten Situation, dem Umfang und der Dauer eines bestimmten Einsatzes. Die strategische Hauptaufgabe einer Etappe und das strategische Ziel sind identisch. Mit der Erreichung des Ziels ist die strategische Hauptaufgabe und die Etappe selbst beendet.

Die jeweiligen taktischen Hauptaufgaben richten sich nach der strategischen Hauptaufgabe der gegebenen Etappe. Die Schwerpunktaufgaben und Nebenaufgaben sind auf die jeweilige taktische Hauptaufgabe ausgerichtet und ihr untergeordnet. Es können mehrere Schwerpunktaufgaben aufgestellt werden, aber nur eine taktische Hauptaufgabe. Entsprechend der unterschiedlichen Situation in den verschiedenen Ortsgruppen kann es unterschiedliche Schwerpunktaufgaben geben, aber Schwerpunkt- und Nebenaufgaben müssen der jeweiligen taktischen Hauptaufgabe untergeordnet sein. Die jeweilige taktische Hauptaufgabe wird zentral festgelegt und ist für die gesamte Organisation bindend. Schwerpunktaufgaben können sowohl zentral wie auch auf Bezirks-, Kreis- oder Ortsebene aufgestellt werden.

Die strategische Hauptaufgabe der ganzen Periode des Klassenkampfs sowie der drei Etappen liegen fest und sind Bestandteil unserer politischen Linie. Taktische Hauptaufgaben und Schwerpunktaufgaben müssen der politischen Linie jeweils angepaßt werden. Nebenaufgaben stehen im Zusammenhang mit Schwerpunktaufgaben und werden mit diesen nebenbei erledigt, ohne die Durchführung der Schwerpunktaufgaben zu belasten. Zum besseren Verständnis des Stellenwerts der verschiedenen Arten der Aufgaben führe ich die drei Etappen des Klassenkampfs an.

Die Periode des Klassenkampfs bis zum Sturz der kapitalistischen Klassenherrschaft wird in drei Etappen eingeteilt:

Strategische Hauptaufgabe der ganzen Periode und deren Ziel: Eroberung der Macht der Arbeiterklasse und Errichtung der Diktatur des Proletariats.

I. Etappe des Klassenkampfs der nichtrevolutionären Situation

1. Strategische Hauptaufgabe und strategisches Etappenziel: Eroberung der entscheidenden Mehrheit der Arbeiterklasse

2. Jeweils eine taktische Hauptaufgabe für einen bestimmten Zeitabschnitt entsprechend der konkreten Analyse der konkreten Situation mit Ausrichtung auf das Etappenziel und Aufstellung taktischer Teillosungen und Teilforderungen

a) Konzentrierung und taktische Ausrichtung auf Schwerpunktaufgaben im Rahmen der jeweiligen taktischen Hauptaufgabe bei Berücksichtigung der ständigen Schwerpunktaufgabe: Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Vorbereitung und Durchführung von Kämpfen der Arbeiterklasse

b) Kurzfristige Nebenaufgaben untergeordneter Natur, die unter »ferner liefen«, nebenbei erledigt werden und vielfach örtlichen Charakter haben. Die Bedeutung der Einzelaufgaben wechselt mit der Veränderung der Schwerpunktaufgaben.

II. Etappe des Klassenkampfs der akut revolutionären Situation

I. Strategische Hauptaufgabe und strategisches Etappenziel: Unmittelbare Vorbereitung und Durchführung der Revolution

2. Taktische Hauptaufgaben richten sich nach der entstehenden und sich entwickelnden revolutionären Situation. Der konkreten Lage entsprechend, werden politische Übergangslosungen und -forderungen aufgestellt, die mit ökonomischen und politischen Teilforderungen verbunden sind.

a) Schwerpunktaufgaben im Rahmen der jeweiligen taktischen Hauptaufgabe aufstellen, besonders zur • Formierung der proletarischen Hauptkräfte und Führung revolutionärer Kämpfe und

• Schaffung eines festen Bündnisses mit kleinbürgerlichen Zwischenschichten und ihre Ausrichtung auf den revolutionären Kampf

b) Nebenaufgaben treten bei Verschärfung des revolutionären Klassenkampfs zurück. Die Kräfte dürfen nicht verzettelt werden.

III. Etappe des bewaffneten Kampfs und des Aufstands

1. Strategische Hauptaufgabe und strategisches Etappenziel fallen mit der strategischen Hauptaufgabe und dem Ziel der ganze Periode des Klassenkampfs zusammen: Eroberung der Macht der Arbeiterklasse und Errichtung der Diktatur des Proletariats.

2. Die jeweilige taktische Hauptaufgabe richtet sich nach dem Stand des bewaffneten Kampfs (Vormarsch oder Rückzug) und nach dem Übergang zum bewaffneten Aufstand.

a) In diesen revolutionären Kämpfen werden entsprechende Schwerpunktaufgaben im Rahmen der jeweiligen Hauptaufgabe herausgearbeitet, wobei die besondere taktische Beweglichkeit des bewaffneten Kampfs berücksichtigt werden muß.

b) Nebenaufgaben dürfen nicht mehr gestellt werden, weil die gesamte Tätigkeit sich auf den bewaffneten Kampf konzentrieren muß.

Es ist unbedingt notwendig, diese unterschiedlichen Aufgaben genau zu beachten, um Fehler zu vermeiden.

Willi