RW 40-Vorbereitung

RW 40-Vorbereitung

Joan Hinton und Erwin Sid Engst zur Frage der Denkweise im sozialistischen China

Joan Hinton und Erwin Engst zwei Amerikaner, die sich Jahrzehnte am sozialistischen Aufbau in China beteiligten zur Rolle von Mao Zedong im sozialistischen China

Von RW-Redaktion

XIAO WANG ZIIUANG MOLKEREI,

Experimentierstation für Landwirtschaftliche Maschinen Sha He, BEIJING 102206, CHINA

11. Juni 1994


An die Gemeinsame Koordinierungsgruppe

3007 GE Rotterdam, Niederlande


Liebe Genossen,

wir sind zwei Amerikaner, die nach China kamen, Erwin (Sid) Engst, im Jahre 1946 und Joan Hinton 1948, angezogen von der ungeheuren magnetischen Anziehungs­kraft der chinesischen Revolution. Zunächst wollten wir nur einige wenige Jahre bleiben um herauszufinden, was in den befreiten Gebieten Chinas vor sich ging. Aber es war so faszinierend, daß wir China nie wieder verlassen haben. Jetzt nach fast 50 Jahren Teilnahme an der chinesischen Revolution sind wir immer noch hier und arbeiten in der landwirtschaftlichen Mechanisierung.

Wir glauben, daß die von Mao geführte Revolution eine der großen Revolutionen aller Zeiten war und daß Mao ein proletarischer revolutionärer Führer wie Marx und Lenin war.

Angesichts des Untergangs der UdSSR und der östlichen sozialistischen Länder sowie der Niederlage der Kulturrevolution, wurden viele Marxisten überall auf der Welt entmutigt und orientierungslos. Deshalb halten wir diese Erklärung derzeit für äußerst wichtig; sie kommt zur rechten Zeit.

Während wir begeistert unsere Unterschrift unter die Erklärung über die Mao Tsetung-Ideen setzen (Anm. RW-Redaktion: Zum internationalen Seminar »100 Jahre Mao Tsetung« am 6./7.11.1993 in Deutschland), möchten wir folgende Vorschläge machen:

100 Jahre.jpg

Wir stimmen von ganzem Herzen zu, daß Maos Theorie und Praxis in der Weiter­führung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats seine größte Leistung ist. Es ist eine Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus. Im allgemeinen halten wir die Diskussion über diese Leistung für richtig; jedoch sind wir der Ansicht, daß Abschnitt 6 (»Er hatte den Vorteil, die bürokratischen bürgerlichen Strömungen in der chinesischen Kommunistischen Partei... zu studieren,...«) zu schwach ist. Die Wortwahl »bürokratische bürgerliche Strömungen« enthüllt nicht, wie intensiv der langwierige Kampf Maos war, den er für den Aufbau des Sozialismus in jeder neuen Phase gegen die aktive Opposition, die von innen heraus aus der Führungsspitze der chinesischen Kommunistischen Partei kam, führte. Die Analyse dieser Opposition zusammen mit der Analyse des »Wachstum(s) des modernen Revisionismus und der kapitalistischen Restauration in Jugoslawien und Osteuropa« führte ihn zu dem Ergebnis, daß es sich um einen antagonistischen Widerspruch handelte. Es war ein Widerspruch zwischen den Interessen der Massen des Volkes und denen einer kleinen Minderheit, einer neuen Bourgeoisie, die zusammen mit der kommunisti­schen Partei selbst aufgestiegen war - oder, wie er sie nannte, »die Machthaber in der Partei, die den kapitalistischen Weg gehen«.

Von unserer Erfahrung aus der Teilnahme an diesem Kampf sehen wir, daß Maos Beiträge vier Aspekte dieser Analyse umfassen, und zwar:

1. Wie ist es möglich, daß es innerhalb der höchsten Führungsorgane der Partei des Proletariats solche gibt, die den kapitalistischen Weg gehen.

2. Wie können diejenigen auf dem kapitalistischen Weg im Prozeß der sozialisti­schen Revolution erkannt werden.

3. Wie soll man dieses Problem in der Partei behandeln.

4. Die dialektische Beziehung zwischen dem Überbau und der ökonomischen Basis. Dazu möchten wir folgendes anmerken:

Erstens: ausgehend von der marxistischen Philosophie, daß die gesellschaftliche Existenz der Menschen ihr Denken bestimmt, hat Mao gezeigt, daß in unserer Gegenwart die kleinbürgerliche Ideologie die hauptsächliche Ideologie ist. Parteimit­glieder tragen diese Ideologie in die Partei hinein. So lange sie Teil des unterdrückten Volkes sind, führen sie einen harten Kampf gegen ihre Unterdrückung. Aber sobald die Partei die Macht errungen hat, verwandelt sich die gesellschaftliche Existenz der Parteimitglieder in die Existenz herrschender Gruppen auf allen Ebenen der Regierung. Falls dies nicht mit einem Wechsel ihrer Ideologie einhergeht, wird die nicht verwandelte kleinbürgerliche Ideologie von Parteimitgliedern in Macht­positionen unvermeidlich in den kapitalistischen Weg innerhalb der Partei des Proletariats entarten, d.h. in solche Menschen, die ihre Macht gebrauchen, um für einige wenige Vorteile zu erringen anstatt den Interessen der riesigen Mehrheit zu dienen. Unter diesen Umständen wird der innere Widerspruch in der Partei zum Hauptwiderspruch in der Gesellschaft.

Zweitens: Mao analysierte den Kampf gegen diejenigen auf dem kapitalistischen Weg als Klassenkampf, der die Form des Kampfes zweier Linien innerhalb der KP Chinas annimmt. Die den kapitalistischen Weg gehen, können an der von ihnen praktizierten Linie erkannt werden. Mao formulierte das Wesen der zwei Linien: die proletarische, revolutionäre Linie - Vertrauen in die Massen, sich stützen auf die Massen und die Massen mobilisieren - entgegengesetzt der bürgerlichen, reaktionä­ren Linie: Furcht vor den Massen, nur in einige wenige vertrauen , sich nur auf einige wenige stützen und sie durch hinterhältige Manipulationen mobilisieren. Unter den Bedingungen der sozialistischen Revolution sind die alten Kriterien "links" oder rechts nicht länger zur Entlarvung derer auf dem kapitalistischen Weg geeignet, weil diese von "links" oder rechts angreifen, je nachdem, was zu ihrem Vorteil ist. Indem er die Erfahrungen der Kulturrevolution zusammenfaßte, gab Mao den Massen ein neues Instrument zur Analyse des Kampfes zweier Linien und zur Erkennung derer auf dem kapitalistischen Weg. Diese wurden bekannt als die »drei Dinge, die man wünscht und die drei, die man nicht wünscht«, das heißt, wir wollen Marxismus-Leninismus und nicht Revisionismus; wir wollen Offenheit und Mut und keine Komplotte und Intrigen; wir wollen Einheit und nicht Spaltung. Wir sind der Ansicht, daß ein weiterer wichtiger Beitrag Maos zum Marxismus-Leninismus in der Analyse des Kampfes zweier Linien und der Erkennung derjenigen auf dem kapitalistischen Weg unter den Bedingungen der sozialistischen Revolution besteht.

Drittens: Die wichtigste präventive Maßnahme, die Mao angab, ist natürlich seine gesamte Theorie und Praxis der Weiterführung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats. Dies schließt Massenbewegungen ein (einschließlich periodischer Kulturrevolutionen), Kontrolle der Partei durch die Massen, Teilnahme der Kader an den drei revolutionären Bewegungen, Beteiligung von Arbeitern an der Geschäftsführung, Einschränkung der Privilegien für höhere Kader, usw.



Viertens: nachdem die sozialistische Umwandlung der ökonomischen Basis vollendet war, betonte Mao als unmittelbar nächste Aufgabe der sozialistischen Revolution, daß die nicht umgewandelten Teile des Überbaus (, der die Ideologie einschließt) in Übereinstimmung gebracht werden müssen mit der sozialistischen ökonomischen Basis. Er warnte davor, daß, obwohl in der Regel der Überbau durch die ökonomi­sche Basis bestimmt wird, unter bestimmten historischen Bedingungen der nicht reformierte Überbau auf die neue ökonomische Basis zurückwirken , sie unterhöhlen und die alte ökonomische Basis restaurieren kann. Dies ist genau das, was bisher in allen ehemaligen sozialistischen Ländern passiert ist.



Mit solidarischen Grüßen

Erwin Engst

Joan Hinton