Briefwechsel zu den RW 36-39

Briefwechsel zu den RW 36-39

Ist alles politisch oder alles eine Frage der Weltanschauung?

Briefwechsel mit einem Leser

Von RW-Redaktion

Ein Leser schrieb an die Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG zu dem Brief von Monika Gärtner-Engel unter dem Titel „Die Lebenslüge vom demokratischen Rechtsstaat ist eines der wesentlichen Betrugsinstrumente“:

Nun, ich verstehe nicht den hier aufgeworfenen Gegensatz von „politischer Behandlung des Themas“ und dem „weltanschaulichen Klassenkampf“.

Zum einen wurde mir in meiner Zeit in eurer Reihen immer wieder, … eingeschärft, dass ALLES politisch zu sehen, anzugehen ist und dass es nichts unpolitisches gibt, was ja im Grundsatz richtig ist. Und zudem finde ich, wenn es ein besonders ausgeprägtes politisches Feld gibt, das behandelt werden muss, dann ist es doch GERADE der weltanschauliche Klassenkampf.“

Die Redaktion antwortete darauf:

Lieber Kollege,

...

Du fragtest ja nach dem aufgeworfenen Unterschied zwischen der politischen und der weltanschaulichen Behandlung des Themas, hier des bürgerlichen Rechts.

Dazu muss man erstmal unterscheiden, was eine weltanschauliche und eine politische Betrachtung ist. Die Weltanschauung ist viel grundlegender und allseitiger als eine politische Anschauung. Sie ist die Gesamtheit der theoretischen Ansichten über die Natur und Gesellschaft, einschließlich der Methode, sie zu untersuchen und zu verändern. Eine politische Anschauung bezieht sich viel enger auf konkrete politische Handlungsweisen und Verhältnisse. Ein Beispiel: ich kann mir schnell mit einem Christen politisch einig werden, dass die AfD verboten werden muss, weil sie faschistisch ist. Da sind wir uns politisch einig. Aber weltanschaulich vertreten wir Marxisten-Leninisten, dass der Faschismus die am meisten reaktionäre, chauvinistische und brutale Herrschaftsform und Ideologie des Monopolkapitals ist, während der Christ ihn wahrscheinlich aufgrund seiner idealistischen Denkweise nur als „unmenschlich“ oder „rassistisch“ bezeichnen würde.

Politische Ansichten basieren auf der jeweiligen Weltanschauung, sie sind quasi eine äußere Erscheinungsform. Von daher besteht auch kein absoluter Unterschied zwischen politisch und weltanschaulich.

Es gibt natürlich viele Fragen, die im bürgerlichen Recht politisch aufgeworfen sind, beispielsweise: Dass sich die Reichen die besten Anwälte leisten können und auch ihr Ansehen eine Rolle dafür spielt, dass sie oft mildere Strafen erhalten.

Weltanschaulich spielt hier mehr eine Rolle, dass das bürgerliche Recht eine Gleichheit aller vor dem Recht suggeriert, und der Klassengegensatz geleugnet wird.

Es ist schon so, dass »alles politisch« ist; gleichzeitig ist auch alles eine Frage der Weltanschauung, der Ideologie. Die Frage ist, unter welchem Blickwinkel man etwas betrachtet. Die ganze Buchreihe zur Krise der bürgerlichen Ideologie konzentriert sich auf die weltanschauliche Betrachtung, weil die Arbeiterklasse nur für den Kampf um den Sozialismus gewonnen werden kann, wenn sie mit der bürgerlichen Weltanschauung und ihrer Abart, der kleinbürgerlichen Denkweise, fertigwird .

...

Herzliche Grüße

Oskar Finkbohner“