Monika Gärtner-Engel
Die Lebenslüge vom demokratischen Rechtsstaat ist eines der wesentlichen Betrugsinstrumente...
Ein Brief von Monika Gärtner-Engel zur Ausarbeitung eines Abschnitts für die kommende Ausgabe Nr. 39: »Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur« zur Krise der bürgerlichen Rechtswissenschaft.
Monika Gärtner-Engel an Mitarbeiter am REVOLUTIONÄREN WEG Nr.39 »Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur«
Liebe Genossen!
Die von Euch abgegebene Überarbeitung ist eine deutlich verbesserte Grundlage für den Abschnitt im REVOLUTIONÄREN WEG Nr. 39. Nach der Neugliederung heißt dieser Abschnitt I.8 »Fragwürdige Theorie und Praxis der bürgerlichen Rechtswissenschaft«.
Im Begleitbrief fand ich aufschlussreich, wie ihr die kritisierten Mängel am letzten Entwurf in Verbindung bringt mit typischen Gepflogenheiten in der bürgerlichen Juristerei. Das muss man für die ganze Frage der Umerziehung unbedingt verallgemeinern in Bezug auf die tiefe Wirkung der bürgerlichen Studiengänge und Berufsausübung auf die Denk-, Arbeit und Lebensweise auch fortschrittlicher Menschen oder gar Marxisten-Leninisten.
Die hauptsächliche Herausforderung bei der Bearbeitung des Abschnitts war der immer noch nicht überwundene und einseitige Drang zur politischen Behandlung des Themas, einem Linksdrall dabei bei gleichzeitiger Geringschätzung der weltanschaulichen Seite. Ihr werdet euch die sicherlich 200 Änderungen, auch im veränderten Aufbau im Detail anschauen, ich will nur einige Kernfragen dabei beispielhaft darstellen:
Die eingangs vertretene These, dass bürgerliches Recht nur mit dem Gewaltapparat durchgesetzt wird, ist überspitzt und verkennt die entscheidende weltanschauliche Seite, dass gerade die Lebenslüge vom demokratischen Rechtsstaat eines der wesentlichen Betrugsinstrumente ist. Hier ist im gesamten Abschnitt auch die Kernfrage noch nicht ausgereift, welche Denkweise unter den Arbeitern und den breiten Massen durch dieses wesentliche Betrugsinstrument hervorgerufen wird und was seine wesentlichen Merkmale sind.
Ihr hattet unter der Fragestellung »Was ist eigentlich Recht?« formuliert: »Es wird mithilfe ihres staatlichen Gewaltapparats, insbesondere zur Niederhaltung der unterdrückten Klassen durchgesetzt. … Es wird bestimmt durch die ökonomische Basis der Gesellschaft.« Der Einsatz des Gewaltapparats trifft als letzte Maßnahme der Herrschenden zu, ist aber zu undifferenziert und berücksichtigt auch nicht das später vorgebrachte Engelszitat, dass die ökonomische Basis nicht unmittelbar auf das Recht einwirkt. Deshalb habe ich geschrieben:
»Es wird mit Hilfe ihres staatlichen Apparats, mit Betrug und Gewalt, insbesondere zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und zur Niederhaltung aufbegehrender unterdrückter Klassen entwickelt und durchgesetzt. … Es wird wesentlich geprägt durch die Belange der ökonomischen Basis der Gesellschaft, so in Deutschland den Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln durch das Grundgesetz.«
Der notwendige Kampf der Arbeiterklasse um demokratische Rechte und Freiheiten hat jetzt ein angemessenes Gewicht im Manuskript. Gerade in der grundlegenden Anfangspassage begründet ihr die Bedeutung jedoch nur mit der Verbesserung der Lage und der Kampfbedingungen der Arbeiterklasse. Dem können jedoch auch reformistische Juristen folgen. Wir können diesen Kampf nicht einfach als Kampf um Reformen fordern und propagieren, sondern immer als Schule des Klassenkampfes und nicht zuletzt auch des Aufbaus des Sozialismus. Deswegen habe ich jetzt ergänzt
»… um Lage und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern, nicht aber um Illusionen zu schüren in die Zähmung des Kapitalismus durch Rechtsreformen. Vor allem ist der Kampf um Demokratie und Freiheit unerlässlich als Schule dafür, im Sozialismus die politische Macht und die Staatsgeschäfte in die eigene Hand zu nehmen.«
Ein wesentliches Problem im Aufbau und in der Logik war, dass verschiedene Sachen mehrfach behandelt werden. Die Themen werden sozusagen »angedacht«, später nochmal aufgegriffen - das verwirrt. Das betraf zum Beispiel die Behandlung der Krise der bürgerlichen Rechtswissenschaft. Ich habe die verschiedenen Passagen jetzt zusammen genommen und auch die objektiven und subjektiven Faktoren für die Krise der bürgerlichen Juristerei behandelt, entgegen einer einseitige Betonung der objektiven Faktoren dafür. Der Gedanke des objektiven Widerspruchs zwischen Internationalisierung der Produktion und vorwiegend nationalem Recht und die daraus entstehenden Widersprüche und Konflikte ist wesentlich, aber ich habe bewusst die subjektive Seite des Vertrauensverlustes und das Streben der Massen nach Demokratie und Freiheit gegen das reaktionäre Wesen des Imperialismus als Einheit behandelt.
Ein weiteres allgemeineres Problem war neben der Logik und dem Aufbau immer noch die stiefmütterlich behandelte Polemik. Immer wieder stehen einfach Zitate wie das von Bodo Hombach, als ob sie für sich selbst sprächen. Oder es wird die Methode der »Etikettierung« (z.B. als Idealismus oder Agnostizismus) verfolgt, die nicht mehr ist als ein Kommentar für die, die es eh schon wissen. Polemik aber entwickelt Überzeugungskraft und führt auf die richtige Qualifizierung hin, setzt sie nicht bereits schon voraus.
Ebenso wie die Behauptung, dass Recht nur mit dem Gewaltapparat durchgesetzt wird ist auch nicht überzeugend, wenn die Frage des Rechtsstaates in der BRD mit einer einfachen Negation beantwortet wird. Nach dem Zitat von Professor Kirchhoff über den Rechtsstaat als Selbstbestimmung des Volkes hattet ihr nur geschrieben, eine Selbstbestimmung des Volkes ist unter der Diktatur der Monopole eine Illusion. Das ist richtig, aber ignoriert die Tatsache, dass es in Deutschland demokratische Rechte und Freiheiten im Rahmen der bürgerlichen Demokratie gibt, dass die Arbeiter- und revolutionäre Bewegung diese Rechte erkämpft hat. Ich habe jetzt eingefügt:
»Tatsächlich wurde nach dem Massenterror und Massenmord des Hitlerfaschismus im Grundgesetz und in der Gesetzgebung in Deutschland eine ganze Reihe bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten festgeschrieben. Das hat Deutschland dem heldenhaften Kampf der antifaschistischen Widerstandskämpfer, dem Sowjetvolk, der Roten Armee sowie dem späteren Verbund mit den Alliierten zu verdanken. Eine Selbstbestimmung des Volkes ist aber unter der Diktatur der Monopole eine Illusion.«
Insgesamt kam in eurem Text das KPD Verbotsurteil und die damit verbundene antikommunistische Grundausrichtung der bundesdeutschen Justiz m.E. zu kurz. Es wird als Keule gegen Revolutionäre qualifiziert und zusammenfassend geschrieben: »Das Gericht merkte offenbar gar nicht, welchen weltanschaulichen Offenbarungseid es mit dieser offen begründeten Feindschaft gegenüber einer einheitlichen wissenschaftlichen Theorie leistete.« Das ist aber noch eine bürgerlich-liberale Kritik, so habe ich ergänzt
»Die Feindschaft bezog sich jedoch keineswegs auf irgendeine Wissenschaft, sondern auf die des wissenschaftlichen Sozialismus« und bringe dann noch das Zitat von Foschepoth, der ausdrücklich den Charakter als »Gesinnungsurteil« betont, dass die KPD nach ihren Zielen, nach der Gesinnung ihrer Anhänger verboten wurde und es ein Urteil gegen ihre Weltanschauung war.
Insgesamt sind die vielfältigen Zitate der bürgerlichen Juristen interessant und aussagekräftig über ihre bürgerliche Ideologie. Manchmal aber auch sehr verschraubt und schwer verständlich. Deshalb habe ich verschiedene Stellen populärer formuliert, so zum Beispiel nicht nur den Staatsrechtler Reinhold Sibelius mit seiner schwierigen Begründung, warum Recht bei Gefahr außer Kraft gesetzt werden kann, sondern auch Konrad Adenauer, der ja sagte: »Natürlich achte ich das Recht. Aber auch mit dem Recht darf man nicht so pingelig sein«. Man muss sich immer in die Leser hineindenken. Manchmal wird die Ausarbeitung einen etwas intellektuellen bzw. abstrakten Zug.
Zu den Notstandsgesetzen schreibt ihr, dass sie bis zur Einführung des Faschismus gehen. Ich erinnere mich, dass Willi Dickhut immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die Notstandsgesetze die Einführung faschistischer Methoden und Unterdrückung erlaubt, ohne die bürgerliche Demokratie abzuschaffen. Er hat betont, dass gerade in Deutschland die Wiedereinführung des Faschismus auf größte Widerstände stoßen würde und deshalb die Herrschenden neue Methoden wählen zur Vorbereitung der Unterdrückung der Massen, die möglichst nicht die Errichtung des Faschismus erfordern.
Ich habe eine neue Zwischenüberschrift eingeführt: Der Kampf der Arbeiterklasse um demokratische Rechte und Freiheiten, um die Bedeutung noch weiter hervorzuheben. Hier habe ich besonders die 100 positiven rechtlichen Entscheidungen für die MLPD noch mal klarer ausgewertet. Ihr habt geschrieben, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Verteidigung und Weiterentwicklung demokratischer Rechte und Freiheiten leisteten. Man muss hier aber unbedingt behandeln, wie sie zum tatsächlich bewusstseinsbildenden Erfolg werden statt bei Erfolgen Illusionen in die Justiz schüren. Zum Beispiel »… mit der Auswertung von Erfolgen und Niederlagen das Selbst- und Klassenbewusstsein zu stärken und die Realität der Klassenjustiz bewusstseinsbildend zu verarbeiten. …«
Die Darstellung der Auseinandersetzung um »Recht« im China Mao Zedongs hat aber eine Tendenz, den weltanschaulichen Klassenkampf, der die hauptsächliche Leitlinie war, gering zu schätzen. So wurde von Euch hervorgehoben, dass Recht nur »subsidiär« unterstützend und hilfsweise angewendet werde. Stattdessen habe ich die Frage des bürgerlichen Rechts und der entscheidenden Leitlinie bzw. Lehre in China Mao Zedongs, den »Kampf zur Überwindung des bürgerlichen Rechts im Sozialismus» hervorgehoben, wie es der REVOLUTIONÄREN WEG Nr. 19 zusammenfasst.
Herzliche Grüße
Monika