Rezension zum RW 38
Der Kollege in der Montage weiß es oft besser ...
Rezension von Klaus-Jürgen zum Buch von Stefan Engel "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft" vom Februar 2023
Es gehört in die Hand jedes kollegialen Ingenieurs, jeder Ingenieurin und Studierenden.
Mit großem Interesse habe ich das blaue Buch Band 3 (Stefan Engel, „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ - Anm. der RW-Red.) erworben. Mit Lob für die Redaktion unter Leitung von Stefan Engel, weil ich als langjähriger Entwickler bei Daimler/Mercedes noch nie etwas derartiges über meine Tätigkeit gelesen habe, sowie den Zusammenhang meines Berufes mit seinen gesellschaftlichen Dimensionen und Auswirkungen.
Bis jetzt habe ich natürlich nur den Absatz zur Krise des bürgerlichen Ingenieurwesens gelesen.
Dazu einige Anmerkungen:
Meine Arbeit in der PKW-Entwicklung ist immer geprägt von einer Herangehensweise entsprechend den materialistischen Gesetzmäßigkeiten. Metallurgie, Chemie, Physik u.a. Wenn man dies nicht beherrscht, funktioniert kein einziges Teil eines Autos. Spätestens aber mit der betriebswirtschaftlichen Seite meines Berufes kamen viele meiner Kollegen und ich an ihre Grenzen. Dann nämlich, wenn der Konzern, sprich Vorstand, jede Entwicklung mit Budgetierung beschlossen hat. Dieses Budget ist einer reinen kapitalistischen Profitmaximierung untergeordnet. Je weniger Budget zur Zielerreichung des Gesamtfahrzeuges, umso mehr Gewinn. Und dann wird jedem Entwickler, der auch nur eine Dichtung oder ein Lager entwickelt, für jedes Teil ein Zielkostenbaustein vorgegeben. Bis auf 1 Cent. Und ein herkömmlicher Mercedes hat ca.15 000 Teile, sprich Sachnummern.
Und hier kommt jeder Entwickler in das Dilemma: Gegen Gesetzmäßigkeiten des Maschinenbaus und anderer Fachgebiete muss er was entwickeln, gegen besseres Wissen.
Und nun zeigt das „blaue Buch“ gut auf, dass die bürgerliche Ingenieurwissenschaft ausschließlich zur Profitmaximierung existiert; und nicht zum Wohle der Menschheit und des Planeten.
Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit wird bewusst gemacht. Der Kollege in der Montage weiß es oft besser. Als ich in der Entwicklung anfing, war das erste ein 4 wöchentlicher Produktionseinsatz auf dem Gebiet meiner späteren Tätigkeit. Abgeschafft vom Vorstand, das kostet, keine Kapazität dafür.
Doch immer mehr entwickelt sich bei meinen Ingenieurskollegen ein gewerkschaftliches Gewissen. Teilnahme an Streiks, Mitgliedschaft in der IGM.
Doch dies ist nur ein kleiner Schritt, um die notwendige Solidarität im Betrieb herzustellen.
Unter diesen Gesichtspunkten finde ich die Verbreitung des Buches unter den Ingenieuren sehr wichtig. Die Erfahrungen der beruflichen Arbeit und dem ständigen Druck mit Zielvorgaben, haben ihren Ursprung in der Profitmaximierung. Dann gerät die wissenschaftliche Arbeit zur Farce, wenn um jeden Preis und besseren Wissens etwas entwickelt werden muss.
Klaus-Jürgen, Stuttgart
28.02.2023