Willi Dickhut

Willi Dickhut

Denkweise und Parteiaufbau

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1980

Von RW-Redaktion
Denkweise und Parteiaufbau

Aufzeichnungen nach einem Gespräch mit dem Genossen W. D. am 19. 1.80

Im Revolutionären Weg 15, Seite 11 wird die Bedeutung der Denkweise für die Arbeiterbewegung unmißverständlich klar herausgestellt. Deshalb heißt es:

»Die Frage der Denkweise ist für die Arbeiterbewegung so wichtig, daß sie ständig überprüft werden muß; mehr noch, stets muß kontrolliert werden, wer wen beeinflußt.«

Wie aber kann sie überprüft werden? Wie soll die Kontrolle ausgeübt werden? Sind wir in der Lage, hierauf grundsätzlich, konkret und allseitig zu antworten, so wird es besser gelingen, der proletarischen Denkweise zum Durchbruch zu verhelfen. Denn: »Man muß die kleinbürgerliche Denkweise kennen, um sie besser bekämpfen zu können.« (Revolutionärer Weg 15, S. 13)

Wir dürfen nicht annehmen, es sei leicht, die kleinbürgerliche Denkweise zu erkennen. Die Erfahrung lehrt, welche unterschiedlichen Wege und Umwege, ausgeklügelten Methoden und Tricks die kleinbürgerliche Denkweise nötig hat, um sich zu tarnen und ihre Existenz und Wirkung zu vertuschen.

Deshalb kommt den im Revolutionären Weg 15 erstmals analysierten sieben Merkmalspaaren der kleinbürgerlichen Denkweise eine große Bedeutung zu. Ihnen stehen die Merkmale der proletarischen Denkweise unversöhnlich gegenüber. Diese Unversöhnlichkeit bedeutet aber nicht, daß sie in der Wirklichkeit auch leicht erkennbar sind.

Mit dem Revolutionären Weg 15 wurde begonnen, die kleinbürgerliche Denkweise systematisch zu untersuchen: ihre Grundlage, ihr Entstehen, ihre Existenz und Wirkungsweise.

Ihre Ursache liegt in der kapitalistischen Gesellschaft, dem ständigen Entstehen und Untergehen von kleinbürgerlichen Zwischenschichten zwischen den beiden Hauptklassen Bourgeoisie und Proletariat. Kleinbürger werden ihrer Erwerbsweise beraubt, ihnen droht »sozialer Abstieg«, sie müssen in die Fabrik arbeiten gehen. Oder das Monopolkapital zieht aus den oberen Schichten der Arbeiterklasse Kräfte heran und heraus, läßt sie aus ihrer Klasse aufsteigen in das Kleinbürgertum. Mit zahlreichen Fäden ist die Arbeiterklasse mit den kleinbürgerlichen Schichten verbunden.

Mit der Entstehung des staatsmonopolistischen Kapitalismus ist dieser Prozeß der Beeinflussung der proletarischen Klassenkräfte komplizierter geworden. Obwohl nach wie vor objektiv klare Klassenwidersprüche bestehen, auf denen die Monopole ihre Herrschaft aufbauen, sollen und werden diese scheinbar verwischt. Das geschieht vermittels der kleinbürgerlichen Schichten. Sie sind der Träger der kleinbürgerlichen Denkweise, und es ist ihre Aufgabe, diese in die Arbeiterklasse zu tragen. Sie werden dafür mit einer kleinbürgerlichen Lebensweise »belohnt«, solange sie diese Funktion in der Gesellschaft ausüben.

Fernsehen, Werbung, Rundfunk, Reklame usw. usf. sind Mittel, um die Arbeiterklasse ideologisch zu beeinflussen. Vor allem das Fernsehen – von den Monopolen konsequent genutzt – ist eine äußerst gefährliche Waffe, mit der sie systematisch kleinbürgerliche Wünsche, Ziele, Vorstellungen und Hoffnungen in die Arbeiterbewegung träufeln mit Wort und Bild. Noch vor 50 oder 60 Jahren stand die Arbeiterklasse nicht in einem solchen ideologischen Trommelfeuer. Die Widersprüche in der Lebenslage, der Lebensweise, der Moral, der Kultur usw. waren offener und klarer sichtbar: die in der Oberstadt, die in der Unterstadt; zahlreiche klassenbezogene Arbeitervereine, in denen Sozialdemokraten und Kommunisten organisiert waren – die heute nur noch vereinzelt fortbestehen, statt dessen zahlreiche kulturelle Angebote, für Arbeiterjugendliche und kleinbürgerliche Jugendliche gemeinsam organisiert usw. usf.

Deshalb ist es komplizierter geworden, den Kampf gegen die kleinbürgerliche Denkweise zu führen. Bildlich gesehen, kann man sich den Kampf der proletarischen Denkweise gegen die kleinbürgerliche so vorstellen wie das Ineinandergreifen der Finger, zunächst nur der Fingerspitzen zweier Hände, die sich berühren. Die eine Hand soll die kleinbürgerliche Denkweise, die andere die proletarische versinnbildlichen. Zunächst treten die Erscheinungsweisen der kleinbürgerlichen Denkweise keineswegs vollständig auf, nur vereinzelt, die Finger berühren sich, aber nicht alle. Es handelt sich um einen Prozeß, in dem schließlich entweder die proletarische Denkweise sich voll über die kleinbürgerliche beherrschend darüber gelegt hat – oder umgekehrt.

Es kommt also darauf an, diesen Prozeß, seine Phasen, seinen Verlauf, seine verschiedenen Seiten, zu untersuchen. Mit dem mehrfachen Kampf der Organisation gegen das Liquidatorentum liegen positive wie negative Erfahrungen vor. Aber nicht nur insoweit. Immer wieder kommt es zu Erscheinungen in unserer Organisation, daß richtige Erkenntnisse und Einsichten trotz guter Absicht nicht in die Praxis des Klassenkampfs umgesetzt werden. Das lahmt den Parteiaufbau in erheblichem Maß und auch unsere Verankerung in der Arbeiterklasse bis hin zur Aufgabe, uns zu proletarischen Führern der Arbeiterklasse zu entwickeln.

Die Untersuchung der kleinbürgerlichen Denkweise hat aber nicht nur diese aktuelle, für den Parteiaufbau ausschlaggebende Bedeutung, sie ist vielmehr für den Aufbau des Sozialismus immer deutlicher erkennbar zu einer Lebensfrage geworden.

Kalinin berichtet, wie die Aneignung des Marxismus-Leninismus in den Arbeiterzirkeln unter dem Zarismus, die Erkenntnis seines Wesens, zu einer Frage von Leben oder Tod geworden war. Im Sozialismus ist das keineswegs anders, geschweige denn leichter geworden. In den immer wieder notwendig werdenden Kulturrevolutionen entbrennt der Kampf um die proletarische Denkweise auf höchster Stufe.

Wir müssen auf die Frage Antwort geben, warum im Sozialismus die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus nach wie vor besteht. Das haben wir grundsätzlich bereits im Revolutionären Weg 7–9 untersucht. Insbesondere im Revolutionären Weg 7 und 8 wurde dabei die Frage der Entwicklung des sozialistischen Klassenbewußtseins behandelt. Der Bürokratismus – das Erbe der alten Gesellschaft – ist der Verbündete Nummer l der Restauration der alten Zustände. Die Bürokratie gehört zu den kleinbürgerlichen Schichten im Sozialismus wie im Kapitalismus. Unter den Bedingungen der Diktatur des Proletariats ist es das Bestreben der kleinbürgerlichen Bürokraten, die zentralistische Machtfülle des Proletariats ihres Klasseninhalts zu berauben, sie auszuhöhlen und das eigene Machtstreben an ihre Stelle zu setzen, in der Wirtschaftsverwaltung, dem Staats- und Militärapparat und selbst dem Parteiapparat. Wie die Entwicklung in China zeigt, ist dieser Kampf im Parteiapparat besonders zu beachten.

Denn der Revolutionäre Weg 7, Seite 13, weist auf die Politik Lenins hin, die gegen die »Gefahr der Machtübernahme durch die Bürokratie in Partei, Staatsapparat und Wirtschaft« gerichtet war.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf etliche Anträge an den 4. Zentralen Delegiertentag, die Entwicklung in der Volksrepublik China bis zur Restauration des Kapitalismus durch die Deng/Hua-Clique näher zu untersuchen. Einerseits haben die Genossen nur teilweise beachtet, daß wir eine grundsätzliche Untersuchung über die Restauration des Kapitalismus im Revolutionären Weg 7–9 und den China-aktuell-Broschüren geleistet haben. Andererseits müssen wir uns fragen, inwieweit diese Anträge Ausdruck gewisser Unsicherheiten im Kampf um die proletarische Denkweise sind und unseren Blick auf offene Fragen lenken, die wir grundsätzlich und allseitig beantworten müssen:

Die Analyse der Entstehung und Wirkungsweise der kleinbürgerlichen Denkweise im staatsmonopolistischen Kapitalismus und beim Aufbau des Sozialismus.

»Nur mit einer proletarischen Denkweise kann man das Wesen des Marxismus-Leninismus begreifen« – es genügt nicht, den Marxismus-Leninismus lediglich zu studieren, sagte Genosse W. D. auf dem 4. Zentralen Delegiertentag. Der Kampf gegen die kleinbürgerliche Denkweise ist aber komplizierter geworden. Der Erfolg hängt unmittelbar damit zusammen, wie es uns gelingt, die dialektische Methode anzuwenden.

Wir haben es gelernt, fünf Seiten des Parteiaufbaus zu beachten. Die Analyse der Wirkungsweise und des Entstehens der kleinbürgerlichen Denkweise muß diese fünf Seiten zum Gegenstand haben, was unsere eigenen Erfahrungen beim Parteiaufbau angeht: unsere ideologische Arbeit, die Entwicklung und Umsetzung der proletarischen Politik in der Organisationsarbeit, bei der Verwirklichung des demokratischen Zentralismus, bei der richtigen Anwendung des Entwicklungsgesetzes der Organisation: Kritik und Selbstkritik.

Da der Parteiaufbau, da das Begreifen des Wesens des Marxismus-Leninismus, da der Aufbau des Sozialismus mit dem erfolgreichen Kampf um die proletarische Denkweise steht und fällt, müssen wir beraten, wie wir diese Untersuchung anpacken.

M. K.
31. 1. 80