Gabi Fechtner
An Stefan Engel, Leiter Theoretisches Organ REVOLUTIONÄRER WEG
Antwort von Gabi Fechtner auf den Brief von Stefan Engel vom 04. Dezember 2020 zum Film: "Friedrich Engels – der meistunterschätzte Klassiker des Marxismus-Leninismus"
Gabi Fechtner, 5.1.2021
Lieber Stefan,
vielen Dank für deine Rückmeldung zu dem neuen Klassikerfilm über Friedrich Engels. Wir freuen uns, dass du ihn als „sehr gelungen“ und „rundum gute Sache“ siehst und sehen das auch so. Wir konnten in der Erarbeitung auch von den harten Kämpfen, die wir im Sekretariat um die bisherigen Klassikerfilme geführt haben, profitieren. Besonders freuen uns die Reaktionen vieler v.a. junger Leute, dass er offensichtlich anregt, sich intensiver mit den Klassikern des Marxismus-Leninismus und ihren Schriften zu befassen.
Deine drei kritischen Hinweise zu bisher fehlenden Aspekten sind berechtigt. Alle drei berühren wesentliche Seiten der bewussten Anwendung der dialektischen Methode, an denen die MLPD unter deiner Führung, am Beitrag Engels und Marx‘ anknüpfend, die dialektische Methode weiterentwickelt hat. Es ist Ausdruck von Schwächen in der treffenden Qualifizierung, dass die jeweiligen Merkmale im Film tendenziell eher beschrieben, statt richtig qualifiziert, auf den Punkt gebracht werden. So werden die vielen Briefe, ihre Bedeutung gebracht, aber nicht qualifiziert, dass sie die Methode der prinzipiellen Kritik und Selbstkritik verfolgten und eine systematische Vereinheitlichung der Denkweise erreichten.
Kritik und Selbstkritik als Methode zwischen Marx und Engels als wesentliche Grundlage für deren Erkenntnisfortschritt zu verkennen ist idealistisch, so als hätten diese sozusagen Kritik und Selbstkritik nicht nötig gehabt, sondern alles schon gewusst. Das ist auch eine Verkennung des schöpferischen Charakters der Kritik und Selbstkritik.
Die Methode der Vereinheitlichung der Denkweise geht dabei deutlich weiter, als sich nur über Inhalte und Fakten auseinanderzusetzen und beruht wiederum wesentlich auf Kritik und Selbstkritik. Vermutlich hätten die beiden das selbst noch nicht so formuliert, aber heute wissen wir aufgrund der Lehre von der Denkweise, dass sie genau das vorbildlich organisiert haben.
Dass wir im Film die Fähigkeit zu wissenschaftlichen Prognosen nicht behandeln, ist sicher auch Ausdruck davon, dass wir noch zu wenig Wert auf diese Frage legen. Mir fiel selbst bei der Filmpremiere auf, dass die beeindruckende Prognose Engels‘ zum I. Weltkrieg nicht auftaucht, wozu ich auch selbstkritisch etwas sagte. Aber ich habe das nicht zu Ende gedacht, dass es die Frage der wissenschaftlichen Prognosen insgesamt betrifft. Das heißt, man muss diese Fähigkeiten verallgemeinern, statt sozusagen auf einzelne besondere „Treffer“ zu vulgarisieren. Die wissenschaftliche Prognose ist sicherlich eine der entwickeltsten Ausdrucksformen der bewussten Anwendung der dialektischen Methode, die den nötigen Weitblick, strategisches Denken und das dreifache Denken nötig machen. Es stimmt, dass die MLPD die Methode fundierter Prognosen sehr weit entwickelt hat. Diese Methode richtet sich besonders gegen die auch in der marxistisch-leninistischen Bewegung (und bis in unsere Reihen hinein) verbreitete Anbetung der Spontaneität. Auch in der MLPD ist sie längst nicht restlos ausgemerzt und hier hätte der Film einen Beitrag leisten können, das bewusst zu machen.
Alle drei Aspekte sind geeignet den Massen die dialektische Methode als überlegenes Handwerkszeug gegenüber der metaphysisch-idealistischen Methode nahezubringen und auch dem Antikommunismus Schläge zu versetzen.
Alle drei von dir angesprochenen Merkmale Engels‘ kann man nicht einfach bei Engels „nachlesen“, sondern sie werden erst aufgedeckt durch die schöpferische Durchdringung wesentlicher Seiten der Klassiker mit der Theorie und Praxis der MLPD und ihrer Weiterentwicklung der dialektischen Methode. Deine Kritiken müssen Ansporn sein, die Klassiker noch lebendiger in unserer Arbeit anzuwenden ihre Lehren und Vermächtnisse schöpferisch aufzufinden – gegen alle dogmatischen Erscheinungen.
Wir werden bei den anstehenden Filmen zu Stalin und Mao Zedong diese Kritiken und Anregungen vor allem auch im Herangehen an ihre Würdigung bewusst mit aufnehmen.
Herzliche Grüße,
Gabi