Thema
Leiharbeit
Doppelter Verkauf der Ware Arbeitskraft, Positionen der MLPD zum Kampf gegen Niedrigstlöhne und Leiharbeit
Das rasche Anwachsen eines Niedrigstlohnsektors auf breiter Front, der Abbau fest angestellter und nach herkömmlichen Tarifen bezahlter Beschäftigter und die Zunahme von befristet Beschäftigten, Leiharbeitern, Ein-Euro-Jobbern usw. haben den allgemeinen Lohnabbau beschleunigt. Das hat zu einem dramatischen Prozess der Verarmung der Arbeiterklasse und breiter Teile der Bevölkerung geführt. Durch Leiharbeit in Verbindung mit Outsourcing (Ausgliederung) von Betriebsteilen und anderen Formen der so genannten „Deregulierung“ der Arbeitsverhältnisse werden die Lebens-, Arbeits- und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse tiefgreifend verändert. Der Hamburger Parteitag der MLPD in diesem Jahr bestätigte die Analyse des ZK der MLPD im Rechenschaftsbericht:
Es sind „neue Formen der Konkurrenz entstanden, die spalten und lähmen, wenn sie nicht bewusst überwunden werden. Sie sind auch eine Reaktion auf die zunehmende Abnutzung der mit der Einführung der Lean Produktion verbundenen Formen der Klassenzusammenarbeitspolitik“. Die Überwindung dieser Spaltung ist eine der großen Herausforderungen, mit denen die Arbeiterklasse fertig werden muss, damit die Arbeiteroffensive auf breiter Front ausreifen kann.
In dem 2003 erschienenen Buch „Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘“ wurde bereits analysiert:
„In den letzten Jahren gliederten die Unternehmen immer mehr Teile aus, die sie nicht zu ihren Kernbereichen zählen. Das betraf Funktionen wie Kantinen, Wäsche und Instandsetzung der
Arbeitskleidung, Reinigung der Bürogebäude, Wartungs- und Reparaturarbeiten, Abrechnungswesen, Forschung, Aus- und Weiterbildung, EDV-Abteilungen bis hin zu Teilen der Produktion, des
Versands und Transports. Die Folge war, dass immer mehr Teile der Belegschaften abgespalten und in kleinere Betriebe mit niedrigerer Bezahlung und schlechteren Arbeitsbedingungen
ausgelagert oder in Leiharbeiter verwandelt wurden … Für die Unternehmen war das eine Methode, die Ausbeutung der Arbeitskraft zu steigern und die Arbeiterklasse zu spalten.“ (S. 115/118)
Dieser Prozess ist seither rasant fortgeschritten. Mitten in den Betrieben der internationalen Monopole und teilweise auch der mittelständischen Industrie sind Bereiche mit Niedriglohn
und Rechtlosigkeit entstanden, wie sie für die Sonderwirtschaftszonen der Entwicklungsländer charakteristisch sind. Flankiert wurde das durch die Hartz-Gesetze der Schröder/Fischer-Regierung. Sie schufen den gesetzlichen Rahmen, um den bis dahin noch relativ geschlossenen staatlichen Arbeitsmarkt in Deutschland aufzubrechen und einen Niedrigstlohnsektor auf breiter Front mit der Leiharbeit als zentraler Methode durchzusetzen.
Leiharbeit – doppelter Verkauf der Ware Arbeitskraft
Die bürgerlichen Begriffe „Leiharbeit“, „Zeitarbeit“ oder „Arbeitnehmerüberlassung“ versuchen den Eindruck zu erwecken, als würden hier Arbeitskräfte von einem Betrieb an einen anderen zeitweise „ausgeliehen“. Verschleiert wird damit, dass es sich unter kapitalistischen Bedingungen um den doppelten Verkauf der Ware Arbeitskraft handelt: Der Leiharbeiter verkauft seine Arbeitskraft an die Verleihfirma, die sie als eine Art Zwischenhändler weiterverkauft und dafür einen Teil des Mehrwerts erhält. Das bietet für die Monopole den gewaltigen Vorteil, die Beschäftigung noch flexibler an den jeweiligen Bedarf anpassen zu können, als das selbst mit Zeitverträgen möglich ist. Leiharbeiter können sie nach Belieben heuern und feuern, ohne auf Kündigungsschutz und Kündigungsfristen Rücksicht nehmen zu müssen. Die Leiharbeitsfirmen übernehmen damit im Grunde die Verwaltung der industriellen Reservearmee, was mit einer Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und einer Privatisierung der Arbeitsvermittlung einhergeht.
Im Zuge von Hartz I wurden sämtliche bisherigen Beschränkungen der Leiharbeit im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aufgehoben. Die Höchstdauer des Einsatzes im Entleiherbetrieb, das Verbot mehrfacher Befristung von Leiharbeitsverträgen usw. wurden abgeschafft und für die Monopole damit der Weg freigemacht, Arbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitern zu besetzen.
Zur Tarnung dieses weitgehenden Angriffs auf Arbeiterrechte enthielt § 9 Nr. 2 dieses Gesetzes ein Scheinzugeständnis, das als große Errungenschaft gepriesen wurde: Leiharbeitern sollten gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen wie den Arbeitern des Einsatzbetriebes gewährt werden. Durch die im gleichen Paragrafen vorgesehene Möglichkeit, per Tarifvertrag davon abzuweichen,
wurde dies jedoch vollständig unterlaufen. Die Leiharbeitsverbände bedienten sich der Scheingewerkschaft „CGZP“ zum Abschluss von Dumpingtarifverträgen. Statt den entschlossenen Kampf für die Anwendung der im Einsatzbetrieb geltenden Tarifverträge zu führen, schloss die DGB-Tarifgemeinschaft mit diesen Verbänden ebenfalls Tarifverträge ab. Damit akzeptierte sie den Betrug, zementierte die Spaltung und bahnte in Zusammenarbeit mit der SPD-Führung der Einführung eines Niedriglohnsektors auf breiter Front den Weg.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA): Arbeitsstatistik 2006/2007, Jahresbericht 2006, Jahresbericht 2000 Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/2.0/de Bundeszentrale für politische Bildung, 2008 |
Rechte Gewerkschaftsführer und Betriebsräte verbreiteten die Argumentationslinie des „kleineren Übels“: Leiharbeit sei immer noch besser als Arbeitslosigkeit, immerhin würden ja Arbeitsplätze geschaffen und in Krisenzeiten könnten dadurch Entlassungen vermieden werden. Doch die Arbeiter machten schnell die Erfahrung, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Tatsächlich machte die
Leiharbeit die rigorose Vernichtung von Arbeitsplätzen erst möglich. Nach einer im April 2008 veröffentlichten Betriebsrätebefragung des WSI wurden in jedem vierten Entleiherbetrieb regulär Beschäftigte durch Leiharbeiter ersetzt.
In Verbindung mit Hartz IV weitete sich die Leiharbeit daraufhin sprunghaft aus. Die Zahl der Leiharbeiter hat sich von 328.000 im Jahr 2003 auf 731.000 im 1. Halbjahr 2007 mehr als verdoppelt, wobei unter Berücksichtigung der Fluktuation noch von wesentlich höheren Zahlen auszugehen ist. Bereits nach Zahlen von 2006 waren 1,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der BRD Leiharbeiter. 37,3 Prozent aller Betriebe und 88 Prozent aller Großbetriebe setzen Leiharbeiter ein. Verleihfirmen schossen wie Pilze aus dem Boden, allein in der BRD gab es davon 17.196 Ende 2006. Internationale Zeitarbeitskonzerne wie Adecco, Randstad oder Manpower erzielten 2006 zusammen einen Jahresumsatz von 41 Milliarden Euro weltweit.
Zersplitterung stellt neue Anforderungen
Die Leiharbeit ist für die Monopole zu einer zentralen Methode der extremen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der Spaltung und Unterdrückung der Arbeiterklasse geworden. Der Lohn eines Leiharbeiters liegt im Durchschnitt um 29 Prozent unter dem eines vergleichbaren Arbeiters der „Stammbelegschaft“; jeder achte ist zusätzlich auf Hartz IV angewiesen.
Darüber hinaus führt die Ausgliederung von immer mehr Teilen der Produktion auf in die Produktionsstätten der internationalen Monopole integrierte, aber rechtlich selbständige Firmen zu einer zunehmenden Zersplitterung der Belegschaften, wodurch sich die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse gravierend verändert haben. Es entstehen Produktionszentren, in denen die Arbeiter bei verschiedenen Firmen angestellt, aber durch eine gemeinsame Produktion miteinander verknüpft sind. Es gelten unterschiedliche bzw. zum Teil gar keine Tarifverträge und damit unterschiedliche Löhne und Arbeitsbedingungen für die direkt bei den Monopolen angestellten Arbeiter, Leiharbeiter, Arbeiter von Subunternehmen bzw. Zulieferern, die oft selbst wiederum Subunternehmen und Leiharbeiter einsetzen, bis hin zu Scheinselbständigen usw. Oft gibt es auf einem Firmengelände dann mehrere Betriebsräte, die Kollegen sind in verschiedenen Gewerkschaften bzw. in vielen Bereichen kaum gewerkschaftlich organisiert.
Zudem verfügen fast alle Monopole auch über konzerneigene Verleihfirmen, die Arbeiter zu Niedriglöhnen an Konzernunternehmen verleihen. Exemplarisch ist das „Modell VW“, wo die Verleihfirmen AutoVision (100% VW) und Wolfsburg AG (50% VW, 50% Stadt Wolfsburg) Arbeiter an die VW-Werke und VWeigenen „Fremdfirmen“ wie Auto 5000 oder Sitech verleihen. Nach dem Motto „diesen Prozess tariflich mitgestalten“ schloss die IGM-Führung mit allen Firmen extra Tarifverträge ab und muss heute zugeben: „Die Entgelte sind völlig unterschiedlich und mittlerweile
kaum zu durchschauen.“
All das stellt neue Anforderungen an den Kampf um die Denkweise zur Herstellung der Arbeitereinheit.
In den Produktionsstätten der Automobilindustrie, der Stahlindustrie, des Bergbaus usw. sind heute weltweit oft mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Leiharbeiter bzw. Arbeiter von Subunternehmen, meist mit extrem niedriger Entlohnung und besonderer Rechtlosigkeit, vor allem in den Sonderwirtschaftszonen.
Leiharbeiter bei Kämpfen an vorderster Front
In den Kämpfen des internationalen Industrieproletariats spielen die „Kontraktarbeiter“ eine immer bedeutendere Rolle, was in den Kämpfen der Kupferminenarbeiter in Chile, der Automobilarbeiter bei KIA in Südkorea, Peugeot-Citroen (PSA) in Frankreich sowie Honda in Indien, den Revolten der chinesischen Wanderarbeiter usw. beispielhaft zum Ausdruck
kommt. Entsprechendes gilt für die Arbeiter von Subunternehmen: So wurde der Streik für höhere Löhne bei PSA Peugeot-Citroën im Februar/März 2007 von den Arbeitern der Zulieferfirma Magnetto begonnen und endete bereits nach drei Tagen mit einem Erfolg, weil er nicht nur das PSAWerk bei Paris, sondern auch das in Madrid lahm zu legen drohte. Daraufhin traten auch
die PSA-Arbeiter einschließlich der Leiharbeiter in einen mehrwöchigen Streik, der die Produktion um 40 Prozent drosselte. (1)
In vielen Entwicklungsländern wurden zum Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gesetzliche Regelungen erreicht, verbunden mit Einschränkungen der Leiharbeit, wobei in der Praxis diese Gesetze mit ihren diversen Ausnahmen wie in Indien oder Indonesien massenhaft unterlaufen werden. In vielen dieser Länder geht es im Kampf der „Kontraktarbeiter“ darum, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. In einigen neokolonial abhängigen Ländern sind Leiharbeiter oft im gleichen Betrieb eingesetzt, der auch einziger „Kunde“ der jeweiligen Verleihfirma ist. Die Bedingungen für den gemeinsamen Kampf sind hier günstiger als bei der BRDtypischen Leiharbeit, wo häufiger Austausch und hohe Fluktuation die Regel sind. In Peru
wurde durch den Kampf der Leiharbeiter ein Gesetz durchgesetzt, das solche „Schein-Leihfirmen“ verbietet, die nicht nachweisen können, dass sie mehr als einen Kunden haben. (1)
Auch bei der Codelco-Kupfermine in Chile waren die streikenden Arbeiter bei Subunternehmen („empresas subcontratistas“) beschäftigt. Mit ihrem Streik setzten sie eine weitgehende Gleichstellung mit den bei Codelco direkt angestellten Arbeitern durch. (3)
Auch in der deutschen Arbeiterklasse hat sich in Verbindung mit der Kleinarbeit der MLPD eine wachsende Bewegung für die Kampfeinheit von Leiharbeitern und Arbeitern der Entleiherbetriebe entwickelt. Konzentriert in den Werken der internationalen Übermonopole der Automobil- und Stahlindustrie fanden Kämpfe und Aktionen für gleiche Bezahlung bzw. Zusatztarifverträge für Leiharbeiter, für die Übernahme als Festangestellte und gegen die politische Entrechtung statt (siehe Kasten)
Kämpfe und Aktionen für gleiche Löhne und Rechte von Leiharbeitern und „Stammbeschäftigten“2006
2007
2008
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So berichteten Opel-Kollegen auf einer Veranstaltung mit Markus Breitscheidel, dem Autor der Undercover-Reportage „Arm durch Arbeit“, am 22. 11. 2008 eindrucksvoll über die Gründung eines Solidaritätskreises und den Kampf im Frühsommer 2008 gegen die fristlose Entlassung von acht Leiharbeitern bei Opel/SCB in Bochum, die sich gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr gesetzt hatten. Während der diesjährigen Metalltarifrunde beteiligten sich erstmals Leiharbeiter an den Warnstreiks und das Thema Leiharbeit war Gegenstand zahlreicher Kundgebungen.
Auf dem letzten IG-Metall-Gewerkschaftstag gab es allein 16 Anträge zur Leiharbeit, wovon drei die sofortige Kündigung der spalterischen Leiharbeits-Tarifverträge forderten. Die IGM-Führung musste das vollständige Versagen ihrer Tarifpolitik zur Leiharbeit inzwischen offen zugeben: „Die bisherigen Versuche der DGB-Tarifgemeinschaft, über den Abschluss von Tarifverträgen mit Verleiherverbänden die materiellen Arbeitsbedingungen in der Verleihbranche zu verbessern, waren erfolglos. Im Gegenteil: Tarifliche Schutzniveaus wurden teilweise abgesenkt und die Entgeltunterschiede zwischen der Vergütung als Leiharbeitnehmer und als Stammarbeitnehmer haben sich ständig vergrößert. (…) Parallel dazu sinkt die Akzeptanz der abgeschlossenen Tarifverträge durch die Betroffenen und die hiermit verbundenen Möglichkeiten einer Mitgliedergewinnung. (…) Die zwischen DGB-Tarifgemeinschaft und BZA bzw. iGZ abgeschlossenen Tarifverträge enthalten ausnahmslos Regelungen, durch die die gesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsätze zum Nachteil der Leiharbeitnehmer außer Kraft gesetzt werden.“ (4)
Wer nun aber glaubt, die IGM-Führung habe daraus die Lehren gezogen, wird eines besseren belehrt: „Die IG Metall sieht zum Verbleib in der Tarifgemeinschaft des DGB derzeit keine Alternative. (…) Eine Akzeptanz zukünftiger Tarifverträge hängt wesentlich davon ab, ob die Abschlüsse die Entgeltunterschiede von Leih- und Stammarbeitnehmern verringern und einen Schritt zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebots darstellen.“ (5) Es ist schon ein starkes Stück, an diesen Spaltertarifen festzuhalten und sie als alternativlos zu rechtfertigen.
Mit ihrer Kampagne „Gleiche Arbeit – gleiches Geld“ reagierte die IGM-Führung auf den Unmut der Basis. Bestimmte Forderungen daraus sind
durchaus zu unterstützen, wie die nach Abschaffung der gesetzlichen Möglichkeit zur Umgehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mittels
Dumping-Tarifverträgen. Die Kampagne stellt jedoch die Leiharbeit als Instrument der Spaltung und extremen Ausbeutung nicht grundsätzlich in Frage, vielmehr wird sie als „beschäftigungspolitisches Flexibilisierungsinstrument“ grundsätzlich akzeptiert und lediglich ihr „funktionsgerechter Einsatz“ gefordert. (6)
Und so schaut die rechte Gewerkschaftsbürokratie auch den Massenentlassungen von Leiharbeitern tatenlos zu oder begrüßt sie sogar noch wie der Sprecher der IG Metall Bayern, Matthias Jena. „Wir sind ganz unaufgeregt“, erklärte er zum geplanten Abbau von 8.000 Stellen an den BMW-Standorten im Dezember 2007, schließlich seien hauptsächlich Leiharbeiter betroffen, die um ihr Risiko wissen müssten. (7)
„Deutsches Modell“ als Vorbild für Europa?
Mit den Hartz-Gesetzen ist Deutschland zum reaktionären Vorreiter der europaweiten Durchsetzung von Niedriglöhnen und des Abbaus von Arbeiterrechten auf breiter Front geworden.
Am 22. Oktober wurde der Entwurf des EU-Ministerrats für eine Richtlinie zur Leiharbeit und Arbeitszeit vom Europaparlament mit großer Mehrheit verabschiedet. Unter Überschriften wie „Leiharbeiter werden in EU gleichgestellt“ wurde dies in der bürgerlichen Presse als großer Erfolg gepriesen. Tatsächlich wurde damit aber die Mogelpackung des deutschen Modells der Leiharbeit europaweit übernommen.
Während sich in der BRD überhaupt nichts ändert, bedeutet die Richtlinie für viele andere EU-Länder eine massive Verschlechterung:
In Frankreich, Finnland, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien haben Leiharbeiter derzeit noch uneingeschränkt Anspruch auf gleiche Bezahlung und gleiche Rechte wie die Arbeiter des Einsatzbetriebes. Nach der EU-Richtlinie kann von diesem Grundsatz jetzt in der gesamten EU durch Tarifverträge abgewichen werden. Während es in zahlreichen anderen Ländern noch gesetzliche Beschränkungen der Leiharbeit gibt wie das Verbot des Verleihs in bestreikte Betriebe, die Beschränkung der Einsatzdauer usw., müssen nach der Richtlinie nun alle Einschränkungen der Leiharbeit von den Mitgliedstaaten auf ihre Berechtigung überprüft werden mit dem Ziel, sie aufzuheben. (8)
Die EU-Richtlinie zur Leiharbeit und Arbeitszeit muss deshalb vom Tisch! Die MLPD wird sich in ihrer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit und internationalistischen Kleinarbeit dafür einsetzen, dass sie europaweit zum Gegenstand der Diskussion in Betrieben und Gewerkschaften
wird, mit dem Ziel der Organisierung eines Länder übergreifenden Kampfes gegen ihre Umsetzung in nationales Recht und für ihre Rücknahme.
Hier der letzte Teil einer Serie zu diesem Thema, die in den Ausgaben 49/08 und 50/08 der „Roten Fahne“ veröffentlicht wurde.
Der Kampf für die Herstellung der Arbeitereinheit zwischen „Stammbelegschaften“, Arbeitern von Fremdfirmen und outgesourcten Bereichen
sowie Leiharbeitern ist vor allem ein Kampf um die Denkweise. Die besondere Rechtlosigkeit, Vereinzelung und geringe gewerkschaftliche Organisiertheit der Leiharbeiter übt einerseits einen zersetzenden Einfluss auf ihr Klassenbewusstsein aus und kommt oft in Ohnmachtgefühl, Einzelkämpfertum und negativer Einstellung zu den Gewerkschaften zum Ausdruck. Andererseitsstellen die Leiharbeiter ein kämpferisches Potenzial der Arbeiterbewegung dar. Die Leiharbeit ist auch eine materielle Grundlage des proletarischen Klassenbewusstseins, der Destabilisierung des Kapitalismus und der materiellen Vorbereitung des Sozialismus. Aufgrund ihrer fehlenden Betriebsbindung, extremen Ausbeutung und Rechtlosigkeit sind die Leiharbeiter für Standortdenken, Betriebsphilosophien und Sozialstaatsillusionen weit weniger anfällig. Durch sie werden Erfahrungen mit den Methoden der Ausbeutung und Spaltung sowie den Arbeiterkämpfen in anderen Betrieben, mit Arbeitslosigkeit, Hartz IV usw. in der Arbeiterschaft verbreitet. Die Familienlosigkeit nimmt gerade unter diesen Arbeitern sprunghaft zu. Auf dieser Grundlage reift bei vielen die Erkenntnis, dass sie nicht mehr zu verlieren haben als ihre Ketten. Einer der acht bei Opel gekündigten Leiharbeiter, für deren Wiedereinstellung im Frühsommer 2008 eine Solidaritätsbewegung organisiert wurde, brachte das so auf den Punkt: „Ich habe keine Angst vor der Kündigung – ich habe nur Angst davor, dass alles so bleibt wie es ist.“
Vor allem die Jugend ist betroffen: 31 Prozent aller Leiharbeiter sind zwischen 15 und 30 Jahre alt. (9) Viele junge Arbeiter kennen nichts anderes als den ständigen Wechsel zwischen Leiharbeit und Arbeitslosigkeit. Der Kampf zur Gewinnung der Leiharbeiter für den gemeinsamen Kampf, gegen ihre Rechtlosigkeit und für die Verbesserung ihrer Lebens-, Arbeits- und Kampfbedingungen
ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Herstellung der Kampfeinheit von Jung und Alt, des Kampfes für die Zukunftsinteressen der Arbeiterjugend und ihrer Gewinnung für den Kampf um den echten Sozialismus.
Grundlegendes Prinzip: Ein Betrieb – eine Belegschaft!
Die Leiharbeiter dürfen sich nicht durch Hoffnung auf mögliche Übernahme in Konkurrenz zur Stammbelegschaft treiben lassen, sondern müssen erkennen, dass sie gemeinsam mit der „Stammbelegschaft“ für die Übernahme kämpfen müssen und nur organisiert, als Teil der gesamten Arbeiterklasse, ihre Interessen durchsetzen können.
Auf der anderen Seite müssen die „Stammbelegschaften“ die volle Verantwortung für alle im Betrieb beschäftigten Arbeiter übernehmen und dabei mit der reformistischen Spaltung, in Krisenzeiten durch die Entlassung von Leiharbeitern ihren Arbeitsplatz retten zu können, vollständig fertig werden. Die Monopole werden beim Abbau von Arbeitsplätzen niemals nur die Leiharbeiter rauswerfen, sondern sie immer als Druckmittel gegen die „Stammbelegschaft“ einsetzen, um die Kampfkraft zu schwächen. Gegen die immer weitere Zersplitterung tritt die MLPD für das grundlegende Prinzip „Ein Betrieb – eine Belegschaft – ein Kampf!“ ein.
Zur Belegschaft gehören alle Beschäftigten, egal ob sie direkt bei den Monopolen, bei Fremdfirmen oder bei einer Leiharbeitsfirma angestellt sind. Dabei unterliegen Leiharbeiter einer besonderen
Rechtlosigkeit, indem sie jederzeit willkürlich in einen anderen Betrieb versetzt werden können. In der Praxis werden vor allem kämpferische Leiharbeiter einfach ausgetauscht, was den gemeinsamen Kampf mit der Stammbelegschaft erheblich erschwert. Notwendig ist daher die volle Solidarität und der gemeinsame Kampf aller Beschäftigten gegen willkürlichen Austausch und Versetzung von Leiharbeitern.
„Prekariat“ statt Proletariat?
Verwirrt werden sollen die Arbeiter von Begriffsschöpfungen wie „prekäre Beschäftigungsverhältnisse“ bzw. „Prekariat“. Sie wurden in der BRD unter anderem durch eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom Dezember 2006 verbreitet. Diese Theorie vom „Prekariat“ als „neuer Unterschicht“ steht in engem Zusammenhang mit den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Globalisierungstheorien, mit denen die Arbeiterklasse für tot bzw. zur „Mittelschicht“ erklärt wird. Das Prekariat sei „in der postindustriellen Gesellschaft, was das Proletariat in der Industriegesellschaft war.“ (Alex Foti, italienischer Soziologe)
Er lenkt damit davon ab, dass nach wie vor der gesellschaftliche Reichtum aus der Ausbeutung der kapitalistischen Lohnarbeit stammt, dass nicht die armen Menschen, sondern das Proletariat der Totengräber des Kapitalismus ist und dabei das Industrieproletariat führende Kraft der internationalen Revolution werden muss. Der Schwerpunkt der Arbeit der MLPD im Kampf für die Herstellung der Arbeitereinheit liegt in den Monopolbetrieben. Hier sind die Voraussetzungen am besten, eine systematische, organisierte Arbeit unter den Leiharbeitern im Schulterschluss mit den „Stammbelegschaften“ zu entwickeln und auf einen größeren Teil der Leiharbeiter Einfluss zu bekommen.
Aber auch im Rahmen der systematischen Kleinarbeit im Wohngebiet stoßen wir auf Leiharbeiter und ihre Familien. Die Wohngebietsgruppen der MLPD fördern ihre gewerkschaftliche und politische Organisierung und leisten Überzeugungsarbeit für die Überwindung der Spaltung. In den Gewerkschaften treten wir für die Einrichtung wohnortbezogener Strukturen ein, in denen Arbeitslose und Kollegen aus Betrieben ohne gewerkschaftlichen Vertrauenskörper erfasst werden.
Die Herstellung der Einheit von Leiharbeitern und „Stammbelegschaften“ ist auch ein wichtiges Anliegen der Montagsdemonstrations-Bewegung. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterstützung von Leiharbeitern, die auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen sind, in ihrem täglichen Kleinkrieg mit den ARGEn und im Kampf gegen Schikanen und Repressalien.
Leiharbeit und Niedriglöhne bekämpfen
Die Arbeiterklasse muss ihre Forderungen zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen im entschlossenen Kampf gegen die Monopole durchsetzen und ihn als Schule des Klassenkampfes und gegen das gesamte Lohnsystem führen. Wir treten für die massive Einschränkung der Leiharbeit ein, indem wir die feste Übernahme der Leiharbeiter in den Betrieben fordern. Zugleich fordern wir von der Bundesregierung die sofortige Aufhebung der Ausnahmeregelung im § 9 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes: damit wird die Möglichkeit geschaffen, per Tarifvertrag von dem Grundsatz abzuweichen, dass Leiharbeitern gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen wie den Arbeitern im Entleiherbetrieb gewährt werden. Es ist nicht richtig, jede Art von Leiharbeit, z. B. die Durchführung bestimmter Arbeiten wie den Aufbau und Wartung von Maschinen durch externe Spezialisten, pauschal abzulehnen. Der Kampf muss jedoch entschieden gegen die Leiharbeitsverhältnisse als Methode der extremen Ausbeutung und Spaltung der Arbeiterklasse geführt werden. Gleichzeitig weisen die Elemente der fehlenden Betriebsbindung und des betriebs- und länderübergreifenden Einsatzes der Leiharbeiter jedoch über den Kapitalismus hinaus und sind eine Keimform der internationalen Zusammenarbeit und Arbeitsteilung der Arbeiterklasse zum gegenseitigen Lernen und Nutzen in den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt.
Notwendig sind Forderungen, die Stammbelegschaften und Leiharbeiter im gemeinsamen Kampf zusammenschweißen:
- Übernahme aller Leiharbeiter und befristet Beschäftigten in unbefristete Arbeitsverhältnisse im Entleiherbetrieb!
- Gleiche Bezahlung für gleiche oder vergleichbare Arbeitsplätze und volle rechtliche Gleichstellung von Leiharbeitern und Beschäftigten des Entleiherbetriebs! Volle Anwendung der im Entleiherbetrieb geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und sonstigen Regelungen für alle Beschäftigten!
- Ein Betrieb – ein Tarifvertrag! Ein Betrieb – eine Gewerkschaft! In ihrer positiven Gewerkschaftsarbeit tritt die MLPD daher für die sofortige Kündigung der spalterischen Leiharbeitstarifverträge durch die DGBTarifgemeinschaft, für die gewerkschaftliche Organisierung der Leiharbeiter in der Gewerkschaft des Entleiherbetriebs und für gemeinsame gewerkschaftliche Vertrauenskörper für alle in einem Betrieb Beschäftigten ein.
- Leiharbeiter müssen in den Betriebsrat des Entleiherbetriebs gewählt werden können. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz haben sie bisher nur as aktive Wahlrecht. Deshalb: Passives Wahlrecht der Leiharbeiter zur Betriebsratswahl im Entleiherbetrieb!
- Leiharbeiter sind zwar nicht verpflichtet, bei einem gewerkschaftlichen Streik im Entleiherbetrieb zu arbeiten, haben aber kein Recht auf aktive Beteiligung an diesem Streik. Zudem steht das Recht auf Verweigerung von Streikbrecherarbeit für sie faktisch nur auf dem Papier, da sie gegen Repressalien weitgehend rechtlos sind. Deshalb: Für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht und freie politische und gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb für Leiharbeiter wie Stammbelegschaft!
- Weg mit Hartz I und Hartz IV! Sofortige Aufhebung der Möglichkeit zur Umgehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in § 9 Nr. 2 AÜG! Für einen gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 10 Euro/Stunde und Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit der Lohn- und Gehaltstarifverträge!
- Nieder mit dem Lohnsystem – Kampf für den echten Sozialismus! Für die Stärkung der MLPD!
Quellen:
1 Ingrid Artus,„Zum Arbeitskampf bei PSA Peugeot-Citroen“, Labournet, 20. 6. 2007;
2 „Junge Welt“, 8. 7. 2008;
3 „Bilanz des Codelco-Streiks“, Labournet, 3. 8. 2007;
4„Handlungsansätze für ein tarif- und betriebspolitisches Konzept der IG Metall zur Arbeitnehmerüberlassung“, S. 9 und 11;
5 ebenda, S. 11;
6 ebenda, S. 5;
7„Süddeutsche Zeitung“, 21. 12. 2007;
8 Pressemitteilung des EU-Ministerrats vom 9./10. 6. 2008
9 Statistisches Bundesamt, März 2008