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Attac – von der kleinbürgerlichen Globalisierungskritik zum Liquidator von Massenbewegungen

In den letzten Jahren war es ruhig geworden um das sogenannte Netzwerk Attac. Inzwischen befindet sich Attac nach Einschätzung vieler Aktivisten in einer umfassenden Krise. Das hält Attac-Protagonisten nicht davon ab, mit einem kleinbürgerlichen Führungsanspruch zerstörerisch in den aktuellen Massenbewegungen gegen die Rechtsentwicklung der Bundesregierung tätig zu werden

Attac – von der kleinbürgerlichen Globalisierungskritik zum Liquidator von Massenbewegungen
Berlin, 3. Oktober 2004: 25 000 beim selbständig organisierten Sternmarsch der bundesweiten Montagsdemo-Bewegung

Von der Entstehung ...

Attac entstand kurz vor der Jahrtausendwende, ausgehend von Frankreich mit Gruppen in (nach eigenen Angaben) 50 Ländern. Der Name Attac täuscht eine Militanz allerdings nur vor. Attac steht für die französische Abkürzung von „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger“. Meinungsvielfalt und Pluralismus gehören angeblich zum Attac-Selbstverständnis.

Tatsächlich wird eine Überparteilichkeit aber nur vorgetäuscht. Von Anfang an schloss das Netzwerk revolutionäre Bewegungen aus, also dass „Personen oder Gruppen mitarbeiten, die Gewalt als politisches Mittel akzeptieren.“1 Das wurde 2001 ausdrücklich als Attac-Konsens bekräftigt.2

Selbstverständlich macht es Sinn, sich von sinnloser, aktionistischer Gewalt zu distanzieren. Aber so wie Attac dies formuliert, sind von vornherein alle revolutionären Veränderungen und bewaffnete Befreiungsbewegungen wie in Kurdistan oder Palästina ausgeschlossen. Man muss also wissen, dass die „andere Welt“, von der Attac im eigenen Selbstverständnis spricht, eine reformierte kapitalistische sein soll.

... zur Krise von Attac

In den letzten beiden Jahrzehnten sind alle Versuche der Zähmung, Kontrolle oder auch nur wirksamen Besteuerung des allein herrschenden Finanzkapitals grandios an der Wirklichkeit der Diktatur der Mono­pole gescheitert. Die Krise des imperialistischen Weltsystems hat sich allseitig verschärft und chronifiziert. Dem mit einer Finanztransaktionssteuer von 0,5 Prozent beikommen zu wollen, erscheint immer mehr Aktiven als das, was es ist: ein Hirngespinst, allenfalls geeignet, um Illusionen in die Zähmung des Kapitalismus zu schüren.

Hier liegt – neben dem Entzug der medialen Aufwertung – die Hauptursache der Krise, die sich Attac selbst attestiert. So berichtet der Attac-Aktivist und Autor der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hendrik Sander, wie sich seit einigen Jahren der Eindruck verdichtet, „dass Attac Deutschland in einer grundlegenden Krise steckt“. Aktuelle und ehemalige Attac-Aktivisten erzählten ihm: „Ich hab’ das Gefühl, Attac ist in einer tiefen Depression, … viel Desillusionierung und viel Verzettelung. … Ich hab’ im Moment das Gefühl, dass in Attac sehr, sehr viel die Luft raus ist.“ Oder: „Meines Erachtens befindet sich die gesamte Organisation in einer großen Krise …“3

Attac Deutschland – eine Agentur des Reformismus

Von Anfang an war Attac in Deutschland ein besonders antikommunistisch ausgerichteter Verein. Hier versammelte sich ein Spektrum kritischer SPD-Anhänger und ehemaliger SPD-Mitglieder, reformistischer Gewerkschaftsfunktionäre, Mitglieder und Sympathisanten der Grünen, der PDS (heute Linkspartei) oder trotzkistischer und revisionistischer Organisationen. Hinzu kamen anfangs aber auch zahlreiche Menschen, die bisher nicht politisch aktiv waren und sich ehrlich engagieren wollten. Seit 2002 existiert die sogenannte Bewegungsstiftung, die auch Attac fördert. Damit werden unter anderem freigestellte Funktionäre finanziert, was aber wiederum an Bedingungen wie „gewaltfrei“ geknüpft ist. Derart finanziert, können sie berufsmäßig Einfluss auf Bewegungen nehmen.

Bereits 2004 betätigten sich Attac-Protagonisten liquidatorisch an der Spaltung der bundesweiten Massenbewegung der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV. Statt Hartz IV zu bekämpfen, stellte die Attac-Spitze im Verein mit rechten Gewerkschaftsführern ­um auf eine kritische Begleitung bei der Umsetzung der Hartz-Gesetze. Diese Kräfte initiierten zur Spaltung eine Demonstration am 2. Oktober 2004, die rund 50.000 Teilnehmer hatte. Trotz dieser Spaltungsmanöver kam es am 3. Oktober 2004 zu einer selbständig organisierten Massendemonstration der bundesweiten Montagsdemonstrations-Bewegung auf überparteilicher, weltanschaulich offener Grundlage, mit 25.000 Teilnehmern. Die Attac-Führung beerdigte nach diesen Demos, für sich und wo sie Einfluss hatte, sang- und klanglos den Kampf gegen Hartz IV. Wenige Tage vor den Demos erklärte Peter Wahl vom Attac-Koordinierungsrat unter der Überschrift „Montagsdemons­trationen vor dem Aus“: „Wir suchen jetzt nach anderen Protestformen … Wir müssen wegkommen von der Fixierung auf Montagsdemonstrationen.“4 Und Peter Wahl behauptete am 3. Oktober, dass das Protestpotenzial „erschöpft“ sei. „Das weiterhin bestehende Protestpotenzial“ drücke sich „nun auch und vor allem bei Wahlen aus“.5

Vorsicht Liquidatoren

Die Ereignisse 2004 klingen wie die Blaupause der aktuellen Entwicklung des Kampfs gegen die Polizeiaufgabengesetze in verschiedenen Bundesländern. So verkündete die Vertreterin des Attac-Koordinierungskreises, Sabine Lassauer, in einer Mail in der Nacht vom 24. auf den 25. August 2018 die neue Attac-Haltung: „Nach wie vor halten wir es für immens wichtig, den Gesetzgebungsprozess kritisch und mit gebündelten Kräften zu begleiten. … Auch halten wir eine weitere Großdemo auf Länderebene aus vielen Gründen für keine taktisch sinnvolle Protestform und werden uns an ihrer Organisation nicht beteiligen.“

Wie 2004 ist vor allem die gleichberechtigte und prägende Mitarbeit der MLPD und anderer revolutionärer Kräfte die Hauptsorge dieser Leute. Lieber versuchen sie, die Bewegung zu liquidieren, als einen Einfluss der MLPD zu akzeptieren. Niemand muss im Kampf gegen Polizeigesetze die weitergehenden Ziele der MLPD übernehmen. Aber wer statt des Kampfs gegen diese reaktionären, teils faschistoiden Gesetze auf ihre „Begleitung“ setzt, muss Farbe bekennen.

Wie 2004 ist es wieder eine konzertierte Aktion unter Beteiligung von Grünen- und SPD-Funktionären, die hier liquidatorisch aktiv wird. In Sachsen war zum Beispiel Irena Rudolph-Kokot, die Vorsitzende der SPD-Frauenorganisation ASF, führend am Ausschluss der MLPD aus dem nopolg-Bündnis beteiligt. SPD und Grüne sind an diversen Landesregierungen und den dortigen Beschlüssen über die Polizeigesetze beteiligt. Aus ihrer Sicht ist klar, dass sie die Polizeigesetze lieber begleiten, als bekämpfen wollen. Aber ihr liquidatorisches Verhalten stößt heute auf erheblich mehr Probleme und Widerstand als noch 2004. Die Bewegung wird sich stärken, wenn sie mit diesem Liquidatorentum fertig wird.

Jörg Weidemann