An eine junge IG-Metall-Kollegin

An eine junge IG-Metall-Kollegin

Inzwischen bin ich 35 Jahre Mitglied in der Gewerkschaft

Antwort von Stefan Engel an eine junge IG-Metall-Kollegin, warum er vor Jahren aus der IG Metall ausgeschlossen wurde:

Bekanntlich wird man bei der Anwendung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse aus der IG Metall ohne Angabe von Gründen ausgeschlossen und auch ohne Verfahren. Die Begründung heißt dann lapidar "wegen Mitgliedschaft in einer gegnerischen Organisation". Es gibt nicht, wie im bürgerlichen Recht, eine Möglichkeit zu Einspruch oder persönlicher Anhörung.

Der Anlass oder auch Vorwand meines Ausschlusses war meine Kandidatur zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 1987 auf der Liste der MLPD. Ich war zu diesem Zeitpunkt in der IG Metall-Ortsgruppe Gelsenkirchen-Hüllen aktiv. ... Ich habe auch schon als Jugendvertreter und Vertrauensmann gearbeitet und in dieser Zeit viele neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen. Deshalb protestierte ich sofort gegen meinen Ausschluss und forderte zunächst eine Anhörung und eine konkrete Ausschlussbegründung, die mir aber verweigert wurden. Mir blieb nichts anderes übrig, als gegen die IG Metall zu klagen.


Was sich dann dort abspielte, war eine Ungeheuerlichkeit, da der IG-Metall-Rechtsanwalt die Frechheit besaß, mit faschistischen NPD-Flugblättern meinen Ausschluss zu begründen. Die IG Metall hatte also noch nicht einmal einen konkreten Beweis in der Hand, sondern stützte sich ausschließlich auf plumpen Antikommunismus. Sie kam mit ihrem Ausschluss durch und ich ging in die Berufung bis zum Bundesverwaltungsgericht. Ich klagte mein grundgesetzlich verankertes Recht auf Koalitionsfreiheit, der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, ein, das mir aber auch dort verweigert wurde. Es ging sogar soweit, dass mir der damalige Chef des Bundesverfassungsgerichts, Herzog, eine Klage beim Bundesverfassungsgericht (BVG) verweigerte mit der Begründung, dass man als Marxist-Leninist nur eingeschränkte demokratische Rechte genießen könne. Das würde sich nicht nur auf das Koalitionsrecht, sondern auch auf das aktive und passive Wahlrecht usw. beziehen. Das heißt, das BVG verschärfte sogar meine Sachlage, indem es mich für "vogelfrei" erklärte.


Diese Vorgänge lösten bundesweit Proteste in der demokratischen Öffentlichkeit und auch in den Gewerkschaften aus. An der Spitze standen mit die IG Medien (heute Teil der Gewerkschaft ver.di) und der Vorstand der IG Medien, der mich damals sofort mit dem Datum meines Ausschlusses aus der IG Metall rückwirkend seit meiner Aufnahme 1974 in der Gewerkschaft zu ihrem Mitglied erklärte. Diese Mitgliedschaft war eindeutig als Protest gegen die IG Metall zu verstehen und zeigte, dass durchaus nicht alle DGB-Gewerkschaften den im DGB gültigen Unvereinbarkeitsbeschlüssen folgen wollten und bereit waren, das auf eine solche Art und Weise durchzusetzen.


Kurz und gut: die ganze Begründung meines Ausschlusses bestand darin, dass ich Marxist-Leninist bin. Zu Schulden habe ich mir nichts kommen lassen. Deshalb wurde die Begründung konstruiert, einem Marxisten-Leninisten sei alles zuzutrauen. Diese Begründung ist natürlich hanebüchen und verstößt gegen die Verfassung, nach der ein Angeklagter erst dann schuldig zu sprechen ist, wenn man ihm eine konkrete Schuld nachgewiesen hat. Einen solchen Nachweis von gewerkschaftsfeindlichem Verhalten konnte und kann mir aber bis heute keiner erbringen. Inzwischen bin ich 31 Jahre Mitglied in der Gewerkschaft