In der letzten Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2014 war es den Herrschenden mit ihrem international koordinierten Krisenmanagement ja noch erstaunlich gut gelungen, sich zusammenzuraufen. Was ist diesmal anders?
Zum einen traf bei der aktuellen Krise das bürgerliche Krisenmanagement auf schon vorher ungemein verschärfte zwischenimperialistische Widersprüche.
Das Scheitern des Krisenmanagements entsteht vor allem auch daraus, dass sich krisendämpfende Maßnahmen hinsichtlich der Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der Corona-Pandemie im Kapitalismus gegenseitig durchkreuzen: Was die kapitalistische Wirtschaft ankurbeln könnte, lässt die Corona-Infektionen hochschnellen. Was die Corona-Infektionen wirksam eindämmt, hemmt die kapitalistische Profitwirtschaft. Und dieses Problem betrifft alle Länder, egal welche konkrete Regierungsmethode sie zurzeit wählen. Die jeweiligen Monopolverbände forcierten diesen Wettbewerb, wer zuerst seine Wirtschaft wieder hochfährt und damit in der zwischenimperialistischen Konkurrenz die Nase vorn hat. Überall, wo es übereilte Lockerungen ohne genügenden Gesundheitsschutz gab, schnellen jetzt die Infektionszahlen wieder in die Höhe. Eine „zweite Welle“ hat in verschiedenen Ländern bereits begonnen und ist auch in Deutschland keineswegs ausgeschlossen. Zahlreiche Länder wie Frankreich, die USA, Israel und auch verschiedene Regionen Deutschlands mussten inzwischen wieder zu schärferen Lockdowns zurückgehen. Auch in Deutschland hatte die Regierung die Ende Mai aufgestellten ultimativen Forderungen des Monopolverbands BDI3 nach Lockerung und Aufhebung wichtiger Gesundheitsmaßnahmen in fahrlässiger Voreiligkeit eins zu eins umgesetzt. So entwickelt sich auch hier die Pandemie seit einigen Wochen tendenziell wieder unkontrolliert. Zunächst in Hotspots in Flüchtlingsunterkünften, der Fleischindustrie, in Betrieben mit Massenunterbringungen der Beschäftigten, in den Alten- und Pflegeeinrichtungen. Aber wohl infolge des Tourismus inzwischen auch flächendeckend, was noch viel gefährlicher ist, da man die Infektionsketten so viel schwerer nachverfolgen kann.
Die frühzeitigen Lockerungen gaben auch ein verheerendes Signal an die Massen, dass man es mit dem Gesundheitsschutz nicht mehr so ernst nehmen müsse. Es ist natürlich zu kritisieren, wenn sich Leute unvernünftig verhalten, aber das hat die Regierung zumindest mitzuverantworten.
Das Krisenmanagement hat noch einen Haken: Es handelt sich um eine internationale Weltwirtschafts- und Finanzkrise und um eine internationale Gesundheitskrise. Das Krisenmanagement ist jedoch überall weitgehend auf die nationalen Interessen ausgerichtet. Die gewaltigen Summen des nationalen Krisenmanagements, das weltweit summiert über 14 Billionen Euro4 ergibt, wird dafür aufgebracht, im internationalen Konkurrenzkampf als Gewinner vom Platz zu gehen. UNO, EU, G7, G20, die WTO wie auch die NATO sind vor dem Hintergrund weitgehend handlungsunfähig. Ein solch nationales Krisenmanagement kann eine internationale Krise unmöglich lösen! Für die deutschen Monopole ist diese Entwicklung aufgrund der großen Exportabhängigkeit und Abhängigkeit von funktionierenden internationalen Handelswegen und Lieferketten besonders verheerend.
Das Krisenmanagement verfolgt als wesentliche Zielrichtung auch, Kämpfe gegen die Abwälzung der Krisenlasten zu unterdrücken. Der von zahlreichen Regierungen unter dem Vorwand einer „Bedrohungslage in einer Krise“5 betriebene Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten geht bis hin zur Einführung von faschistischen Notstandsregimes, wie von Victor Orban in Ungarn oder zum Teil von Donald Trump in den USA. So entstand im Unterschied zur letzten Krise schnell eine handfeste Krise des bürgerlichen Krisenmanagements. Das ist ein wesentlicher Grund, warum sich zeitnah eine gesamtgesellschaftliche Krise des imperialistischen Weltsystems herausbilden kann.