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Stalin, ein Klassiker des Marxismus-Leninismus – trotz seiner Fehler

»Ist Stalin ein Klassiker des Marxismus-Leninismus? Bis zum XX.Parteitag der KPdSU hat kein Kommunist daran gezweifelt. Chruschtschows üble Geheimrede, die uns Kommunisten damals von der KPdSU vorenthalten wurde, war das Startsignal zur Verurteilung Stalins, ideologisch und persönlich … Die Ursache der Verurteilung Stalins ist die revisionistische Entartung der Bürokratie.

Man muß die gesamten Werke Stalins heranziehen, um festzustellen, ob Stalin ein Klassiker des Marxismus-Leninismus ist. Leider wurden die letzten vier Bände nicht mehr ins Deutsche übersetzt (auf russisch gibt es 20 Bände), trotzdem lassen die bisher ins Deutsche übersetzten Werke vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus den Schluß zu, daß Stalin ein Klassiker ist. Heißt das nun, daß Stalin keine Fehler gemacht hat? Keineswegs!

Stalin hat Fehler gemacht, und wir haben in verschiedenen Nummern des Revolutionären Wegs bestimmte Fehler kritisiert und das auch nachgewiesen.Aber deshalb bleibt Stalin doch ein Klassiker des Marxismus-Leninismus. In der dialektischen Einheit von Weiterentwicklung des Marxismus und einzelnen ideologischen Fehlern ist bei Stalin die Weiterentwicklung des Marxismus die Hauptseite, und nur Revisionisten werden das nicht akzepieren …

Die spanischen Revisionisten gehen schon so weit, auch Lenin aus den Reihen der Klassiker zu streichen, und das ist nur folgerichtig von ihrem revisionistischen Standpunkt aus. Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung müssen konsequenterweise von allen Revisionisten als Klassiker abgelehnt werden, auch wenn sie den einen oder anderen aus Opportunitätsgründen oder aus Tarnung noch als Firmenschild benutzen. Das ist die Kernfrage:Wer sich ideologisch auf den revisionistischen Weg begibt, muß auf kurz oder lang in Widerspruch zu der Anerkennung der Klassiker des Marxismus-Leninismus geraten, zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen, zuletzt mit allen.

Obwohl Stalin ein Klassiker des Marxismus-Leninismus ist, hat er einen entscheidenden Fehler gemacht: Er hat entgegen der Auffassung Lenins und auch im Gegensatz zu dem, was er selber zum Ausdruck gebracht hatte, nämlich die Massen zum Kampf gegen die Bürokratie zu mobilisieren, darauf verzichtet und statt dessen den Staatssicherheitsdienst gegen die Bürokratie eingesetzt (was zum Teil notwendig war). Dieser Apparat war selber verbürokratisiert … Ich halte die Schilderung Gorbatows [sowjetischer General,Autor des Buchs ›Die geköpfte Armee‹ – die Hrsg.] im großen ganzen für wahrheitsgetreu, und ich habe deshalb darauf hingewiesen, weil er den Bürokratismus des Staatssicherheitsdienstes, ohne die Bedeutung zu verstehen, klar aufgezeigt hat: 

  • Administrative Maßnahmen und schematische Anwendung
  • statt ideologisch-politische Erziehungsarbeit,
  • Gleichmacherei, alle über einen Kamm scheren
  • statt Differenzierung zwischen aufrichtigen Menschen und Heuchlern, zwischen ehrlichen Revolutionären und verbrecherischen Konterrevolutionären,
  • keine Unterscheidung zwischen Widersprüchen im Volk und Widersprüchen zwischen uns und dem Feind,
  • Geständnisse durch Einschüchterung am laufenden Band statt offene, ehrliche Selbstkritik durch Überzeugung.

Das alles kommt in Gorbatows Schilderung zum Ausdruck; das ist das Wesentliche, hier kommt der Bürokratismus des Staatssicherheitsdienstes zum Ausdruck, der nicht weniger gefährlich ist als der Bürokratismus in Partei, Staat und Wirtschaft. Damit ist keine Beurteilung Gorbatows gegeben, denn sein Buch und Film konnten nur mit Zustimmung der führenden Revisionisten veröffentlicht werden. Diese wollten damit Stalin treffen.

Damit ist auch noch nichts über die Anwendung der Mittel gesagt, wozu ich nur sagen will, daß gegenüber unbelehrbaren Konterrevolutionären jedes Mittel angebracht ist. Die Konterrevolutionäre sind gegen Revolutionäre nie zimperlich vorgegangen, vielfach sind die grausamsten Mittel noch mit persönlichem Sadismus verbunden gewesen, was ich im Konzentrationslager selber erlebt habe. Und ich kann Dir sagen, daß ich bei Vernehmungen durch die Gestapo nicht nur mißhandelt worden bin, sondern vor der Frage gestanden habe: entweder Aussagen zu machen oder totgeschlagen zu werden, und ich habe trotzdem über Personen die Aussage verweigert. Stellt Euch auch mal die Frage, was Ihr tun würdet. Sollen Revolu- 236 Stalin als Politiker und Theoretiker tionäre, wenn sie die Macht haben, die Konterrevolutionäre mit Samthandschuhen anfassen?

Wenn aber dieselben Mittel, die gegen Konterrevolutionäre angebracht und notwendig sind, auch auf werktätige Menschen angewandt werden, die gewisse Widersprüche haben, die aber Widersprüche im Volk sind, dann ist das ein Verbrechen, dann müssen die zur Verantwortung gezogen werden, die solche Mittel gegen die werktätigen Menschen anwenden. Wurde das etwa nach dem XX. Parteitag getan? Die neue Bürokratie in Partei, Staat und Wirtschaft verwendet denselben Staatssicherheitsdienst für ihre eigenen Zwecke, so wie sie die verbürokratisierte Armeeführung für die Verteidigung des Kapitalismus neuen Typs verwendet.

Stalins Kampf gegen die Bürokratie durch eine andere Bürokratie war sein größter Fehler. Diese Art wurde noch gefördert durch das Verhalten der beschuldigten Bürokraten, besonders der kleinbürgerlichen bürokratischen Intelligenzler, die sich oft drehen und wenden, kriechen und radfahren, um Karriere zu machen, die nach außen den Biedermann spielen, innerlich aber Konterrevolutionäre sind. Es sind verachtungswürdige Burschen, die, um ihre Haut zu retten und ihre Position zu halten, durch sogenannte Geständnisse andere beschuldigen und Unschuldige schädigen. Sie haben durch ihr Verhalten mit dazu beigetragen, daß der Staatssicherheitsdienst nicht ideologisch- politisch, sondern bürokratisch an die Untersuchungen heranging und dabei selber mehr und mehr schematisch-bürokratisch handelte. Das Ergebnis ist, daß trotz Bekämpfung der Bürokratie durch den Staatssicherheitsdienst die Bürokratie den Sozialismus aufgeben und die Restauration des Kapitalismus vornehmen konnte.Auch die Armeeführung hat das nicht verhindert.

Es gibt nur ein Mittel zur Lösung des Problems der Bürokratie: daß die Massen zum Kampf gegen die Bürokratie mobilisiert werden. Das hat Lenin immer wieder gefordert, Stalin wiederholt, aber nicht verwirklicht und Mao Tsetung durch die Große Proletarische Kulturrevolution praktiziert, wobei mehrere Kulturrevolutionen notwendig werden, um endgültig durch proletarische Erziehung über die Bürokratie zu siegen. Es bleibt die Alternative: Sieg der Bürokratie bedeutet Sieg der Konterrevolution! Sieg der Kulturrevolution bedeutet Sieg des Sozialismus!«

Briefwechsel über Fragen der Theorie und Praxis des Parteiaufbaus, 1984, S. 222–225