Das Potenzial einer revolutionären Weltkrise und die Notwendigkeit der länderübergreifenden Koordinierung der Tätigkeit revolutionärer Parteien und Organisationen
Im Vorfeld der 1.Mai-Demonstrationen in Deutschland 2009 warnte DGB-Chef Sommer vor „sozialen Unruhen“. Als sich dieser Betrachtung auch noch die SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan anschloss,19 entzündete sich eine heftige Diskussion. Man könne ja soziale Unruhen auch „herbeireden“, antworteten darauf insbesondere die Vertreter der großen Koalition.20 Dabei kam Dennis C. Blair, nationaler US-Sicherheitsdirektor der Obama-Regierung und Koordinator der 16 US-Geheimdienste, bereits in seiner „jährlichen Bedrohungsstudie“ vom 12. Februar 2009 zu dem Ergebnis, dass die Hauptbedrohung für den US-Imperialismus nicht mehr vom sogenannten internationalen „Terrorismus“ ausgeht, sondern auf der Grundlage der Weltwirtschaftskrise von revolutionären Arbeiterkämpfen – insbesondere in Europa:
„Das wichtigste kurzfristige Sicherheitsproblem der Vereinigten Staaten sind die globale Wirtschaftskrise und ihre geopolitischen Implikationen“, so Blair, die zu „gewalttätigem Extremismus“ führen könne. Ausdrücklich erinnert er an „die dramatischen politischen Folgen des wirtschaftlichen Chaos in den 1920er und 1930er Jahren in Europa“ und weist darauf hin, dass es aktuell die „meisten regierungsfeindlichen Demonstrationen in Europa und der ehemaligen Sowjetunion gegeben“ hat.21
Die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat alle grundlegenden Widersprüche des imperialistischen Weltsystems verschärft:
- Die Arbeiterklasse ist mit der Arbeitslosigkeit, der verschärften Ausbeutung und dem allgemeinen Lohnabbau von den Krisenwirkungen am meisten betroffen. Im Klassenkampf gegen die internationalen Übermonopole und ihre Regierungen muss vor allem das internationale Industrieproletariat seine führende Rolle im Kampf gegen das imperialistische Weltsystem wahrnehmen.
- Der Kampf um die Befreiung der Frau geht einher mit dem Kampf der Arbeiterklasse für die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung und bezieht die Masse der kleinbürgerlichen Zwischenschichten mit ein.
- Die Krise verschärft die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterjugend und fordert ihre Rebellion heraus. Die Masse der Jugend muss zur praktischen Avantgarde im Klassenkampf werden.
- Der aktive Widerstand gegen die menschheitsbedrohende Entwicklung zu einer globalen Klimakatastrophe muss sich länderübergreifend entfalten.
- Die Weltwirtschaftskrise erhöht die Aggressivität der imperialistischen Länder und der internationalen Übermonopole im Kampf um die Neuaufteilung der Einflusssphären und des Weltmarkts. Das verschärft die allgemeine Kriegsgefahr und birgt die Gefahr zwischenimperialistischer Kriege. Der Kampf zur Verteidigung des Weltfriedens muss zur Revolutionierung der breiten Massen genutzt werden.
- Die dramatischen Entwicklungen fassen sich in der Vertiefung latenter und dem Aufbrechen offener politischer Krisen zusammen, die gesetzmäßig mit dem Aufkommen von Wirtschaftskrisen verbunden sind.
Bereits zu Beginn der Krise flammten Massenkämpfe in zahlreichen europäischen Ländern auf. Regierungen in Island, Belgien und Lettland mussten zurücktreten. Großbritannien, Frankreich, Italien und Ungarn erlebten Massendemonstrationen und Generalstreiks mit Millionen Teilnehmern. Weltweit ist ein allgemeiner Linkstrend unter den Massen zu beobachten. In Lateinamerika hat er nach dem Abflauen einer Länder übergreifenden revolutionären Gärung zu Beginn des Jahrtausends zur Wahl einer Reihe fortschrittlicher, zum Teil antiimperialistischer Regierungen geführt. In Nepal wurde der König revolutionär gestürzt und findet eine entfaltete Massenauseinandersetzung über den weiteren Weg der neudemokratischen Revolution auf dem Weg zum Sozialismus statt. Weltweit hat sich eine Tendenz zur Hinwendung wachsender Teile der Massen zum Sozialismus entwickelt. Der internationale Linkstrend äußert sich jedoch noch hauptsächlich in einer Kritik der breiten Massen an den kapitalistischen Verhältnissen und der Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative. Selbstredend ist er nicht frei von linksreformistischen und revisionistischen Illusionen. Erst mit der breiten Entfaltung des proletarischen Klassenkampfs und dem Fertigwerden mit der kleinbürgerlich-reformistischen und der kleinbürgerlich-revisionistischen Denkweise im Massenumfang kann dieser Linkstrend zu einer revolutionären Kraft erwachsen. In dem Maße, wie sich die ökonomischen und politischen Massenkämpfe entwickeln, wie es zu offenen Klassenauseinandersetzungen mit dem Staatsapparat kommt, entfaltet sich das Potenzial einer revolutionären Weltkrise.
In Deutschland werden mit der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 6. Mai 2008 verabschiedeten „Sicherheitsstrategie für Deutschland“ die Vorbereitungen auf die Lage eines permanenten relativen Kriegszustands verstärkt. Für die umfassende Militarisierung der gesamten Außen- und Innenpolitik soll die Bildung eines „Nationalen Sicherheitsrats“ analog zu den USA dienen. Mittlerweile wurde im Bundesnachrichtendienst ein Krisenstab eingerichtet, weil „die Krise sich zur größten Gefahr für die weltweite Sicherheit“ entwickle.22 Zum einen wollen die Herrschenden „deeskalierend“ auf die Entfaltung des Klassenkampfs einwirken. Zum anderen rechnen sie mit einem Aufschwung der Kämpfe der Arbeiterklasse, auf die sie sich mit ihrer Faschisierung des Staatsapparats einstellen.
In diesem Zusammenhang verändert sich auch die Taktik des Monopolkapitals gegenüber den Neofaschisten. Sie werden durch die Ablehnung eines Verbotsantrags durch CDU-Bundesinnenminister Schäuble zu einer Aktivität ermuntert, in der ihr Charakter als offen terroristischer Stoßtrupp gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung deutlicher zutage tritt. Am 1.Mai 2009 gingen die Faschisten unter Duldung des Staatsapparats erstmals seit dem II. Weltkrieg konzentriert gegen gewerkschaftliche Kundgebungen und Demonstrationen vor. Höhepunkt ihrer Aggression war in Dortmund, wo 300 Neofaschisten die Demonstration mit Steinen und Knallkörpern überfielen.
Derart tiefe gesellschaftliche Krisen sind immer mit der Polarisierung des Kampfs zwischen opportunistischen und revolutionären Strömungen in der Arbeiterbewegung verbunden. Der Kampf zwischen der proletarischen und der kleinbürgerlichen Denkweise in der Arbeiter- und Volksbewegung entfaltet sich. Die rechte Gewerkschaftsführung vertritt eine Linie des offenen Klassenverrats und des Sozialchauvinismus. Während Millionen von Arbeitern und Angestellten sich Sorgen um ihre Zukunft machen, initiierte der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber eine „Zukunftsvereinbarung“, die die Arbeiter auffordert, in der Krise „weiter zum Unternehmen zu stehen“.23 Angeblich um Arbeitsplätze zu sichern, stellte der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, sogar Öffnungsklauseln in Tarifverträgen und damit eine freiwillige Reduzierung der Löhne in Aussicht.
Insbesondere für revolutionäre Situationen, deren Heranreifen bei zunehmender Dauer der jetzigen Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der Entfaltung des Klassenkampfs zur unmittelbaren Realität werden kann, ist es für das revolutionäre Proletariat von grundlegender Bedeutung, einen klaren Trennungsstrich zum Opportunismus zu ziehen. Lenin führt dazu aus:
„Die objektive Lage in Europa ist so, dass in den Massen die Enttäuschung, die Unzufriedenheit, der Protest, die Empörung und die revolutionäre Stimmung, die auf einer bestimmten Entwicklungsstufe ungeheuer rasch in die Tat übergehen kann, im Anwachsen begriffen sind. Die Frage steht jetzt praktisch so und nur so: Soll man das Wachstum und die Entwicklung revolutionärer Aktionen gegen die eigene Bourgeoisie und die eigene Regierung fördern oder die revolutionäre Stimmung hemmen, ersticken, beschwichtigen. Um dieses zweite Ziel zu erreichen, werden (und müssen vom Standpunkt ihrer Interessen) sich die liberalen Bourgeois und die Opportunisten zu allen erdenklichen ,linken‘ Schlagworten bereitfinden, werden sie … alle möglichen Reformen, kurzum alles versprechen, was man will, nur um zu verhindern, dass die Massen mit ihren opportunistischen Führern brechen und zu immer ernsthafteren revolutionären Aktionen übergehen.“ (Über die Lage der Dinge in der russischen Sozialdemokratie, Lenin, Werke, Bd.21, S.284)
Ein neuer Aufschwung des Kampfs für den Sozialismus erfordert eine Kraft, die dem internationalen Finanzkapital und seinem imperialistischen Weltsystem überlegen ist. Die Herausbildung einer strategischen Überlegenheit der revolutionären Arbeiterbewegung kann nur auf dem Weg des proletarischen Internationalismus geschehen, der Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse auf der ganzen Welt im Bündnis mit den breiten Massen der Klein- und Mittelbauern sowie der kleinbürgerlichen Intelligenz und dem antiimperialistischen Kampf der Völker und Nationen.
Bei allen Unterschieden in den historischen und kulturellen Eigenheiten sowie der sozialen und politischen Bedingungen in den einzelnen Ländern, die in der jeweiligen nationalen Strategie und Taktik Berücksichtigung finden müssen, braucht die internationale sozialistische Revolution auch eine gemeinsame Kampffront. Sie muss die einzelnen Klassenkämpfe und die demokratischen und fortschrittlichen Massenbewegungen zu einer international überlegenen Macht gegen das imperialistische Weltsystem zusammenführen. Das erfordert die Existenz starker autonomer marxistisch-leninistischer Parteien in den einzelnen Ländern, die aus der revisionistischen Entartung der alten kommunistischen Bewegung wirksame Schlüsse gezogen haben, die ideologisch-politisch klar, im Klassenkampf gestählt und aufs engste mit der Arbeiterklasse und den breiten Massen verbunden sind.
Auf der materiellen Grundlage der Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise wächst die Einsicht und Bereitschaft zum internationalen Zusammenschluss der revolutionären Kräfte. Inzwischen beteiligen sich bereits über 60 Organisationen an der Initiative zum Aufbau einer internationalen Organisationsform zur Koordinierung der Aufgaben im marxistisch-leninistischen Parteiaufbau und Klassenkampf, der ICOR.
In der länderübergreifenden Koordinierung und Revolutionierung des internationalen Klassenkampfs und der gegenseitigen Unterstützung im Parteiaufbau wird sich der Weg Bahn brechen für die schöpferische Lösung der Allgemeinen Krise des Kapitalismus: die Vorbereitung und Durchführung der internationalen Revolution und die Erkämpfung einer von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen befreiten sozialistischen Gesellschaft – mit der Perspektive der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt!