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Wer erzieht die Jugend?

Besonders scharf stellte sich die Frage im Erziehungswesen: Die Arbeiter und Bauern schickten Kollegen zum Studium auf die Hochschule. Viele kamen gar nicht an, denn mit Beziehungen ergatterten immer noch meistens Bürgersöhne oder Kinder gewisser Funktionäre die wenigen Studienplätze. Zurück kamen die jungen Leute nicht als ausgebildete Kämpfer für den Sozialismus – sondern als eingebildete, ehrgeizige Spezialisten. „Die Schule besuchen, um sich einen Namen zu machen“, und: „Aus der Schule hervorgehen als Spezialist, als hochgestellte Persönlichkeit, die in der gesellschaftlichen Rangordnung hervorragende Ämter bekleiden und viel Geld verdienen wird“ – das war das Motto von Jiang Nanxing, dem Rektor der Pekinger Universität bis zur Kulturrevolution.

Wie sollte unter diesen Bedingungen der Sozialismus aufgebaut werden? Es war so, wie der REVOLUTIONÄRE WEG 19 schreibt: „Die sozialistische ökonomische Basis kann sich so lange nicht konsolidieren, wie im Überbau, in Verwaltung, Regierung und Partei, in Theater, Presse und Kultur nicht die Interessen der Arbeiter und Bauern die Politik bestimmen.“

Die „Basis“, das ist das sozialistische Eigentum. Doch ohne wirkliche Kontrolle der Arbeiter über alle Bereiche der Gesellschaft wird das ein leerer Spruch: Was nützt es, wenn am Fabriktor steht „Volkseigener Betrieb“ und drinnen herrscht ein bürokratischer Betriebsdirektor und jeder Arbeiter schafft nur für sich? Da mußte es früher oder später zu einem Zusammenstoß kommen. Mao Tsetung und viele Kommunisten in China wußten: Es nutzt nichts, einzelne Vertreter dieser revisionistischen Linie abzusetzen. Es kommt auf das Bewußtsein der großen Masse an.

1964 bereits spitzten sich die Widersprüche zu. Die Peking-Oper wurde aufs Korn genommen. Statt alter Kaiser und Könige sollen die Arbeiter, ihr Leben und ihr Kampf auf die Bühne. Dabei sollten die überlieferten künstlerischen Formen bewahrt und mit neuen Inhalten verbunden werden. Die moderne, revolutionäre Peking-Oper entstand.

Aber der Widerstand der Herrschaften mit Privilegien formierte sich.

Die Diskussion entzündete sich an dem Theaterstück „Hai Jui wird entlassen“. Verpackt in die historische Sage von den Beamten Hai Jui, der den Kaiser kritisiert und zu Unrecht entlassen wird, verfolgte der stellvertretende Bürgermeister von Peking, Wu Han, politische Ziele. Wu Han, ein Vertrauter des damaligen Staatspräsidenten Liu Shaoqi, hatte das Stück auf die Absetzung von Funktionären 1959 durch das Zentralkomitee der KP Chinas gemünzt.