Interview mit Gabi Fechtner

Interview mit Gabi Fechtner

„Offensiv-Modus“ contra Krisenwahlkampf der bürgerlichen Parteien

Die Redaktion der Rote Fahne-News sprach mit Gabi Fechtner, der Vorsitzenden der MLPD, über einen ungewöhnlichen Wahlkampf.

„Offensiv-Modus“ contra Krisenwahlkampf der bürgerlichen Parteien
Gabi Fechtner beim Wahlkampfauftakt in Hannover

Rote Fahne: Hast du schon mal einen solchen Wahlkampf erlebt?

Gabi Fechtner: Es ist einmalig, dass mitten im Bundestagswahlkampf ein solches Krisengeschehen über die Bundesregierung und ihre Monopole hereinbricht. Bisher gelang es den bürgerlichen Politikern meistens, im Bundestagswahlkampf die Situation einigermaßen zu stabilisieren und sich als geschickte Krisenmanager darzustellen. Diesmal haben wir es mit einer offenen Krise der Wahlkampagne von CDU/CSU zu tun. Mittlerweile fordern 70% der Anhänger von CDU/CSU, dass deren Kandidat Laschet kurz vor der Wahl ausgetauscht wird. Nur noch 11% der Befragte in einer Erhebung von statista.com würden Laschet als Kanzler wählen, wenn eine Direktwahl des Bundeskanzlers möglich wäre. 

Es gibt eine offene Krise der militärischen Außenpolitik in Afghanistan, die globale Umweltkrise zeigt mit Hochwassern und Waldbränden ihr zerstörerisches Gesicht, die Weltwirtschafts- und Finanzkrise konnte entgegen den Ankündigungen von Wirtschaftsminister Altmaier nicht überwunden werden und die vierte Welle der Corona-Pandemie ist in vollem Gange. Durch Inflation und Reallohnverluste, Entlassungen und Kurzarbeit verschärft sich die soziale Lage vieler Arbeiter, Arbeitsloser und ihrer Familien. In dieser Situation schalten sich die Monopolverbände wie der BDI oder Gesamtmetall noch offener in den Wahlkampf ein und fordern, dass die Interessen der Monopole mit Schlagworten wie „Wirtschaftsnähe“ oder „industriepolitisch wichtigen Themen“ ins Zentrum der Bewerbung der Monopolparteien muss (BDI-Geschäftsführer Joachim Lang: "Wegkommen von Nebensächlichkeiten"). Das zeigt, wie weit die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus fortgeschritten ist.

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Rote Fahne: Da passen die Plakate der MLPD „Nur noch Krisen …“ ja voll in‘s Geschehen

Gabi Fechtner: Nicht nur die Darstellung der Krisen, sondern auch die Verankerung des Sozialismus als einzige Antwort darauf trifft den Nagel auf den Kopf! Wann soll man denn für den Sozialismus kämpfen, wenn nicht jetzt? Das Bewusstsein der Massen für den Kampf um den Sozialismus entwickelt sich auch auf der Grundlage, dass der Kapitalismus seinen Zenit überschritten hat und die Probleme der Massen nicht lösen kann. Es gilt zu verdeutlichen, dass wir die einzige Kraft sind, deren Perspektive sich nicht im Rahmen des Kapitalismus bewegt und die mit dem echten Sozialismus eine gesellschaftliche Alternative zu bieten hat. Das gilt für die großen bürgerlichen Parteien, die immer mehr Leute ablehnen und nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen. Zugleich gibt es diesmal eine sehr große Auswahl an kleineren Parteien, die sich als Alternative anbieten. Mag sein, dass manche davon berechtigte Einzelfragen aufwerfen, wie Tierschutz, Formen der direkten Demokratie o. ä. Aber das ist immer mit Illusionen verbunden, im Rahmen des Kapitalismus grundsätzlich etwas für die Masse der Leute erreichen zu können. Wir müssen die Leute fragen, was es bringen soll, eine der Parteien zu wählen, die an der kapitalistischen Grundrichtung nichts ändern und auch keine gesellschaftsverändernde Relevanz haben. Auch die Linkspartei und die DKP vertreten auf ihren Wahlplakaten nicht einmal mehr dem Wort nach den Sozialismus.

Rote Fahne: Aber die Diskussionen über den Sozialismus fordern natürlich auch den Antikommunismus heraus.

Gabi Fechtner: Ja! Mit den Plakatwänden (unter dem Label „GrünerMist“) gegen den Sozialismus und Herrn Laschets Wut gegen „die Ideologen“ scheinen sich die Reaktionäre verschiedener Coleur bemüßigt zu fühlen, den Sozialismus in diesem Wahlkampf anzugreifen. Der Sozialismus stößt auf Interesse und hat unter einem wachsenden Teil vor allem der Jugendlichen und jungen Leute einen positiven Namen. Zugleich kann diese Diskussion nie ohne die Losung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ geführt werden kann. Deshalb muss unser Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ noch stärker ins Zentrum unserer Arbeit gestellt werden. Ohne den Tiefgang und die Klarheit, die es vermittelt, werden die Leute nicht die richtigen Entscheidungen treffen. Dieses Buch darf bei keinem Einsatz fehlen. Auch bei jedem Verteilen der Wahlzeitungen oder Rote Fahne-Verkauf muss dieses Buch dabei sein und verkauft werden. 

Rote Fahne: Bist du über die Polarisierung gegenüber der MLPD im Wahlkampf überrascht?

Gabi Fechtner: Nein, denn durch die Überwindung unserer relativen Isolierung nahm und nimmt die Bekanntheit der MLPD deutlich zu. Der Boden unter einer wachsenden Minderheit ist da, die ausdrücklich aufgeschlossen und interessiert an der MLPD ist und unsere Arbeit zum Teil schon seit einiger Zeit mit Respekt verfolgt. Aber auch Reaktionäre fühlen sich herausgefordert, die uns besonders hassen. Und es gibt natürlich auch viele Leute, die mit der verstärkt verbreiteten kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise noch nicht fertig werden. Wir müssen also um jede Stimme kämpfen. Die verstärkten Repressalien gegen die MLPD ausgehend von Geheimdiensten und Innenminister Seehofer mit der Gefährder-Anzeige und Fahndungsausschreibung gegen Stefan Engel, den Konten-Kündigungen, dem Verbot des Rebellischen Musikfestival nach dem erfolgreichen Wahlkampfauftakt in Hannover zeigen: Die Herrschenden beobachten, dass wir stärker werden und versuchen uns nach Strich und Faden zu behindern. Alles was wir tun muss erkämpft werden. Das Übermonopol VW diktiert in bisher einmaliger Manier in der größten Industriearbeiterregion Europas in Südniedersachsen der Polizei und den Gerichten, wie sie in und vor den Betrieben gegen die MLPD vorzugehen haben. Diese Leute sind also höchst nervös. Mit unserem Offensivmodus konnten wir in diesen Kämpfen wichtige Erfolge erzielen. Das gilt auch gerade für die persönliche Auseinandersetzung unter den Massen. Es kommt jetzt darauf an, jedes Gespräch damit anzufangen, Entscheidungen herauszufordern.

Rote Fahne: Worum geht es da besonders?

Gabi Fechtner: In der heißen Phase rückt die Entscheidung, Internationalistische Liste / MLPD zu wählen, um eine gesellschaftsverändernde Bewegung zu stärken, besonders ins Zentrum. Natürlich gehört dazu auch die Entscheidung, aktiv in einer Wählerinitiative mitzuarbeiten, sich für die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ einzutragen, unser neues Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ zu kaufen, zu spenden und sich zu organisieren. Es gibt eine deutliche Abwendung von den bürgerlichen Parteien.

Rote Fahne: Der Wahlkampf hat ja immer so seine eigenen bürgerlich-parlamentarischen Regeln, wie gehen wir damit um?

Gabi Fechtner: Wir machen eine Art Anti-Wahlkampf gegen den bürgerlichen Parlamentarismus. Schließlich sollen die Leute damit fertig werden und nicht neue Illusionen gewinnen. Es bedeutet einen intensiven Kampf um die Denkweise, den Leuten zu helfen, mit den charakteristischen Erscheinungen dieser kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise fertig zu werden: So dem Sog, das kleinere Übel zu wählen, eine Partei zu wählen, um die andere zu verhindern oder aus Frust und Resignation gar nichts mehr zu tun. Dazu gehört auch, die Behinderungen des bürgerlichen Parlamentarismus mit der 5%-Klausel, der sogenannten „abgestuften Chancengleichheit“ usw. anzugreifen.

Es ist peinlich für dieses System, was für ein Personal es mit Laschet, Scholz und Baerbock auffährt, und welche verlogene Programmatik sie den Leuten liefern. Keiner von denen traut sich klar zu sagen, was sie nach der Wahl machen werden. Es werden Dinge versprochen, die diese Parteien schon längst hätten umsetzen können – sie sind doch seit Jahrzehnten an der Macht. Die Glaubwürdigkeit dieser Leute ist auf einem Tiefstpunkt angelangt und das gilt es, prägnant und angriffslustig deutlich zu machen!

Rote Fahne: Vielen Dank für das Interview!