Rote Fahne 07/2021
Gib Antikommunismus keine Chance!
Im Juni 2020 trat die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ erstmals an die Öffentlichkeit. Unterstützt wird sie inzwischen von tausenden Marxisten-Leninisten, in- und ausländischen Revolutionären, aber auch Gewerkschaftern, Antifaschisten, Umweltaktivisten, Mitgliedern der Linkspartei, Christen, Tierschutz-Aktivisten, Wissenschaftlern, Sportlern, Künstlern, couragierten Frauen, rebellischen Jugendlichen und vielen mehr.1
Ihr gemeinsames Ziel ist es, den Antikommunismus gesellschaftlich zu ächten. Denn: Der Antikommunismus verteufelt jede gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus. Im Aufruf der Bewegung heißt es: „Wir sind demokratisch gesinnte Menschen verschiedenster politischer Richtungen. Der Antikommunismus ist zutiefst antidemokratisch. Er verteidigt den Kapitalismus mit all seinen Folgen als ‚alternativlos‘. Er will soziale Protestbewegungen und antifaschistischen Widerstand systemkonform zähmen. Dazu sagen wir: NEIN!“
Ein rumänischer Arbeiter aus den Fleischfabriken von Tönnies unterschrieb in Gütersloh mit der Bemerkung: „In Rumänien wird viel diskutiert, auch, dass man eine Revolution machen muss.“ Ein Kollege von Daimler in Düsseldorf hob hervor: „Ihr seid immer da, auf der Seite der Arbeiter, da ist es doch natürlich, dass ich als Arbeiter gegen eure Unterdrückung unterschreibe.“ Und Professor Norman Paech aus Hamburg, langjähriger Vorsitzender der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, schreibt: „Ich habe mich bisher zwar in eher sozialistisch / sozialdemokratischen Parteien engagiert, aber weiß auch, dass der Antikommunismus eine der großen Torheiten unserer Gesellschaft ist. Ich unterzeichne gerne.“
Zugleich kommen auch viele Bedenken und Fragen auf den Tisch: „Antikommunismus, gibt es den heute überhaupt noch?“ Tatsächlich bezeichnen sich manche Antikommunisten nicht mehr offen so, weil dieser Begriff negativ belegt ist. Moderne Antikommunisten nenen sich lieber „undogmatisch“, „ideologiefrei“ oder „aufgeklärte Linke“. Die begriffliche Manipulation zeigt, dass der Antikommunismus selbst in der Krise steckt und sich dem sogenannten Zeitgeist anzupassen versucht. Dazu kann man in der reaktionären Springer-Zeitung Die Welt lesen: „Der Vorwurf, ein ‚Antikommunist‘ zu sein, (ist) wieder ins propagandistische Arsenal … zurückgekehrt. Wen er trifft, dem hängt das Odium des ewig gestrigen Reaktionärs an. … Zugegeben, ganz glücklich kann man nicht damit sein, sich diesen Begriff zu eigen zu machen.“ Stattdessen solle man ihn als „selbstbewusster demokratischer Antikommunismus“ ausgeben.2
Der Antikommunismus ist aber weiterhin alles andere als „undogmatisch“, „demokratisch“ oder „aufgeklärt“. Er ist im Unterschied zum wissenschaftlichen Sozialismus zutiefst dogmatisch, weil er den überkommenen Kapitalismus und seine bürgerliche Ideologie mit Zähnen und Klauen verteidigt. Er ist undemokratisch und verhängt Denkverbote.
Brennpunkt Großbetriebe
In Großbetrieben warnen Geschäftsleitungen, manchmal auch verbunden mit antikommunistischen Gewerkschaftsfunktionären oder Betriebsräten, oft vage vor „Extremisten“ oder „Gewerkschaftsfeinden“, die nur „ihr Süppchen“ auf Kosten der Belegschaften kochen würden. Das erzeugt einen starken Druck auf die Kolleginnen und Kollegen, die es eigentlich gut finden, was die Marxisten-Leninisten machen, sich aber oft noch nicht trauen, dem antikommunistischen Gegenwind entgegenzutreten.
Die antikommunistische „Extremismus“-Doktrin und die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IG-Metall-Führung gegen die MLPD spalten die Gewerkschaftseinheit. Die Position der Marxisten-Leninisten gehört untrennbar zur Gewerkschaftsbewegung. Sie treten selbstlos und mit Rückgrat konsequent für Arbeiterinteressen ein. Ihr Eintreten für eine positive Gewerkschaftsarbeit und für den echten Sozialismus gibt den gewerkschaftlichen Aktivitäten eine kämpferische Perspektive – auch über den Kapitalismus hinaus. „Gib Antikommunismus keine Chance!“ sollte zur Losung jedes aktiven Gewerkschafters werden!
Antikommunismus – Leitlinie der Herrschenden
Die ganze bürgerliche Politik ist heute antikommunistisch ausgerichtet. An diesem Punkt sind sich Merkel, Scholz, Habeck und die Unternehmerverbände einig – alle Gegner der fortschrittlichen Anliegen in Deutschland. Als Bodo Ramelow in Thüringen Ministerpräsident werden wollte, musste er vorher unterschreiben, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“ gewesen sei und dass er mit keiner Organisation zusammenarbeiten werde, die das anders sieht.3
Während er für den modernen Antikommunismus steht, hat sich mit der weltweiten Rechtsentwicklung eine Renaissance der offen aggressiven Spielarten des Antikommunismus entwickelt. Ihr führender Propagandist war zuletzt Ex-US-Präsident Donald Trump. Seine Warnungen, dass Joe Biden und die bürgerliche Oppositionspartei der Demokraten eine „kommunistische Regierungsform“4 anstrebten, konnte seine Abwahl nicht verhindern. Bei den 16- bis 39-Jährigen hat die Sympathie für den Sozialismus in den USA innerhalb eines Jahres deutlich zugenommen.5 Das ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die antikommunistischen und faschistischen Tiraden von Trump.
Die antikommunistische Ausrichtung der bürgerlichen Politik ist Ausdruck ihrer Furcht vor der Zuwendung der Massen zu einer revolutionären Alternative. Der Europarat begründete seinen Beschluss zu einer europaweit koordinierten antikommunistischen Kampagne 2004 mit den Worten: „Wenn wir dies nicht tun, könnte sich ein Gefühl der Nostalgie in den Köpfen der jüngeren Generation als Alternative zur liberalen Demokratie festsetzen.“ 6
Doch der Sozialismus / Kommunismus ist keine „Nostalgie“. „Der Sozialismus ist die Zusammenfassung der fortgeschrittensten Ideen und Errungenschaften der Menschheit. Er ist kein ausgedachtes Schema und schon gar keine Gleichmacherei, sondern erwächst aus dem vielfältigen Leben und Kampf der Massen. Er ist der nächste notwendige gesellschaftliche Schritt vorwärts“, so heißt es im Programm der MLPD.
Antikommunismus, Faschismus und Rassismus
Die meisten Menschen sind heute klar gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus. Um diese reaktionären Formen der bürgerlichen Ideologie überzeugend zu schlagen, muss man sich aber auch vom Antikommunismus freimachen.
Deshalb wurde im Herbst 2020 die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance“ von der MLPD um die Losung erweitert: „Gib Antikommunismus, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance!“ Das wird auch kritisch diskutiert. So meint ein Unterstützer der Bewegung gegen den Antikommunismus: „Man kann nicht beides auf eine Stufe stellen. Der Antikommunismus richtet sich gegen eine Weltanschauung. Der Rassismus ist Produkt von Menschenfeindlichkeit.“ Natürlich ist beides nicht dasselbe, aber auch der Rassismus ist zunächst eine menschenfeindliche Weltanschauung, die Menschen anderer Herkunft, Kultur oder Hautfarbe für minderwertig hält. Und auch der Antikommunismus ist es. Ist es nicht zutiefst menschenfeindlich, wenn unter anderem auf den Philippinen heute Menschen gejagt und dutzendweise ermordet werden, weil sie Kommunisten sind oder als solche bezeichnet werden?
Die gesellschaftliche Wurzel von Rassismus und Antikommunismus liegt heute im Imperialismus, der die Massen zur Aufrechterhaltung seiner Herrschaft spalten will und ihre Ausbeutung und Unterdrückung in vielen Fällen rassistisch rechtfertigt. Dabei kann der Rassismus vielfältigste Formen annehmen und sehr oft ist er mit Antikommunismus verbunden. Auf die Spitze getrieben hat der Hitler-Faschismus diese Verbindung mit der Erfindung einer „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ gegen die „arische Rasse“. Auch die Verbreitung der antikommunistischen Kampfbegriffe „Stalinismus“ und „Maoismus“ bedient sich rassistischer Vorbehalte. So nennt der Antikommunist Alexander Solschenizin in seinem Buch „Archipel Gulag“ Stalin einen „asiatischen Diktator“. Gegen das früher sozialistische China wurde jahrzehntelang als „gelbe Gefahr“ getrommelt.
Der Antikommunismus ist die Quintessenz aller reaktionären Ideologien, weil er sich gegen jede wirklich fortschrittliche Bestrebung richtet, wie den Kampf um die Befreiung der Frau oder zur Rettung der Umwelt. Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus kann deshalb nur auf der Grundlage des Kampfs gegen den Antikommunismus konsequent geführt werden! Im Kampf gegen den Rassismus und Antikommunismus stärkt sich der fortschrittliche Stimmungsumschwung.
Antisemitismus – übelster Rassismus
Eine besonders üble Form des Rassismus ist der Antisemitismus. Seit dem Völkermord an Millionen Juden durch den Hitler-Faschismus ist der Antisemitismus in Deutschland weitgehend geächtet. Aber mit der Rechtsentwicklung und der Förderung der AfD nimmt er wieder zu.
Die Weltanschauung der Arbeiterklasse ist unvereinbar mit Antisemitismus. Alle Vorkämpfer des wissenschaftlichen Sozialismus haben den Antisemitismus bekämpft, so wie es die MLPD seit ihrer Gründung macht. Lenin sagte in einer Rede im Jahr 1919: „Antisemitismus nennt man die Verbreitung von Feindschaft gegen die Juden. … Nur völlig unwissende, völlig verschüchterte Menschen können den gegen die Juden verbreiteten Lügen und Verleumdungen Glauben schenken. … Nicht die Juden sind die Feinde der Werktätigen. Die Feinde der Arbeiter sind die Kapitalisten aller Länder.“ 8
Die Lüge vom „linken Antisemitismus“
Eine neue Variante des Antikommunismus ist die Legende vom linken Antisemitismus. Sie diffamiert jede berechtigte Kritik an der imperialistischen Politik Israels gegenüber dem palästinensischen Volk als Antisemitismus. Die kommunistische Freiheitsideologie lehnt es prinzipiell ab, Menschen verschiedener Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Nationalität unterschiedlich zu behandeln. Wer einen linken Antisemitismus behauptet, verharmlost den wirklichen, reaktionären Antisemitismus.
Selbst der antikommunistische „Verfassungsschutz“ konnte trotz akribischer Suche bei antisemitischen Straftaten im Jahr 2019 nur 0,3 Prozent angeblichen „Linken“ zuordnen.
Allerdings wächst die Kritikbewegung gegen die penetrante Unterdrückung jeder Kritik an der Politik der Regierung des imperialistischen Staates Israel. „Linke können schlicht nicht antisemitisch sein, und wenn sie es sind, dann sind sie auch keine Linken mehr“, schreibt der israelisch-deutsche Soziologe Moshe Zuckermann in einem kritischen Artikel über die Resolution der Linkspartei zum Antisemitismus.9
Für eine breite Bewegung gegen Antikommunismus!
Beim Unterschriftensammeln für die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ in Ostdeutschland kam immer wieder der Spruch: „Das hatten wir schon 40 Jahre!“ Ein Aktivist der Unterschriftensammlung wertet aus: „Erst haben wir da ziemlich defensiv geantwortet, uns verteidigt. Wir haben das ausgewertet und dann als Antwort entwickelt: Wir lassen nicht zu, dass der Antikommunismus alle positiven Ansätze des Sozialismus in den Dreck zieht und die ostdeutsche Bevölkerung bis heute dafür bestrafen will, dass man diesen Versuch gewagt hat. Wir verurteilen aber auch den Verrat am Sozialismus durch eine neue bürokratische Kapitalistenklasse in der DDR. Dadurch wurden viele Menschen umgestimmt.“
Ein Genosse berichtet vom Warnstreik im Betrieb: „Ich bin auf einen Betriebsrat zugegangen und habe gesagt: ‚Wir haben ja öfter Meinungsverschiedenheiten, aber gegen den antikommunistischen Maulkorb müssen wir zusammenhalten.‘ Das hat gewirkt und neun umstehende Kollegen unterschrieben gleich mit!“ Eine Genossin wertet aus: „Einer sagte, dass es doch noch viel zu wenige sind, die hier mitmachen. Das wichtigste Argument war dann, dass es deshalb auch auf ihn ankommt, um das zu ändern.“
Es gibt auch Leute, die sagen: „Ich bin zwar gegen Antikommunismus, unterstütze aber nicht die MLPD.“ Man muss als Gegner des Antikommunismus nicht die MLPD unterstützten – aber wer wirklich gegen Antikommunismus ist, muss auch mit allen seinen Varianten fertigwerden. Sonst lässt man ihm Spielraum. Es ist nun einmal so, dass die MLPD in Deutschland im Zentrum der antikommunistischen Attacken steht. Dass Stefan Engel, der Leiter ihres theoretischen Organs, aus reinem Antikommunismus als „Gefährder“ eingestuft wurde. Dass die IG Metall Unvereinbarkeitsbeschlüsse hat, die sich links nur noch gegen die MLPD richten. Oder dass bei FFF eine Unterdrückungskampagne gegen die MLPD losgetreten wurde, die ihr selbst das Zeigen ihrer Parteifahnen verweigern wollte. Die MLPD wird gerade deshalb so bekämpft, weil sie konsequent ist, weil sie den Dingen radikal an die Wurzel geht, weil sie sich nicht dem bürgerlichen Mainstream unterwirft und klare Kante gegen den Antikommunismus zeigt.
Die Bewegung gegen den Antikommunismus verbreitert sich, verbindet sich auch mit Initiativen wie gegen die Berufsverbote, die von der SPD-Regierung unter Willy Brandt eingeführt wurden. Sie muss aber erst noch zu einer wirklichen Massenbewegung werden, die nachhaltig Einfluss auf das gesamtgesellschaftliche Klima nimmt. Die Bedeutung und die Möglichkeiten dafür wachsen angesichts der sich rasant vertiefenden neuen Vertrauenskrise in die Regierung und die bürgerliche Politik.
Im Kampf gegen die antikommunistische Demagogie verkörpern die MLPD und ihre Mitglieder ein lebendiges Bild vom echten Sozialismus und der kommunistischen Freiheitsideologie. Die Internationalistische Liste/MLPD bereitet in Verbindung mit der Bundestagswahl und der Thüringer Landtagswahl im September eine taktische Offensive gegen den Antikommunismus und für den echten Sozialismus vor.