Monika Gärtner-Engel

Monika Gärtner-Engel

150 Jahre Pariser Kommune

Rede bei der Feier zu 150 Jahre Pariser Kommune

Von Monika Gärtner Engel
150 Jahre Pariser Kommune
Monika Gärtner-Engel (links im Bild)

Liebe Horsterinnen und Horster,

liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Genossinnen und Genossen rund um die Welt!

Die Pariser Kommune schlug auf den Tag genau vor 150 Jahrenein neues Kapitel in der Geschichte der Menschheit auf:

Die Befreiung der arbeitenden Masse der Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung - aus einer für die Massen elenden Situation des für Frankreich verlorenen Krieges heraus.

Eine Befreiung nicht in ausgeklügelten Modellprojekten der utopischen Sozialisten, sondern mitten im Kampf ums Überleben, in der widerspruchsvollen Realität, in Paris.

150 Jahre Pariser Kommune

Die 72 Tage der Kommune waren Tage bis dahin nicht gekannter sozialer und politischer Rechte für die werktätigen Menschen.

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Rote Fahne Magazin

Friedrich Engels und die Pariser Kommune

Eine Befreiung - nicht in der Verheißung eines paradiesischen Jenseits - sondern ganz diesseitig im wirklichen Leben erstritten, erkämpft und durchgesetzt.

Zum ersten Mal verwirklichte in diesem März 1871 die Pariser Kommune die Herrschaft der noch jungen Arbeiterklasse – im Bündnis mit den armen Schichten der städtischen Bevölkerung.

Zum ersten Mal erlebte die von Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest dargelegte Idee der Befreiung der Arbeiterklassefür 72 Tage in Paris ihre Verwirklichung. Und ihr zukunftsweisendes Erbe lautet:

Mögen die Herrschenden auch zittern -wir nehmen unser Schicksal in die eigene Hand:

"– die Kommune lebt ! Vive la Commune!"

Lenin wertete 40 Jahre später, auch als Vorbereitung auf die spätere Oktoberrevolution aus:

"Die Kommune entstand spontan; niemand hatte sie bewusst und planmäßig vorbereitet.

Die Niederlage im Krieg gegen Deutschland, die Leiden während der Belagerung, die Arbeitslosigkeit unter dem Proletariat, und der Ruin des Kleinbürgertums; die Entrüstung der Massen über die oberen Klassen und über die Behörden, die ihre völlige Unfähigkeit erweisen hatten ...

all das traf zusammen, um die Pariser Bevölkerung zur Revolution des 18. März zu treiben, die die Macht unerwartet in die Hände der Nationalgarde gab, in die Hände der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums, das sich der Arbeiterklasse angeschlossen hatte."

Paris war belagert, Hunger und Arbeitslosigkeit waren an der Tagesordnung.

Dennoch hatten Marx und Engels einen Aufstand in Paris noch für verfrüht gehalten, weil die Arbeiterklasse noch wenig organisiert war und neben den Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus auch viele kleinbürgerliche, utopische und anarchistische Ideen verbreitet waren.

Liebe Freunde und Genossen!

Wir gedenken als Revolutionäre historischer Ereignisse der revolutionären und Arbeiterbewegung immer mit dem Blick auf unser heutiges Leben, auf unseren heutigen und zukünftigen Kampf.

Von den Anti-Kommune-isten wird die Pariser Kommune in Deutschland auch heute meist totgeschwiegen.

Nach der Roten Fahne, der jungen welt und dem Neuen Deutschland war gestern die Neue Osnabrücker Zeitung die erste bürgerliche Zeitung, die sich der Kommune erinnerte. Als „ein verblasster Mythos der Weltrevolution“ soll die Kommune dem Autor Dr. Lüddemann zufolge „eine abgeschlossene Geschichte“ sein. Bei Betrachtung der Fakten kann er sich dennoch der Faszination der Utopie einer neuen Gerechtigkeit“ nicht entziehen. Bleibt ihm nur Skepsis zu schüren:Die Pariser Kommune weckt tiefe Zweifel, weil sie ein Regime errichtete, das unter Freiheit Alleinherrschaft verstand.“

Allerdings: Die Alleinherrschaft des arbeitenden Volkes, der von ihm gewählten Abgeordneten und ihrer Regierung.

Das war ja gerade die welthistorische Dimension der Kommune, dass eben zum ersten Mal das zuvor über Jahrtausende unterdrückte arbeitende Volk die Macht hatte und die übergroße Mehrheit die ausbeuterische Minderheit -deren brutale Kriegspolitik sie gerade erlebt hatte und nie wieder erleben wollten - unterdrückte statt umgekehrt!

Wer soll denn, nach den Wünschendes Dr. Lüddemann, außer dem arbeitenden Volk noch an der Herrschaft beteiligt sein?

Die Kirchen, der Kaiser, der Adel oder das Kapital?Gesellschaften, in denen „Volksherrschaft“ auf dem Papier steht und real eine kleine Minderheit besitzender Klassen die Macht, die Diktatur ausübt, kennen wir zur Genüge.

Die Kommune war dagegen die Diktatur des Proletariats, das sich von den alles beherrschenden alten Mächten befreit hatte.

Die 72 Tage der Kommune von Paris zeigten die Entschlossenheit der Arbeiterbis zur Todesverachtung, Herzblut, Leidenschaft und Begeisterunggroßes organisatorisches Geschick und die Bewaffnung als Stärke –gleichzeitig bestand in der Überbewertung der Spontanität, der unausgereiften Situation in Gesamt-Frankreich und der weltweiten Arbeiterbewegung, im Fehlen einer revolutionären, fest verankerten Arbeiterpartei nicht nur in Frankreich, sondern weltweitund dem wilden weltanschaulichen Gemisch aus revolutionärer Kampfmoral, Anarchismus und Einflüssen des wissenschaftlichen Sozialismus die Achillesferse dieses Kampfes.

Die Regierung floh aus Paris mit ihren Truppen, ihren Beamten und ihrer Polizei nach Versailles; das Volk blieb und es blieb Herr der Lage. Dieses Pariser Proletariat, so unerfahren und unorganisiert es noch war, entwickelte in nur zehn Wochen Kommune eine Politik, die bis heute Inspiration und Vorbild ist. Das französische Wort Commune bedeutet im Deutschen Gemeinde oder Gemeinwesen.

Die Kommune organisierte die Stadt Paris als Gemeinwesen der Stadtbezirke, die Delegierte für den Gemeinderat wählten. Sie plante, das ganze Land über ein solches Delegiertensystem als Gemeinwesen zu organisieren. Die Kommune war noch kein Sozialismus, auch weil ihr die ökonomische Grundlage dafür in großer industrialisierter Produktion fehlte. Aber sie realisierte revolutionäre, demokratische Prinzipien der Volksmassen. Sie ersetzte das stehende Heer und die Polizei durch die allgemeine Volksbewaffnung. Sie erklärte die Trennung von Kirche und Staat und strich den Staatsetat für die Kirche. Sie erklärte die Volksbildung zu einer rein weltlichen Angelegenheit. Sie verbot die Nachtarbeit in den Bäckereien.Sie hob das System von Geldstrafen gegen Arbeiterinnen und Arbeiter auf. Sie stellte unverheiratete den verheirateten Frauen und uneheliche den ehelichen Kindern gleich.

Frauen spielten eine herausragende Rolle in der Kommune und organisierten proletarische Frauenbewegungen.

Die Kommune verfügte, dass alle stillgelegten oder vom Eigentümer verlassenen Betriebsstätten zur Wiederaufnahme der Produktion an Arbeitergenossenschaften zu übergeben waren.Die bahnbrechendste Errungenschaft, die den Keim der künftigen Gesellschaft der Diktatur des Proletariats enthielt, waren ihre Beschlüsse, was Abgeordnete und Beamte der neuen Gesellschaft gelten sollten.Die Kommune verfügte die Wählbarkeit, die Abwählbarkeit und die Rechenschaftspflicht aller Gewählten. Und sie klärte, dass die Gehälter der Gewählten wie der Verwaltungs- und Regierungsbeamten nicht einen normalen Arbeitslohn übersteigen durften.

Wer ist nicht die heutigen Korruptionsskandale der bürgerlichen Parteien und Politiker leid? Hunderttausende Euro für die Vermittlung von Masken. Vorteilnahme für die Genehmigung von Waffenexporte. Aserbaidschan-Connection in der CDU.

Die bürgerlichen Parlamentarier machen bis heute im groben Missbrauch des ihnen geschenkten Vertrauens aus den parlamentarischen Mandaten nicht nur eine Dienstleisterfunktion für die herrschenden Monopole, sondern möglichst auch noch ein persönlich lukratives Geschäft. Die MLPD hält es da mit der Kommune: Kein Berufspolitiker hier in dieser Horster Mitte verdient mehr als maximal einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn. Real liegt das Parteimaximum zur Zeit sogar deutlich darunter, bei 1160 € netto. In Wählerinitiativen verpflichten sich alle Kandidierenden, die Abgeordnetenvergütung vollständig bei Erstattung ihrer Auslagen abzugeben, Rechenschaft abzulegen und sich ggf einer Abwahl zu stellen.Es kann keinen Kompromiss geben zwischen bürgerlichem und proletarischem Parlamentarismus.

Entweder dient man der Arbeiterklasse, den Volksmassen und den Unterdrückten, dann selbstlos und bescheiden,oder man dient dem allein herrschenden internationalen Finanzkapital.Die beispielhaften Erfahrungen der Pariser Kommune fanden ihre Fortsetzung und Höherentwicklungin den Arbeiter- und Soldatenräten der russischen Revolution wie in den Kommunen des sozialistischen Chinas. Die Pariser Kommune war noch nicht so weit, auch die Nationalbank zu verstaatlichen und sie ging nicht gegen die geflohene bürgerliche Regierung in Versailles vor.

Das rächte sich bitter, als sich der französische bürgerliche Machthaber Adolphe Thiers mit dem Kriegsgegner Deutschland arrangierte, Deutschland 100 000 französische Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft entließ, um die Kommune in den letzten Mai-Tagendurch Massenmord im Blut zu ersticken.Marx und Engels begleiteten die Kommune mit Leidenschaft und Begeisterung, sie deckten auch ihre Schwächen auf;