Umwelt
Klimakrise? Globale Umweltkatastrophe droht!
Allein in Deutschland werden über 240 Demonstrationen zum „Globalen Klimastreiktag“ der Fridays-for-Future–Bewegung am 25. September organisiert. Die Umweltbewegung meldet sich weltweit wieder auf der Straße zurück. Höchste Zeit!
Ein aktiver Widerstand gegen den Übergang in eine Klimakatastrophe ist notwendig. Aber wer eine globale Umweltkatastrophe verhindern will, muss alle Hauptfaktoren und Wechselwirkungen der Zerstörung unserer natürlichen Umwelt beachten. Auch das Artensterben oder das Umkippen der Meere hätte nicht minder dramatische Folgen für Mensch und Natur. Nur systemisch und in einem gesellschaftsveränderndem Kampf können unsere natürlichen Lebensgrundlagen verteidigt werden!
Laut einer Umfrage des Washingtoner „Pew Research Center“ in 14 Ländern Europas, Asiens und Nordamerikas halten 70 Prozent der Befragten die Klimaerwärmung für eine „große Bedrohung“. In Deutschland sind es 69 Prozent.1 „Die ganze Menschheit ist in Gefahr“, solche und ähnliche Einschätzungen nehmen völlig zu Recht zu.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres wandte sich kurz vor der Generaldebatte der UN-Versammlung im September sorgenvoll an die „Weltmächte“ und mahnte: „Entweder stehen wir zusammen oder wir sind dem Untergang geweiht.“2 Er schlägt berechtigt Alarm. Aber sein Appell an die „Weltmächte“ ist vergleichbar mit dem Versuch des Feuerwehrmanns, einen Brand mit Hilfe notorischer Brandstifter zu löschen. Etwas anderes als grüne Rhetorik und unverbindliche Versprechungen ist von den imperialistischen Weltmächten nicht zu erwarten. Sie hintertreiben systematisch die notwendigen Maßnahmen – im Profitinteresse der internationalen Monopole. Das gilt nicht nur für die ultrareaktionären, faschistoiden Regierungen wie in den USA, Brasilien oder Bangladesch (siehe Seite 26), die den Raubbau an der Natur noch rücksichtsloser als bisher vorantreiben. Auch die Bundesregierung oder die EU folgen der Grundlinie: Umweltschutz nur, wenn die Profite stimmen.
„Verschnaufpause“? „Neubesinnung?“
Aufgrund der Weltwirtschafts- und Finanzkrise sowie der wochenlangen Corona-„Shutdowns“ wurden im April weltweit pro Tag 17 Megatonnen CO2 weniger ausgestoßen als zum gleichen Zeitpunkt 2019, als es noch 100 Megatonnen waren.3 Bürgerliche Medien bliesen schon ins Horn einer allgemeinen Entspannung der Umweltkrise: „Der Mensch hat Pause, der Planet atmet auf“, konnte man bei zeit-online lesen.4 Eine 17-jährige Schülerin aus Gelsenkirchen ist skeptisch: „Das sind doch nur Kleinigkeiten, weil es weniger Autoabgase gab. Viel hat sich dadurch nicht verändert.“ Die bürgerliche Meinungsmanipulation verdeckt gezielt die Gesamtentwicklung. Denn die atmosphärische Konzentration des Haupt-Treibhausgases CO2 stieg in dieser Zeit auf neue Rekordwerte. Zwar schätzt die Internationale Energieagentur (IEA), dass der CO2-Ausstoß aus fossilen Energiequellen im Jahr 2020 weltweit um etwa 8 Prozent sinken wird. Doch der Ausstoß ist immer noch so groß, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter ansteigt. Und CO2 verbleibt circa 100 Jahre in der Atmosphäre!
Als „grünen Neustart“ aus der Krise hat nun EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen „Green Deal“ der EU aus dem Hut gezaubert. In der dafür gegründeten „Green Recovery Alliance“ haben sich wahrhaft die größten „Umweltschützer“ des Kontinents versammelt. So 37 Vorstandsvorsitzende großer Konzerne wie Eon, Unilever, Nestlé, Suez Group, InnoEnergy und Danone. Wundert es da noch, dass sich der Inhalt ihres grün verpackten Pakets beim Auspacken als umfassende Subventionierung der EU-Monopole in Höhe von einer Billion Euro offenbart? Statt den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren, wollen ihn diese Herrschaften vornehmlich „kompensieren“. Für ein paar aufgeforstete Wälder darf die Kohleverbrennung auf Grundlage ihres „New Deal“ munter weitergehen. Mit solchen und anderen Tricks wie der unterirdischen CO2-Verpressung (CCS) will von der Leyen die EU angeblich bis 2050 „klimaneutral“ machen. Ein einziges Ablenkungsmanöver von der Notwendigkeit, die Kohleverbrennung sofort drastisch zu reduzieren und so schnell wie möglich zu beenden, sowie den klimaschädlichen Individualverkehr durch entschiedenen Ausbau öffentlicher Verkehrssysteme zu ersetzen. Ein solcher „Green Deal“ ist vor allem ein „Deal“ – ein Geschäft – zur Gewährleistung der Maximalprofite der Konzerne. Gemeinsam mit ihnen und über solche Deals wird es keine Rettung der Umwelt und der Zukunft der Menschheit geben. Im Gegenteil. Im Windschatten dieser Propaganda fordern viele dieser Monopole sogar die Rücknahme umweltpolitischer Zugeständnisse. So werden Weltwirtschafts-, Finanz- und Corona-Krise zum Motor einer weiteren drastischen Verschärfung der Umweltkrise.
Wesentliche Veränderungen und Kipppunkte
„Die Klimaerwärmung wird immer schlimmer“ – das erleben die Menschen immer unmittelbarer. Unterschätzt werden oft noch die anderen Hauptfaktoren der weltweiten Umweltkrise, weil sie in den Medien ausgeblendet werden oder noch nicht so drastisch erfahrbar sind. Grünen-Funktionärin und FFF-Aktivistin Luisa Neubauer betont ausdrücklich. dass es nur darum gehe, „die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abzuwenden.“ 5 Doch selbst wenn es gelänge, durch umgehenden Stopp der Kohleverbrennung und Reduzierung des gesamten Ausstoßes klimaschädlicher Gase besonders drastische Auswirkungen zeitweise „einzudämmen“ – was ist dann mit den umkippenden Meeren, was mit dem Artensterben, was mit der tickenden Zeitbombe der Atomkraft? Bereits 2013 analysierte die MLPD, dass sich neun hauptsächliche Faktoren des Übergangs in eine globale Umweltkatastrophe entwickelt haben, von denen bereits jeder für sich das Potenzial hat, die Existenzgrundlagen der Menschheit zu vernichten.
- Zerstörung der Ozonschicht: Die von den internationalen Chemiemonopolen entwickelten FCKW-Ersatzstoffe schädigen, wenn auch geringer, immer noch die Ozonschicht. Erst bis 2030 will die EU deren Ausstoß um 80 Prozent verringern. Im März 2020 entstand das bisher größte Ozonloch6 über der Arktis von einer Million Quadratkilometer.
- Beschleunigte Vernichtung der Wälder: Laut WWF 7 hat die Regenwald-Zerstörung in Brasilien, Indonesien und Kongo während der Corona-Pandemie um 150 Prozent zugenommen!8 Die Abholzung steht im Zusammenhang mit Sojafutter für die kapitalistische Massentierhaltung, Fleischindustrie und „Biosprit“. Besonders dramatisch ist die Prognose, dass ohne radikalen Schutz der Wälder möglicherweise bereits 2021 der Kipppunkt für das Amazonas-Regenwaldsystem erreicht wird. Dann wird aus Regenwald irreversibel eine Steppenlandschaft, aus der CO2-Senke 9 eine CO2-Quelle!
- Heraufziehende Weltklimakatastrophe: Die Eisschmelze und das Auftauen der Permafrostböden mit gigantischer Freisetzung von CO2 und Methan hat in diesem Sommer ein neues Maximum erreicht. Die globale Durchschnittstemperatur stieg weiter um 1,22 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit. Das macht das völlig unverbindliche und ungeeignete „1,5- bis maximal 2-Grad-Ziel“ des Pariser Klimaabkommens jetzt schon zur Makulatur. Dieses Ziel nimmt schon verheerende Folgen in Kauf und setzt selbstlaufende zerstörerische Prozesse in Gang: Abtauen antarktischer Eisschilde und vollständiger Verlust des Grönland-Eises, dadurch Meeresspiegel-Anstieg von etwa einem Meter bis 2100; Erwärmung und Versauerung der Meere mit vollständiger Zerstörung der Korallenriffe; massiver Ertragsrückgang bei Mais, Reis und Weizen vor allem auf der südlichen Erdhalbkugel; drastische Verschlechterung der ohnehin schon teils katastrophalen Wasserversorgung vor allem in den Trockengebieten und so weiter.
- Regionale Umweltkatastrophen: Gewaltige Wirbelstürme, Extremregen, Dürrekatastrophen nehmen zu. Die Ausmaße der Waldbrände, die die ganze Westküste der USA erfasst haben, sind ein Fanal zukünftiger Entwicklungen! Das Bundesumweltministerium räumt zwar die „Zunahme extremer Wetterereignisse“ durch „den menschengemachten Klimawandel“ ein. Aus dieser „Einsicht“ folgte bisher aber lediglich eine Broschüre mit dem illusionären Versprechen „Den Klimawandel gesundheitlich meistern!“
- Drohende Gefahr umkippender Weltmeere: Die Durchschnittstemperatur der Weltmeere erreichte 2019 einen Höchstwert seit Beginn der globalen Erfassung. Das führte unter anderem zur bisher größten Korallenbleiche des Great Barrier Riffs vor Australien, erstmalig auf seiner Gesamtlänge von 2300 Kilometer. Jedes Jahr gelangen laut WWF 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere.10 Das ganze biosphärische System der Erde, für das die Weltmeere eine zentrale Rolle spielen, wird dadurch immer labiler.
- Zerstörung regionaler Ökosysteme und Artensterben: Von acht Millionen bestehenden Arten ist bereits eine Million vom Aussterben in den nächsten Jahrzehnten bedroht. Laut WWF droht das „größte Artensterben seit Ende der Dinosaurier-Zeit“.11 85 Prozent der Feuchtgebiete, 30 Prozent der Korallenriffe und die Hälfte der Mangrovenwälder sind heute bereits zerstört. In ihrer Gesamtheit stellt die gefährdete Biodiversität aber die biologische Lebensgrundlage der Menschheit dar.
- Rücksichtsloser Raubbau an den Naturstoffen sowie Vermüllung, Vergiftung und Verschmutzung: Ein Beispiel von vielen: Im Zuge der Pleitewelle der US-Frackingindustrie sind zwei Millionen Bohrlöcher nicht sicher verschlossen worden, aus denen das Treibhausgas Methan zusammen mit anderen Giften entweicht! Die verlassenen Frackinggebiete haben sich in vergiftete Mondlandschaften verwandelt.12
- Die unverantwortliche Nutzung der Atomenergie: Weltweit werden 80 neue Atomkraftwerke geplant, die Endlagerfrage ist völlig unklar. Eine wachsende Zahl von Imperialisten rüstet die Atomwaffenarsenale auf bei steigender Gefahr eines die Menschheit vernichtenden dritten Weltkriegs.
Diese Hauptfaktoren verschärfen sich gegenseitig, was den Umschlag in die globale Umweltkatastrophe insgesamt vorantreibt. Dass fast ausschließlich die Klimakrise in den öffentlichen Fokus gerückt wird, soll die Umweltbewegung auf das hervorstechendste Problem eingrenzen. Damit wird suggeriert, mit Reformen in dieser Frage die Umwelt im Rahmen des Kapitalismus retten zu können.
Angesichts des allgemeinen Übergangs in eine globale Umweltkatastrophe und weil der Kapitalismus heute an den Raubbau von Natur und Mensch gebunden ist, ist das eine gefähliche Illusion!
Warum wird Greta Thunbergs Kritik unterdrückt?
Dass der Kapitalismus zur Lösung der Umweltfrage überwunden werden muss, das fanden einige Passanten bei einer Umfrage in Gelsenkirchen richtig. So die 17-jährige Schülerin: „Das ist richtig. Alles hängt von der Gesellschaft ab.“ Viele können sich aber nicht vorstellen, wie das gelingen soll, oder befürchten, dass es dafür schon zu spät ist.
Millionen Jugendliche gingen in den letzten Jahren für die Rettung der Umwelt in Verantwortung für die Zukunft der Menschheit auf die Straße. In dieser Bewegung hat sich eine breite kapitalismuskritische Strömung entwickelt. Das bringt Vertreter bürgerlicher Parteien wie von den Grünen oder der grünen Jugend, von sogenannten „Nichtregierungsorganisationen“ in höchste Sorge. Einen kapitalismuskritischen Aufruf von Greta Thunberg, Mitinitiatorin der Fridays-for-Future-Bewegung, und anderen zum weltweiten Aktions- und Streiktag am 25. September haben selbsternannte Führer der Bewegung in Deutschland in ihrer Veröffentlichung in wesentlichen Teilen verfälscht. Arrogant haben sie zum Beispiel die Aussage einfach gestrichen: „Unser derzeitiges System ist nicht ‚kaputt‘ – das System macht genau das, was es soll und wofür es geformt wurde. Es kann nicht mehr ‚repariert‘ werden. Wir brauchen ein neues System.“ Sie nehmen so die Hauptverantwortlichen der Umweltzerstörung, die in diesem System herrschenden internationalen Monopole völlig aus der Schusslinie und die kapitalistischen Profitwirtschaft wird überhaupt nicht infrage gestellt. Dagegen versuchen sie Vertreter gesellschaftsverändernder Positionen mit antikommunistischen Manövern auszugrenzen. Wenn sich das durchsetzen würde, wäre die Umweltbewegung nur ein stumpfes Schwert, das die Herrschenden nicht fürchten müssen.
Für Basisdemokratie, weltanschauliche Offenheit und für die Losung „System change – not climate change“ steht die Plattform „Change for Future“ (CFF) innerhalb von Fridays for Future. Hier arbeitet auch die Jugendorganisation der MLPD, der REBELL, gleichberechtigt mit. CFF schreibt in ihrem Aufruf zum 25. September „Breite Bewegung für eine lebenswerte Zukunft“: „Ein Bündnis zwischen Arbeiter*innen- und Umweltbewegung – genau der richtige Weg, um gegen die Klima- und Umweltzerstörung zu kämpfen!“ 13
Diskussionen in der Arbeiterbewegung
Auch in den Großbetrieben und Gewerkschaften entfalten sich Debatten um wichtige Entscheidungen: Dass es genau richtig ist, wenn Arbeiter und Angestellte mit betrieblichen Delegationen prägend an den FFF-Aktionen teilnehmen; dass genauso für den Erhalt der Arbeitsplätze wie für die Rettung der Umwelt gekämpft werden muss.
Die MLPD hilft mit ihren Betriebs-, Wohngebiets- und Umweltgruppen den Massen, sich im Kampf für ihre sozialen, politischen und ökologischen Forderungen zusammenzuschließen. Sie fördert dabei zugleich die Einsicht in die Notwendigkeit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau des echten Sozialismus. Dort steht der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt – in Einklang mit dem Erhalt und der bewussten Pflege der Natur.
Die MLPD steht als einzige Partei in Deutschland für die Einheit von Arbeiter- und Umweltbewegung und das Ziel eines gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsels im echten Sozialismus. Er beinhaltet, dass die Einheit von Mensch und Natur zur Leitlinie in der Produktion, der Konsumtion, der Organisierung des gesellschaftlichen Lebens und im persönlichen Verhalten wird. Um den Kampf dafür aufzunehmen, ist es keineswegs zu spät. Aber es ist Zeit, sich zu entscheiden, selbst aktiv zu werden, sich zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen. Viele neue Mitglieder und Mitkämpfer werden benötigt, um diese großen Zukunftsaufgaben zu meistern.