Leserbrief

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Lenin ein Putschist?

Gift und Galle spucken in Gelsenkirchen SPD, CDU, Grüne (sogar im Schulterschluss mit der AFD), weil die Marxistisch-leninistische Partei Deutschlands eine Lenin-Statue vor ihrer Parteizentrale aufbauen will. Obwohl sie sich damit schon bundesweit (und mittlerweile sogar international) auch in den seriösesten, bürgerlichen Publikationen lächerlich gemacht haben, treiben sie ihre antikommunistische Geschichtsfälschung weiter auf die Spitze.

Von Anna Bartholomé
Lenin ein Putschist?
Foto: gemeinfrei

So heißt es u.a. wörtlich in einer vom Gelsenkirchener CDU-Vorsitzenden Sascha Kurt initiierten Petition zur Verhinderung der Statue:

Lenin putschte sich gegen ein demokratisch gewähltes Parlament an die Macht.“

Nur: es gab 1917 kein demokratisch gewähltes Parlament! 1917 hatte die Februar-Revolution den Zaren gestürzt - unter aktiver Mitwirkung der Bolschewiki. Das Parlament (Duma) setzte eine provisorische Regierung ein, der schließlich der wankelmütige Sozialdemokrat, Kerenski, vorstehen sollte. Dort arbeiteten auch ultrarechte und zaristische Kräfte mit, nicht aber Revolutionäre. Die fanden ihr Forum in den Räten, den Sowjets, die bereits in der Revolution von 1905 in den Großbetrieben entstanden waren (deshalb sprechen wir bis heute von Betriebsräten) und die sich dank der Februarrevolution und ohne den Zaren endlich unter der Masse der Arbeiter, der Soldaten und Bauern organisieren konnten.

Zunächst hatten die Sozialdemokraten – in Russland Menschewiki genannt – die Mehrheit in den Sowjets. Es entstand eine Doppelherrschaft zwischen provisorischer Regierung und den Sowjets im heftigen Ringen um die Zukunft des Landes. Russland stand immer noch im I. Weltkrieg im Kampf, besonders gegenüber dem imperialistischen deutschen Kaiserreich.

Lenin

Lenin war der anerkannte Führer der ersten erfolgreichen proletarischen Revolution: der russischen Oktoberrevolution. Mehr Infos auf der Themenseite zu Lenin.

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Bücher von Lenin

Die provisorische Regierung brach alle Versprechen der Februarrevolution: zur Beendigung des Kriegs, für eine Landreform, zu einer verfassungsgebenden Versammlung...

In der provisorischen Regierung saßen auch Vertreter des Großgrundbesitzes, die keine Landreform zuließen. Im Juni 1917 begann Kerenski – mittlerweile auch Kriegsminister – eine neue Offensive gegen die deutsche Armee – zigtausende russische Soldaten fielen und gingen in Gefangenschaft, hunderttausende desertierten.

Mit dem Ruf „Für Brot und Frieden!“ flammen wieder Streiks, Massendemonstrationen und Bauernerhebungen auf. Von Juli bis Oktober 2017 beteiligen sich 3,5 Millionen Arbeiter an Streiks – alleine in September und Oktober 2,4 Millionen. Von März bis Juni 1917 zählt man 2.944 bäuerliche Kampfaktionen. Im September/Oktober weiten sie sich mit 3.500 Bauernerhebungen zu einem regelrechten Bauernkrieg gegen Gutsbesitzer und Regierung aus. Die Kräfteverhältnisse in den Sowjets verschoben sich dank der bittersten Enttäuschung über die Menschewiki und dank der geduldigen Überzeugungsarbeit von Lenins Bolschewiki mehr und mehr zu deren Gunsten. Bis Lenin aufrief: „Alle Macht den Räten!“

Was tat Kerenski? Er richtete Massaker unter den Demonstranten und rebellierenden Bauern an, er ließ Revolutionäre verhaften, ihre Zeitungen verbieten. Er berief den zaristischen General Kornilow – der ähnlich wie sein deutscher Geistesbruder Kapp im März 1920 – einen Putsch vorbereitete und auf die Hauptstadt zumarschierte.

Die bei immer breiteren Massen verhasste Kerenski-Regierung musste gestürzt werden – und wurde gestürzt – in der Oktoberrevolution.

Diese leitete noch am gleichen Tag mit Dekreten über Land und Boden und über den Frieden das Ende des Kriegs und die entschädigungslose Verteilung des Landes der Großgrundbesitzer und Kirchen an die armen und landlosen Bauern ein.

Kerensi konnte fliehen – und hatte im Exil noch ein langes Leben. Seine Minister wurden verhaftet, ihnen wurde kein Haar gekrümmt. Die Oktoberevolution verursachte nur wenige Opfer, man geht – auch in der bürgerlichen Geschichtsschreibung – von nicht mehr als 80 in der Hauptstadt Petrograd und etwas mehr in Moskau aus.

Millionen Tote forderte dagegen der von den zaristischen Militärs, Kirchenfürsten und Großgrundbesitzern 1918 angezettelte Bürgerkrieg, der schließlich von 14 imperialistischen und kapitalistischen Interventionskräften unterstützt wurde. Mit allen Kräften – militärisch, politisch und weltanschaulich – haben die Bolschewiki unter Lenins Führung diesen Krieg ausgefochten.

Ihm nun die Millionen Opfer durch Krieg und Hungersnöte anzulasten – das ist eine geschichtsblinde Infamie.

Anna Bartholomé