Kohleausstieg

Kohleausstieg

Goldregen für die Industrie, von Umweltschutz keine Spur

Nach 21-stündigen Verhandlungen einigte sich die "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" (kurz: Kohlekommission) auf einen Abschlussbericht zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung zur Energiegewinnung.

Goldregen für die Industrie, von Umweltschutz keine Spur
Fronttransparent der Schülerdemonstration in Berlin (Foto: RF)

Der Abschlussbericht enthält Teilzugeständnisse gegenüber der Umweltbewegung und dem Protest der Beschäftigten in der Braunkohleindustrie, schiebt den Ausstieg aus der Kohleverbrennung aber viel zu lange hinaus. So soll das letzte Kohlekraftwerk erst im Jahr 2038 abgeschaltet werden. Der Erhalt des umkämpften Hambacher Walds sei "wünschenswert".

Große Mehrheit will schnellen "Kohleausstieg"

Der Ausstieg aus der Kohleverbrennung ist angesichts der drohenden Klimakatastrophe dringend nötig. Laut ARD-Deutschlandtrend sind 59 Prozent der Befragten für einen möglichst schnellen Kohleausstieg, laut ZDF-Politbarometer sogar 73 Prozent. Die vor allem von Schülerinnen und Schülern getragene Bewegung „#FridayForFuture“ boykottiert rund um die Welt freitags den Unterricht und tritt für wirksamen Klimaschutz, gegen wachsende Treibhausgasemissionen und die Nutzung der fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas ein.

Gestern haben sich erneut zehntausende Schüler und Studenten an Demonstrationen beteiligt. Allein 10.000 protestierten in Berlin anlässlich der Tagung der Kohlekommission. Eine große Zahl von selbst angefertigten Plakaten brachte selbständige Initiative und Selbstbewusstsein zum Ausdruck. Die Berliner Umweltgruppe der MLPD beteiligte sich mit einem Transparent "Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft", verteilte den Aufruf des REBELL zu der Demonstration, warb für das Buch "Katastrophenalarm! ..." sowie für eine rebellische Studien- und Widerstandsgruppe.

Am frühen Morgen hatten bereits Gewerkschafter der IGBCE für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze im Braunkohletagebau und in Kraftwerken demonstriert.

Scheinheiliges Horrorszenario

Von Monopolverbänden und bürgerlichen Politikern wird ein wahres Horrorszenario gemalt. Ohne Kohleverstromung wäre die Energieversorgung nicht gesichert. Dabei tun sie so, als ob es ihnen vor allem um die Arbeitsplätze im Stein- und Braunkohlebereich ginge. Der Chef des Unternehmerverbands BDA, Steffen Kampeter, gibt sich besorgt: "Ein überhasteter Ausstieg aus der Kohleverstromung muss ausgeschlossen werden, da sonst Wohlstand und Arbeitsplätze gefährdet sind."1

Die Schließung der letzten Steinkohlezeche Prosper Haniel in Bottrop vor wenigen Wochen belegt jedoch, dass die Kohlekonzerne und bürgerlichen Politiker in Wirklichkeit für systematische massenhafte Arbeitsplatzvernichtung verantwortlich sind. Es ist deshalb völlig berechtigt, wenn die Beschäftigten des Braunkohlebereichs in der Sorge um ihre Arbeitsplätze auf die Straße gehen.

Die versprochenen staatlichen Gelder für die Braunkohleregionen zielen nicht zuletzt darauf ab, die Arbeiter ruhig zu halten. Mögliche Abfindungen sind für den Einzelnen vielleicht verlockend - im Interesse der Zukunft der Jugend darf man sich die Arbeitsplätze nicht "abkaufen" lassen.

Die MLPD unterstützt die Braunkohlekumpels und setzt sich für vollwertige Ersatzarbeitsplätze ein. Gleichzeitig tritt sie offensiv für den umgehenden Ausstieg aus der Kohleverbrennung ein und wirbt für den gemeinsamen Kampf von Arbeiter- und Umweltbewegung für diese Forderungen.

Profitbringende "Kompensation"

Bürgerliche Politiker warnen auch vor drastisch steigenden Strompreisen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke: „Wir müssen dann schon die Ehrlichkeit haben, zu sagen, er wird auf 35, 40 oder sogar 50 Cent steigen.“ Hinter dieser Drohkulisse stecken handfeste, profitorientierte Motive.

Die Präsidenten der Unternehmerverbände BDI und DIHK, Dieter Kempf und Eric Schweitzer, bestehen auf einer "Kompensation": "Eine Kompensation der zu erwartenden Stromkostensteigerungen ist für uns Voraussetzung für die Zustimmung zu einem politischen Ausstieg aus der Kohleverstromung."1

Für ihre Maximalprofite sollen Arbeiterinnen, Arbeiter, die Masse der Steuerzahler und Verbraucher zur Kasse gebeten werden. "Kohleausstieg" ohne verbindliche Abschalttermine für die Kraftwerke, zeitlich über Jahrzehnte gestreckt und nur, wenn dauerhaft billige Strompreise für die Industrie gewährleistet sind. Damit wird der "Kohleausstieg" zu einem wahren Goldregen für die internationalen Konzerne.

Gestern große Demonstrationen der "#fridaysforfuture"-Bewegung

Der zerstörerischen Umweltpolitik der Herrschenden begegnet eine wachsende Masse von Menschen mit Misstrauen, Kritik und aktivem Protest. „Wir müssen rebellieren“, war die überwiegende Stimmung der 300 Schülerinnen und Schüler aus Bochumer Schulen. Das berichtet ein Korrespondent aus Bochum und weiter:

"Je mehr Schülerinnen und Schüler dazu kamen, desto mutiger und selbstbewusster riefen sie ihre Parolen. Viele stimmten dem Argument zu, dass der Kapitalismus mit seiner Profitwirtschaft die Zukunft der Natur und Menschheit zerstört. Da kann nicht länger zugeschaut werden. Rebellion für eine gesellschaftliche Zukunft ohne Ausbeutung und Unterdrückung weckte das Interesse für die Unterstützerliste des Internationalistischen Bündnis." 34 Unterzeichner wurden gewonnen und gleich eingeladen zum Treffen der Rebell-AG „gegen die Rechtsentwicklungen der Regierungen und Parteien“.

Wir brauchen den Ausstieg vor 2038

Hannah Wachter, Schülerin und Mitorganisatorin der Proteste in Tübingen

In Ludwigsburg nahmen ca. 300 Schüler aus der ganzen Region an einem „Protestzug gegen den Klimawandel“ teil. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“ war auch hier eine der beliebtesten Parolen. „Kohle vergiftet unseren Planeten“, sagte in Tübingen die Schülerin und Mitorganisatorin Hannah Wachter. „Wir brauchen den Ausstieg vor 2038.“

"Ende Gelände", eine der Organisationen des Widerstands im Hambacher Wald, ruft zu einer Aktionswoche vom 1. bis 10. Februar zu den Ergebnissen der Kohlekommission auf, mit einer Demonstration am 1. Februar vor dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin. Danach soll es Aktionen in Leipzig, Hamburg, München und Köln geben, gefolgt von einer dezentralen bundesweiten Aktionswoche.

Mit illusionären Hoffnungen fertigwerden

Es ist wichtig, sich daran zu beteiligen, aber auch weitere Proteste zu organisieren. Dabei muss die weltanschauliche und politische Auseinandersetzung mit noch bestehenden Illusionen in das wirkungslose und unverbindliche Pariser Klimaabkommen fester Bestandteil sein.

In vielen Erklärungen wie bei "Ende Gelände" schimmert die immer noch bestehende Hoffnung einer Vereinbarkeit von kapitalistischer Ökonomie und Ökologie durch. Berechtigt werden die Konzerne kritisiert. Aber das Wesen des heutigen Gesellschaftssystems als umfassende Diktatur des alleinherrschenden internationalen Finanzkapitals mit seinem gesetzmäßigen Drang der Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur wird verkannt.

Genauso wird das 1,5-Grad-Limit für die Erderwärmung, das die Weltklimakonferenz von Paris beschlossen hat, von Umweltschützern teilweise als "Schritt in die richtige Richtung" gesehen. Doch dieses Limit wird nicht reichen, um die Welt vor einer kommenden Klimakatastrophe zu retten. Zumal weder das Pariser Klimaabkommen noch die Beschlüsse der letzten Weltklimakonferenz im polnischen Katowice irgendwelche verbindlichen Festlegungen zur Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase enthalten. Sie sind mit Absicht so vage formuliert, um die großen Energiemonopole der imperialistischen und neuimperialistischen Länder zu schonen.

Sofortmaßnahmen und sozialistische Perspektive notwendig

Der heute notwendige Kampf um die Durchsetzung von Sofortmaßnahmen wie die umgehende Beendigung der Kohleverbrennung muss auch als eine Schule des gesellschaftsverändernden Kampfs für die Perspektive der Einheit von Mensch und Natur im echten Sozialismus geführt werden.

Das Buch "Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?" von Stefan Engel, eine seit ihrem Erscheinen 2014 bis heute unerreichte Studie und Streitschrift zu den Perspektiven des Umweltkampfs, gehört deshalb unbedingt in diesen Protesten verbreitet.

Vor allem müssen die Umweltgruppen der MLPD gestärkt werden, die bereits in vielen Städten den aktiven Widerstand vor Ort organisieren und für den Sozialismus eintreten. Auch der Jugendverband REBELL, das Internationalistische Bündnis mit seiner Umweltplattform und die überparteiliche Umweltgewerkschaft leisten wichtige Beiträge, Organisiertheit und Bewusstheit in der Umweltbewegung zu erhöhen.