Rote Fahne 11/2019

Rote Fahne 11/2019

Dürre, Artensterben ... Umweltschutz braucht Gesellschaftsveränderung

Von Mitte März bis Ende April fielen in Deutschland je nach Region nur ein bis zehn Prozent ... des jahreszeitüblichen Niederschlags. Bereits im April waren Teile ­Ostdeutschlands und Skandinaviens von Waldbränden betroffen. „Sollte die trockene Witterung in den kommenden Monaten anhalten, könnte ... die Dürre des Jahres 2018 ... sogar übertroffen werden“, sagt der ­Leiter der Agrarmeteorologie des Deutschen Wetterdienstes, Udo Busch. Eine von acht Tier- oder ­Pflanzenarten ist heute vom Aussterben bedroht. Und damit letztlich auch der Mensch. Ein unausweichliches Schicksal?

Dürre, Artensterben ... Umweltschutz braucht Gesellschaftsveränderung
Sandstürme – in Mecklenburg-Vorpommern wird bereits vor ihnen gewarnt Foto: MonikaP / pixabay / CC0

Zum Beginn der Vegetationsperiode sind die Böden in vielen Regionen Deutschlands deutlich trockener als im vieljährigen Durchschnitt und im April des vergangenen Jahres. Auch die Wasserspeicher sind schlechter gefüllt als 2018.1 Besonders betroffen sind die östlichen Bundesländer – vor allem Sachsen-Anhalt und Brandenburg. In Mecklenburg-Vorpommern gab es bereits Sandstürme.2

„Noch haben wir Wasser“, so eine Bäuerin im Nordwesten von Berlin, „aber es ist deutlich weniger wie in normalen Jahren“. Dabei liegt ihr Betrieb sogar in einer wasserreichen Niederung. Für ihre Freilauf-Hühner könne sie nur die wichtigsten Flächen beregnen.

Der Weltklimarat IPCC prognostizierte in seinem 2012 veröffentlichten Bericht zu Extremereignissen (SREX), dass bis Mitte des 21. Jahrhunderts Dürren, die bisher alle 20 Jahre zu erwarten waren, alle zwei bis drei Jahre auftreten werden. Das bedroht die Weltbevölkerung mit einer globalen Ernährungskrise. Ganze Klimazonen verschieben sich weltweit. Die Kehrseite dieser Dürren sind gleichzeitig auftretende, sintflutartige Regenfälle und Überflutungen, wie derzeit in Teilen Kanadas, in Mozambique oder im asiatischen Raum.

Gravierende Veränderungen – keine Launen der Natur

Eine erneute Dürre bedeutet nicht einfach nur Trockenheit, sie hat allseitige Auswirkungen: Land- und Forstwirtschaft werden hart getroffen; Niedrigwasser stoppt den Transport auf den Flüssen und sorgt für noch mehr LKW-Wahnsinn auf den Straßen; das Kühlen der Kernkraftwerke ist bedroht; vermehrtes künstliches Bewässern senkt die Grundwasserspiegel und führt – in Verbindung mit Schadstofflasten wie zum Beispiel aus dem PCB/Giftmüll-Grubenwasser der RAG – zu einer weiteren Anreicherung von Giften in den niedrigen Schichten der Böden und so weiter.

Im Buch „Katastrophenalarm! …“ von Stefan Engel werden neun derzeit wirkende Hauptfaktoren eines beschleunigten Übergangs in eine globale Umweltkatastrophe herausgearbeitet: die Zerstörung der Ozonschicht, die beschleunigte Vernichtung der Wälder, die heraufziehende Weltklimakatastrophe, die deutliche Zunahme regionaler Umweltkatastrophen, die drohende Gefahr umkippender Weltmeere, die Zerstörung regionaler Ökosysteme und das Artensterben, der rücksichtslose Raubbau an den Naturstoffen, die Vermüllung, Vergiftung und Verschmutzung sowie die unverantwortliche Nutzung der Atomenergie.

Fundiert prognostiziert dieses Buch bereits in seinem Erscheinungsjahr 2014 die verheerenden Wechselwirkungen und systemischen Zusammenhänge, die immer offensichtlicher werden: „Jeder einzelne der Hauptfaktoren, die den Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe beschleunigen, hätte bereits existenzielle Folgen für die Menschheit, wenn er auf die dargestellte Weise und ungebremst weiterwirken kann. Doch zwischen den verschiedenen Hauptfaktoren besteht zusätzlich eine destruktive Wechselwirkung, die zu ihrer Verstärkung, ja teilweise Potenzierung führen muss.“3

Weltweites Rollback in der Umweltpolitik

Insbesondere die anhaltende Verbrennung fossiler Rohstoffe heizt die Erde unnatürlich auf. Dennoch verschiebt die Bundesregierung mit ihrer Kohlekommission das Ende der Kohleverstromung auf 2038. Zugleich erhalten die Energiekonzerne Milliarden an „Entschädigungen“. Angeblich sei dies im Interesse der Belegschaften und Arbeitsplätze. Eine glatte Lüge. Denn keiner müsste arbeitslos werden, weil Arbeitsplätze vielmehr dringend gebraucht würden: für die Umrüstung auf erneuerbare Energien, für die Renaturierung des extraktiven Tagebaus und vieles mehr. Doch hier winken RWE, Eon und Co. keine Maximal­profite. Statt fossile Kraftwerke schnellstmöglich stillzulegen und durch ein dezentrales System erneuerbarer Energien zu ersetzen, produzieren die Energiemonopole weiter massiv Kohlestrom. 2018 exportierten sie sogar rund 50 Terawattstunden ins Ausland.4

Auch die kapitalistische, auf den Profit ausgerichtete industrialisierte Landwirtschaft trägt wesentlich zum vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen bei, mit ihren Monokulturen, der Vernichtung tropischen Regenwalds für Agrarsprit- und Soja-Ackerflächen und der Massentierhaltung. In Afrika wollen Agrarkonzerne, Banken und Handelskonzerne mit Unterstützung der EU sogenannte „grüne Wachstumszonen“ einrichten. Angeblich im Kampf gegen den Hunger, in Wirklichkeit für die Maximalprofite dieser Konzerne. Die ansässigen Kleinbauern werden vertrieben oder ruiniert.

Kolleginnen und Kollegen aus dem Logistikbereich bei VW Kassel machen sich Gedanken über weltweite Zusammenhänge im Kampf um Arbeitsplätze und Umweltschutz: „Auch für die sogenannte ‚intelligente Zukunft‘ werden Rohstoffe benötigt. Das sind nun mal keine nachwachsenden Äpfel. Dann passiert so was wie in Afrika, wo die Rohstoffe für die Batterien herkommen. Dort ist alles schon vertrocknet, da kann man nichts mehr anbauen.“5

Trotz ständiger Umweltschutzbeteuerungen und all dem Grünwaschen durch Konzern- und Regierungspolitik – in Wahrheit fährt das internationale Finanzkapital einen rücksichtslosen Kurs der globalen Umweltzerstörung für Maximalprofite und Weltmarktbeherrschung. Mit allseitigen, verheerenden Auswirkungen. Der Weltbericht der UN zum Artensterben, Anfang Mai erschienen, stellt fest: Von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten sind bis zu einer Million in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war das Ausmaß des Artensterbens so groß wie heute. Seit 1900 sind die Arten, die auf dem Land leben, schon um mindestens 20 Prozent zurückgegangen. Von den Feuchtgebieten auf der Erde sind bereits 85 Prozent zerstört. Mehr als 40 Prozent der Amphibienarten, mehr als 30 Prozent der Korallenriffe sowie mehr als ein Drittel aller Meeressäuger sind in Gefahr. Hier geht es nicht um ein paar Tiere oder Pflanzen weniger auf der Welt. Die natürlichen Lebensgrundlagen für Tier und Mensch gleichermaßen sind akut gefährdet. In der Hauptseite ist das längst kein natürlicher Prozess mehr. Mittlerweile kann auf mehr als 20 Prozent des Landes auf der Erde nichts mehr angebaut werden, weil die Böden zerstört sind, aufgrund der Überausbeutung. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND: „Die Zerstörung der biologischen Vielfalt betrifft die Menschheit mindestens so sehr wie die Klimakrise.“6

Was die Ursachen angeht, verwischt der UN-Bericht allerdings die Spuren, indem er „die Menschheit“ an sich verantwortlich macht. Denn es ist die kapitalistische Produktion, Konsumtion und Lebensweise, die zu drastischen Fehlentwicklungen im Verhältnis von Menschen und Natur geführt hat, zu einer Deformation der Produktions- und Lebensweise. Und die wird der breiten Masse der Menschheit aufgezwungen. Das Profitdiktat der internationalen Monopole über die gesamte Gesellschaft ist das Grundübel des beschleunigten Übergangs in eine globale Umweltkatastrophe. Und dies kann nicht durch persönliche Veränderungen des Einzelnen überwunden werden – auch wenn die noch so notwendig und zu begrüßen sind. Nur ein gemeinsamer, gesellschaftsverändernder Kampf eröffnet der Menschheit eine Überlebensperspektive.

„Grüne EU“ durch CO2-Steuer?

CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sind im Europa-Wahlkampf jetzt scheinbar alle „für Klimaschutz“. Im Chor mit hochrangigen Monopolvertretern wie den Vorstandschefs Herbert Diess von VW und Rolf Schmitz von RWE heucheln sie Sympathie für die Jugendproteste von Fridays for Future. Insbesondere Funktionäre der Grünen wollen diese Rebellion Jugendlicher für einen wirksamen Umweltschutz trimmen auf ihre Wahl ins Europaparlament. Gleichzeitig versuchen sie, MLPD und REBELL von diesen Protesten auszuschließen mit der Begründung „keine Parteien“. Mit aller Macht wollen sie eine wirklich überparteiliche Bewegung mit einem revolutionären und konsequent kapitalismuskritischen Pol verhindern. „Verrat ist die Kunst, die die Grünen meisterlich beherrschen“, sagt eine, die es wissen muss, nämlich ihre ehemalige Parteivorsitzende Jutta Ditfurth.7 In ihrer Verwandlung von einer ökologischen Protestpartei zur Monopolpartei haben die Grünen den Auftrag erhalten und angenommen, als Ordnungsfaktor in der Umweltbewegung diese auf Reformen innerhalb des kapitalistischen Profit-Systems und auf Antikommunismus auszurichten.

Die Umweltminister von Bund und Ländern einigten sich derweil am 10. Mai auf eine CO2-„Bepreisung“. Die Führer der Grünen haben – zusammen mit SPD-Umweltministerin Svenja Schulze – die CO2-Steuer als das Allheilmittel entdeckt. Aber: Von der Durchsetzung der Müllverbrennung in ganz Europa oder dem Lobbyismus für die Autokonzerne bis hin zur Abbaugenehmigung für RWE im Hambacher Wald stößt man immer wieder auf die Spuren und Verantwortlichkeiten von Grünen und SPD! „Ludwig Erhard hätte die CO2-Steuer unterstützt“, frohlockt der Grüne EU-Spitzenkandidat Sven Giegold.8 Diese Steuer soll erneut die Lebenslüge retten, im Kapitalismus gäbe es für alles eine Lösung. Jahrzehnte des Handels mit CO2-Emissionszertifikaten haben nichts geändert an der ständigen Zunahme des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen (Grafik). Vielmehr wurden sie zu einem profitträchtigen Objekt des internationalen Finanzkapitals – zur Spekulation mit dem Recht auf Luftverschmutzung. In erster Linie würde die geplante CO2-Steuer die breiten Massen treffen. Denn ihnen würde die Steuer auf grundlegende Mittel zum Leben und Transport aufgeschlagen: bei Benzin, Heizkosten, Strom, Fahrpreisen oder Mieten. Die eigentlichen Produzenten und Nutznießer der CO2-Emittenten bleiben dagegen verschont. Wie die Autokonzerne, die seit Jahrzehnten dafür sorgen, dass am Verbrennungsmotor und dem chaotischen Individualverkehr festgehalten und alternative Antriebstechniken und ein flächendeckender öffentlicher und kostenloser Personennahverkehr verhindert wird. Vielfältigste legale und rechtliche Schlupflöcher für Konzerne gibt es bereits, wie die Befreiung von der Erneuerbaren-Energien-Abgabe beim Strompreis beweist.

Gleichzeitig fabulieren Grüne und SPD von der EU als Garant des Klimaschutzes. Typisch EU ist aber zum Beispiel der „Deal“ zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vom Juli 2018: Import von US-Flüssiggas in die EU gegen den Verzicht auf Einfuhrzölle für Autos aus der EU. Inzwischen wurden die US-Flüssiggasimporte auch tatsächlich um 272 Prozent gesteigert – ein dreifaches Umweltverbrechen: Erdgasverbrennung erzeugt ebenfalls CO2, die Förderung mittels Fracking vergiftet Mensch und Natur und setzt viel Methan als Treibhausgas frei. Und die Transporte über den Atlantik sind eine zusätzliche Belastung für Klima und Weltmeere.

Im Kapitalismus wird immer mehr Kapital angehäuft, das immer weniger maximalprofitbringend angelegt werden kann. Aufgrund dieser inzwischen chronischen Überakkumulation des Kapitals ist die Umweltzerstörung heute zu einer gesetzmäßigen Erscheinung geworden: Maximalprofite können nur noch erzielt werden auf der Grundlage der Umweltzerstörung. Wer darauf verzichtet, unterliegt in der gnadenlosen Vernichtungsschlacht auf dem Weltmarkt. Eine „Perspektive“, mit der die Menschheit bewusst und mutwillig an den Rande des Abgrunds geführt wird. Um dies zu verhindern, braucht die Umweltbewegung heute einen gesellschaftsverändernden Charakter.


Sozialismus auf die Tagesordnung

Nur wenn sich die Menschheit befreit vom Diktat der Profitwirtschaft, kann sie auch frei werden von der Ausbeutung von Mensch und Natur. Die MLPD und ihr Jugendverband REBELL treten deshalb für grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen im echten Sozialismus ein. Dann wird die Einheit von Mensch und Natur zu einer gesellschaftlichen Leitlinie, und alle modernen Produktivkräfte können in den Dienst dieser Einheit gestellt werden.

Jede Stimme für die Parteien des Greenwashings und der Fortsetzung der Monopoldiktatur ist eine verlorene Stimme.

Bei der Europawahl kandidieren mehrere Tier- und Umweltschutzparteien mit vielen richtigen Einzelforderungen. Das zeigt die breite Betroffenheit durch diese Existenzfrage für die Menschheit, den Wunsch nach Veränderung – aber auch die noch vorhandene Zersplitterung. Es ist dringend notwendig, ein breites Bündnis aufzubauen einer gesellschaftsverändernden Umweltbewegung und des Kampfs gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und bürgerlichen Parteien, mitsamt ihrem Rollback in der Umweltpolitik. Das Internationalistische Bündnis steht für einen solchen breiten, kämpferischen Zusammenschluss und unterstützt den gemeinsamen Kampf der Arbeiter- und Umweltbewegung für Arbeitsplätze und Umweltschutz und für die Zukunft der Jugend! Zur Europawahl am 26. Mai tritt es mit der Internationalistischen Liste / MLPD als Kraft des konsequenten Umweltschutzes mit einer gesellschaftsverändernden Perspektive zur Wahl an. Unterstützt und stärkt dieses Zukunftsprojekt. Entweder vernichtet der Kapitalismus die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, oder die Menschheit überwindet den Kapitalismus und rettet die Umwelt und ihre eigene Zukunft.