Rote Fahne 18/2018
Handelskrieg – Teil imperialistischer Kriegsvorbereitung
Der im Frühjahr 2018 offen ausgebrochene globale Handelskrieg ist nicht der erste in der Geschichte. Er hat aber das Potenzial, eine neue Weltwirtschaftskrise auszulösen, und ist ein Schrittmacher imperialistischer Kriege um die Vorherrschaft in der Welt.
Mit dem Aufstieg neuer imperialistischer Länder seit der Jahrtausendwende wurden der US-Imperialismus und seine internationalen Übermonopole wirtschaftlich deutlich geschwächt, ebenso weitere „alte“ imperialistische Staaten der EU sowie Japan. Auch zwischen alten imperialistischen Staaten haben sich die Kräfteverhältnisse zum Teil dramatisch verschoben. Das herkömmliche Machtgefüge wird erschüttert.
Im allein herrschenden internationalen Finanzkapital findet zwischen den größten Monopolen und imperialistischen Ländern ständig ein erbitterter Konkurrenzkampf um Märkte, Einflusssphären und Macht statt. Grundlage dafür ist die ungleichmäßige Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Kräfte im imperialistischen Weltsystem. Verschärft wird diese zwischenimperialistische Konkurrenz durch das Aufkommen einer Reihe neuimperialistischer Länder. Sie verdreifachten von 2007 bis 2014 ihren Anteil am weltweiten Kapitalexport von 10,2 auf 30,9 Prozent.1 Die neuimperialistischen Länder verdoppelten zwischen 2008 und 2014 ihren Weltanteil als Käufer bei grenzüberschreitenden Fusionen von 15,1 auf 29,1 Prozent.2 Die Anzahl an den 500 größten Übermonopolen der Welt aus den BRICS- und MIST-Ländern hat sich von 32 im Jahr 2000 auf 147 im Jahr 2017 mehr als vervierfacht.3
Die Methoden des Handelskrieges modifizierten sich im Übergang vom Kapitalismus zum Imperialismus. Sie sind unterschiedlich ausgeprägt, je nachdem welche Herrschaftsmethoden die jeweiligen imperialistischen Länder praktizieren. Sie werden untereinander und gegenüber kleinen und abhängigen Ländern praktiziert.
Die Methoden reichen von einer subtilen wirtschaftlichen Durchdringung und Abhängigmachung bis zu aggressivsten Mitteln zur Schwächung bzw. Unterbindung des Handels konkurrierender Länder, um deren Versorgung zu erschweren, sie von Absatzmärkten und Rohstoffquellen abzuschneiden, ihre Einflusssphären einzuschränken und als Konkurrenten auszuschalten. „Schutzzölle“, Einfuhrverbote, Beschlagnahme von Privat- und Firmenvermögen, staatliche Bürgschaften für die eigenen Monopole, wirtschaftliche Erpressung, Sanktionen, Währungsmanipulationen, Blockaden, Absperrungen der Handelswege, aber auch Aufbrechen von Märkten mit dem Schlachtruf des Freihandels4– all das ist Teil der Politik imperialistischer Länder zum Erhalt bzw. zur Eroberung der Vorherrschaft in der Welt.
Die von vielen bürgerlichen Medien in Deutschland verbreitete Ansicht, es ginge beim Handelskrieg nur um Zölle, spielt die Problematik völlig herunter. Im Gegenteil widerspiegelt die Zollpolitik nur den mörderischen Konkurrenzkampf. Der russische Revolutionär Lenin charakterisierte die imperialistische Zollpolitik: „Bekanntlich haben die Kartelle zu Schutzzöllen neuer, origineller Art geführt: es werden gerade diejenigen Produkte geschützt, die exportfähig sind. Bekannt ist ferner das den Kartellen und dem Finanzkapital eigene System der ‚Ausfuhr zu Schleuderpreisen‘, des ‚Dumping‘, wie die Engländer sagen: im Inland verkauft das Kartell seine Erzeugnisse zu monopolistischen Höchstpreisen, im Ausland aber setzt es sie zu Schleuderpreisen ab, um die Konkurrenz zu untergraben, die eigene Produktion maximal zu steigern usw.“5
Frühere Handelskriege
Handelskriege waren – so die Analyse von Marx – typische Erscheinungen des Übergangs vom Gesellschaftssystem des Kapitalismus zum Feudalismus. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es offene Handelskriege zwischen den größten europäischen Mächten (England, Holland, Frankreich) um die Vorherrschaft im Handel mit Indien und Amerika, aus denen England als Sieger hervorging. Das begründete seine führende imperialistische Stellung in der Welt bis nach dem I. Weltkrieg. „Die große Industrie endlich und die Herstellung des Weltmarkts haben den Kampf universell gemacht und gleichzeitig ihm eine unerhörte Heftigkeit gegeben“, analysierte Friedrich Engels.6 Mit dem Übergang zum Imperialismus wurden aus den regionalen sehr schnell globale Handelskriege.
Im II. Weltkrieg tobte ein erbitterter Handelskrieg im Nordatlantik. Die Hitler-Faschisten versuchten, den Nachschub aus den zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Krieg befindlichen USA über See nach England abzuschneiden. Mit ihren U-Booten möglichst viel Versorgungsschiffe zu versenken. Hier durchmischte sich bereits der Handelskrieg mit dem militärischen Krieg.
Kriegsvorbereitung
Die Kommunistische Bewegung analysierte von Anfang an einen engen Zusammenhang zwischen Handelskriegen und imperialistischer Kriegsvorbereitung. Mit einer gigantischen Aufrüstung in nahezu allen imperialistischen Ländern bereiten sich diese heute auf imperialistische Kriege vor. So will die USA den Rüstungsetat 2019 auf 716 Milliarden Dollar (2017 – 610 Milliarden) erhöhen und eine Weltraumarmee aufbauen. Der EU-Rat hat am 28. Mai 2018 den weiteren Ausbau seines eigenständigen Militärapparats „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (PESCO) beschlossen. Die chinesische und die russische Armee werden beschleunigt modernisiert und als Interventionstruppen umorganisiert. Weltweit sind die Rüstungsausgaben auf 1,74 Billionen Dollar gestiegen. Das ist ein „untrügliches Zeichen dafür, dass sich die Herrschenden darauf vorbereiten, ihre Politik mit den Mitteln des Krieges fortzusetzen“ 8, so die MLPD-Vorsitzende Gabi Fechtner.
Worum es heute geht
Der in den letzten Monaten praktizierte Übergang zum offenen Handelskrieg bedeutet eine neue Qualität des aggressiven Austragens der zwischenimperialistischen Widersprüche. Der aktuelle offene Handelskrieg wurde von US-Präsident Donald Trump im Frühjahr 2018 eingeleitet. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hat die Vorsitzende der MLPD festgestellt: „Die Veränderungen seit der Amtsübernahme durch Donald Trump haben keineswegs nur den Charakter eines bloßen Regierungswechsels: Mit seinem Regierungsantritt kommt es zu einer Veränderung der Herrschaftsmethoden. Diese geraten mehr und mehr in Widerspruch mit den herkömmlichen bürgerlich-demokratischen Gepflogenheiten, lösen tendenziell die Nachkriegsordnung des imperialistischen Weltsystems auf, und an die Stelle des Regierungssystems der kleinbürgerlichen Denkweise setzt Trump die offene Reaktion nach innen und außen.“ Der von ihm ausgelöste offene Handelskrieg eskaliert und mehr oder weniger alle alten und neuen imperialistischen sind beteiligt.
Trump will den Aufstieg Chinas zu einer zweiten Supermacht stoppen, die EU in Schach halten und neue Konkurrenten zurückdrängen bzw. fertigmachen. Dazu will er die hohen Handelsdefizite mit China und der EU verringern. Insgesamt überstiegen die US-Warenimporte die US-Exporte 2017 um über 800 Milliarden US-Dollar. Mit hohen Einfuhrzöllen soll nicht nur das Defizit sinken. Der US-Imperialismus will sich auch Teile des Profits seiner Konkurrenten einverleiben.
Im Kampf für und gegen das Gas-Pipeline-Projekt „Nord Stream 2“ zeigen sich die wirtschaftlichen und machtpolitischen Widersprüche exemplarisch. Mit diesem Projekt wollen Deutschland und Russland sich vom Gas-Transit durch die Ukraine und Polen unabhängig machen, die beide enger mit den USA verbunden sind. Die USA wollen vor allem ihr Fracking-Gas an den Mann bringen. Die Kontrolle des weltweiten Energiemarkts ist auch ein Hintergrund der Widersprüche der USA zum Iran und der Türkei, die beide ebenfalls imperialistische Ziele verfolgen.
China seinerseits weitet mit der Politik der „Neuen Seidenstraße“ aggressiv seine Einflusssphäre aus. Für den Ausbau der Infrastruktur müssen sich beteiligte Länder hoch verschulden und dem Handel mit China Vorrang geben. China kauft entlang der Seeroute der Neuen Seidenstraße überall Häfen auf und errichtet bzw. plant zurzeit über 15 Militärbasen. Die EU will ebenfalls ihre militärische Präsenz in Afrika ausbauen.
Die EU und die Bundesregierung inszenieren sich gerne als friedlich und Opfer des Handelskrieges. Dabei beruht das Vordringen des deutschen Imperialismus auf seinen besonderen Methoden des verdeckten Handelskriegs. Hierfür spielt der Staat als Dienstleister der internationalen Übermonopole eine federführende Rolle: Allein im Jahr 2016 gab die Bundesregierung in 154 Ländern den deutschen Monopolen Exportkreditgarantien in Höhe von 17 Milliarden Euro. Die Bundesregierung sicherte deutschen Monopolen den Bau von zwei Gas- und Dampfkraftwerken in Ägypten in Höhe von 2,7 Milliarden Euro ab.9 Diese gängige Handelskrieg-Praxis des staatsmonopolistischen Kapitalismus läuft noch perfide zum Teil unter dem Firmenschild der „Entwicklungshilfe“.
Lenin analysierte 1915 in seiner Schrift Sozialismus und Krieg das Ende des Freihandels als Charakteristikum des Imperialismus: „Der Freihandel und die freie Konkurrenz sind ersetzt durch das Streben nach Monopolen, nach Eroberung von Gebieten für Kapitalanlagen, als Rohstoffquellen usw.“10 Imperialismus, Handelskrieg und Protektionismus sind unlösbar miteinander verbunden. Die theatralische Selbstdarstellung der EU und vorne weg des BRD-Imperialismus sich im Gegensatz zu den USA als Verfechter des Freihandels zu profilieren ist reine Heuchelei. Lenin polemisierte: „Die ‚amerikanischen Sitten‘, vor denen europäische Professoren und wohlgesinnte Bürger so heuchlerisch die Augen zum Himmel aufschlagen, sind in der Epoche des Finanzkapitals buchstäblich zu Sitten einer jeden Großstadt in jedem beliebigen Lande geworden.“11
Handelskrieg und Weltwirtschaftskrise
Auf der Grundlage der Internationalisierung der kapitalistischen Produktion, der Umstrukturierung der größten internationalen Monopole zu weltweiten Produktionsverbünden, die die ganze Weltproduktion und den Welthandel durchdringen, wirken sich alle Maßnahmen des Handelskriegs universell aus. Sie beeinträchtigen alle international tätigen Monopole, egal in welchem Land, und bringen die weltweite Produktion und den Welthandel ins Stocken. Aber jeder Imperialist spekuliert darauf, dass die Schäden für die konkurrierenden Länder größer sein werden als die eigenen – und dass kleinere Länder direkt in die Knie gehen.
Der Handelskrieg verschärft den Widerspruch zwischen der schrankenlosen Ausdehnung der weltweiten Produktion und der eingeschränkten Entwicklung der Absatzmärkte, was sich noch beschleunigt durch die politisch gewollten gegenseitigen Handelshemmnisse. Er verschärft insbesondere den Widerspruch zwischen den revolutionären Produktivkräften mit ihrem Drang nach weltumspannender Planung und Zusammenarbeit und den Fesseln des imperialistischen Weltsystems und seiner Anarchie der Produktion. Für die BRD-Wirtschaft wird die Exportabhängigkeit mehr denn je zur Achillesferse. So ist der Industrieumsatz im März 2018 um 3,4 Prozent gesunken, der Auslandsumsatz um 4,5 Prozent.12
Der Verfall der türkischen Lira und die Abstufung der Türkei durch Ratingagenturen auf das Niveau von Bangladesch, ist nicht nur ein Problem für die Türkei. Die Auslandsschulden, die in Dollar berechnet werden, sind immer schwerer zu begleichen. Über diese Schulden sind internationale Banken als Gläubiger mit dem Verfall der türkischen Lira verbunden, und es können daraus Kettenreaktionen fauler Kredite entstehen. Neben der Türkei haben auch Länder wie Argentinien oder Südafrika unzureichende flüssige Mittel, um ihre Schulden zu bezahlen. Die bisherige Funktion dieser Länder, eine Art Ventil für die Anlage von überschüssigem Kapital zu sein, wird mit dem Handelskrieg und seinen Folgen massiv eingeschränkt. So kann der Handelskrieg zum Auslöser einer Weltwirtschafts- und Finanzkrise werden.
Sozialchauvinismus
„America First“ oder „Europa United“13 und ähnliche Parolen dienen der Rechtfertigung des Handelskriegs und der Kriegsvorbereitung. Dem entspricht die Rechtsentwicklung der Regierungen in immer mehr imperialistischen Staaten. Es wird eine kleinbürgerlich-sozialchauvinistische Denkweise der Identifikation mit den „eigenen“ Imperialisten verbreitet. Dies ist verbunden mit der spalterischen Leitlinie, die eigene soziale Lage auf Kosten anderer Völker zu sichern.
Dafür nutzen die Imperialisten auch zeitweilige Erfolge im Handelskrieg. So erhalten aktuell die US-Stahl- und Elektroindustrie aufgrund der „Schutz“-Zölle eine Atempause. Der Außenhandel wird zum Teil gefördert, und für manche Unternehmen wird der Binnenumsatz gestützt. Die Bauindustrie profitiert vom Ausbau der Infrastruktur durch die Zolleinnahmen des Staates. Mit einem Zehn-Jahres-Programm über 1,5 Billionen Dollar für Infrastruktur und den Militärhaushalt versucht Trump, die US-Wirtschaft zu stärken. Das milliardenschwere Paket an Steuererleichterungen für die Konzerne führt gar zur Rückführung verschiedener Produktionsstätten in die USA. Das ist eine materielle Basis, Teile der Arbeiterklasse und breiten Massen für den (Handels-)kriegskurs zu gewinnen. In Deutschland beteiligen sich weite Teile der rechten Gewerkschaftsführung an dieser Methode. Besonders die IGM-Spitze machte sich immer wieder zum Bündnispartner „ihrer“ Monopole im Kampf um angebliche Schutzzölle.
Auf dem Rücken der Massen
Inzwischen kündigen von den neuen Zöllen betroffene Firmen auch die Verlagerung ihrer Betriebe an. Harley Davidson will angesichts 40 000 in der EU abgesetzter Motorräder nun eine Fabrik in der EU bauen. Daimler und BMW überlegen, ihre US-Werke direkt nach China zu verlagern. Spätestens hier wird deutlich, dass die Handelskriegsmaßnahmen entgegen aller Trump’schen Schwüre auf dem Rücken der Arbeiterklasse auch der USA ausgetragen werden. Die gebeutelten Farmer versprachen sich von Trump eigentlich höhere Einnahmen. Nun müssen sie sogar um staatliche Unterstützung bzw. eine Abnahmegarantie betteln. GM kann nicht umhin festzustellen, die Zölle von US-Präsident Trump „könnten auch in den USA zu Jobverlust und letztlich zu einem ‚kleineren GM‘ führen“. Ford und GM versuchen nun, „Kosten beim Personal einzusparen“.
Die Hauptlast des Handelskriegs und der drohenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise bürden die imperialistischen Mächte in jedem Fall den Massen in allen Ländern auf. Höhere Preise, Inflation (=Entwertung der Löhne), fortschreitende Umweltzerstörung, verschärfte Ausbeutung und Arbeitsplatzvernichtung sind die Folgen, auf die sich die Werktätigen aller Ländern einstellen müssen – bis hin zur Gefahr eines III. Weltkriegs.
Fairer Welthandel ist möglich
„Es ist nicht die Sache der Sozialisten, dem jüngeren und kräftigeren Räuber … zu helfen, die älteren, sattgefressenen Räuber auszuplündern. Die Sozialisten haben den Kampf zwischen den Räubern auszunutzen, um sie allesamt zu beseitigen“, forderte Lenin 1915. Das gilt heute angesichts der wachsenden Zahl imperialistischer Mächte umso mehr. Denn heute sind alle materiellen Voraussetzungen für einen fairen und gleichberechtigen Welthandel so gut entwickelt wie noch nie in der Menschheitsgeschichte. Die ganze Entwicklung des Imperialismus drängt nach einer grundlegenden Änderung, nach der Inbesitznahme der internationalisierten Produktionsmittel durch die Arbeiterklasse und ihre Nutzung im Interesse der Massen. Dafür ist „nur“ die revolutionäre Überwindung des imperialistischen Weltsystems notwendig!
„Die Arbeitsteilung im Rahmen internationaler monopolistischer Produktionsverbünde auf Grundlage des Konkurrenzkampfs muss in internationale Arbeitsteilung gleichberechtigter, freiwillig und zum gegenseitigen Vorteil miteinander verbundener sozialistischer Nationen umgewandelt werden. In diesem Prozess muss auch ein systematischer Ausgleich zwischen rückschrittlichen und fortgeschritteneren Ländern erfolgen, um die extreme Ungleichmäßigkeit, die das imperialistische Weltsystem hinterlassen hat, zu überwinden. Die kapitalistische Konkurrenz muss durch planmäßigen sozialistischen Wettbewerb als neue Triebkraft der Produktion ersetzt werden.“14
Es spricht alles für die zielstrebige Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution, insbesondere durch die Stärkung der marxistisch-leninistischen Parteien und ihrer Kooperation und Koordination in der ICOR.