Oktoberrevolution
Stalins Rolle in der Oktoberrevolution
Viele Antikommunisten, vor allem Trotzkisten, behaupten unter anderem auf Wikipedia, Stalin hätte sehr wenig mit der Vorbereitung und Durchführung der Oktoberrevolution zu tun gehabt. Wie war es wirklich?
Seit Langem gehörte Stalin zum engsten Führungskreis der bolschewistischen Partei. Auch in der Zeit von Februar bis zum 7. November 1917, als er eine enorme organisatorische und publizistische Arbeit leistete. Nach dem Sturz des Zaren war er nach vierjähriger Verbannung nach Petersburg gekommen. Das Zentralkomitee beauftragte Stalin und Kamenew mit der Herausgabe des Parteiorgans Prawda (Wahrheit). Mit Molotow zusammen leitete Stalin auch die Tätigkeit des Zentralkomitees der Bolschewiki und des Petrograder Komitees der Bolschewiki.
Im März 1917 wurde die bürgerliche Provisorische Regierung unter Mithilfe der Sozialrevolutionäre und Menschewiki gebildet. Sie trat ein für die Weiterführung des Krieges, war gegen die Enteignung der Großgrundbesitzer und die Verteilung der Länder an die Bauern. Neben der bürgerlichen Regierung entstanden gleichzeitig die Sowjets (Räte) der teilweise bewaffneten Arbeiter- und Soldatendeputierten. Hier waren die Bolschewiki zu dieser Zeit noch in der Minderheit.
Diese Doppelherrschaft war eine Besonderheit der russischen Revolution. Für viele Bolschewiki war aufgrund dieser Besonderheit zunächst nicht richtig klar, wie es weitergehen sollte. Die Partei „schlug eine Politik des Drucks der Sowjets auf die Provisorische Regierung in der Frage des Friedens ein und konnte sich nicht entschließen, sofort den Schritt vorwärts, … zu der neuen Losung ‚Alle Macht den Sowjets‘, zu tun.“1 Lenin, der sich zu dieser Zeit noch im Exil in der Schweiz befand, kam am 3. April 1917 zurück nach Russland. In seinen Aprilthesen formulierte er die Aufgaben für die bolschewistische Partei. Ziel war es, die ganze Staatsmacht an die Sowjets zu übertragen und die Sowjetrepublik zu errichten. Lenin sprach sich gegen jegliche Unterstützung der Provisorischen Regierung aus. Stalin sagte später zu seiner eigenen Rolle damals, dass er zunächst eine falsche Position vertreten habe. Davon habe er sich „erst Mitte April vollständig losgesagt, als ich mich den Thesen Lenins anschloss.“2
Die 5. Parteikonferenz, die am 24. April eröffnet wurde, nahm Lenins Aprilthesen an. Stalin wurde einer von drei Sekretären des ZK und blieb weiter einer der Herausgeber der Parteizeitung Prawda. Kein anderes Mitglied der bolschewistischen Partei trug so viel exekutive und administrative Verantwortung. Lenin war der anerkannte Führer. Stalin sein Generalstabschef.3
Kerenski ließ als Kriegsminister der Provisorischen Regierung am 1. Juli eine militärische Großoffensive gegen Deutschland starten, die in einem Desaster endete. Die Antwort der Massen waren Demonstrationen und Protestversammlungen. In Petersburg kam es Mitte Juli zu einem spontanen Aufstandsversuch bewaffneter Soldaten, Matrosen und Arbeiter. Die Bolschewiki überzeugten die Kampfbereiten davon, noch nicht zum Aufstand überzugehen. Noch hatten die mit der Provisorischen Regierung paktierenden Menschewiki und Sozialrevolutionäre die Mehrheit in den Sowjets. Es gelang den Bolschewiki, den Aufstandsversuch in Massendemonstrationen umzuwandeln. Am 19. Juli begannen die Unterdrückungsmaßnahmen der Provisorischen Regierung. Sie richteten sich vor allem gegen die bolschewistische Partei und andere revolutionäre Kräfte. Gegen Lenin wurde eine wilde Hetzkampagne entfacht. Er wurde als „deutscher Spion“ diffamiert und von den Staatsorganen gesucht. Trotzki, Kamenew und andere waren dafür, dass er sich den Gerichten der Konterrevolution stellen sollte. Die Mehrheit der Parteiführung lehnte das völlig zu Recht ab. Lenin wurde an verschiedenen Orten versteckt, Ende August übersiedelte er nach Finnland.
Stalin übernahm zusammen mit Dzierzyinski und Swerdlow die Führung der Partei. Vom 26. Juli bis 3. August 1917 fand die 6. Allrussische Parteikonferenz unter den Bedingungen der Illegalität statt. Stalin schlug auf dieser Konferenz die Aufnahme Trotzkis und seiner Anhänger, der Gruppe „Mesjaronzi“, vor. Deren Mitglieder, ehemalige Bolschewiki und Menschewiki, erklärten ihre vorbehaltlose Zustimmung zu Programm und Politik der Bolschewiki.4 Aber auf diesem Parteikongress beantragte Preobraschenski, ein Anhänger Trotzkis, die Änderung einer von Stalin vorgelegten Resolution. Diese Änderung besagte: Nur wenn in Westeuropa die proletarische Revolution siegen würde, könnte in Russland der Sozialismus aufgebaut werden. Diese Frage spielte in den nächsten zehn Jahren eine zentrale Rolle in den innerparteilichen Auseinandersetzungen. Fälschlicherweise wird diese Auseinandersetzung oft als persönlicher Machtkampf Stalins dargestellt.
Am 16. Oktober wählte das Zentralkomitee ein Parteizentrum mit Stalin an der Spitze, das für die Organisierung des Aufstands verantwortlich war. Kamenew und Sinowjew waren gegen den Aufstand und machten die Pläne sogar öffentlich bekannt. Sie waren der Ansicht, dass man warten müsse, bis die Regierung angreift. Die Revolution begann in der Nacht vom 6./7. November. Nach dem Sieg der Oktoberrevolution wurde Stalin Mitglied des Rats der Volkskommissare. Stalin hat großen persönlichen Anteil am Erfolg der Oktoberrevolution in Russland. Er hatte enge Verbindungen zu den Parteimitgliedern und auch den werktätigen Massen. Auf dem I. Allrussischen Sowjetkongress im Juli 1917 wurde er beispielsweise zum Mitglied des Zentralexekutivkomitees der Sowjets gewählt. Auf dem II. Kongress, wie oben beschrieben, zum Volkskommissar. Darstellungen, die seine Rolle damals heruntersetzen, beruhen entweder auf Unkenntnis – oder sind verleumderisch.