Wahlbewertung: Regierungsbildung auf wackeligen Beinen - Internationalistisches Bündnis stärken!
Man sollte es kaum glauben. Bundeskanzlerin Merkel konnte am Tag nach der Bundestagswahl "nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten". Und Martin Schulz möchte zusammen mit Andrea Nahles als Fraktionschefin das zukünftige "Dreamteam" der SPD bilden.
Dabei wurden ihre beiden Parteien mit einem Verlust von über 13 Prozentpunkten beim Stimmenergebnis drastisch abgestraft. Die großen selbst ernannten „Volksparteien" sind auf das niedrigste Niveau seit 1949 abgerutscht.
Die Internationalistische Liste/MLPD konnte ihr bisher stärkstes Wahlergebnis erreichen - auch im Vergleich mit bisherigen Wahlbeteiligungen der MLPD. Sie hat vor allem aufgrund der Aufstellung ihrer vielen Direktkandidaten insgesamt 62.000 Wähler überzeugen können, sie mit der Erst- und/oder der Zweitstimme zu wählen. Beim bisher besten Wahlergebnis 2005 waren es 56.000.
Regierungsbildung erschwert
Auch wenn CDU/CSU und SPD krampfhaft versuchen, das Wahlergebnis schön zu reden - es erschwert die Bildung einer stabilen Regierung im Interesse des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals erheblich.
Eine weitere Beteiligung der SPD an einer Großen Koalition würde ihren politischen Absturz noch mehr beschleunigen. Deshalb lehnt Schulz dies lautstark ab. Ob es letztlich dabei bleibt, steht auf einem anderen Blatt.
"Jamaika"-Koalition auf wackligen Beinen
Für die Herrschenden kommt angesichts der parlamentarischen Kräfteverhältnisse gegenwärtig nur eine "Jamaika"-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen in Frage. Was so farbenfroh daherkommt, wäre aber von vornherein eine labile Konstruktion.
Selbst an der Basis der beteiligten Parteien wird sie mehrheitlich abgelehnt. Bei den FDP-Wählern unterstützen sie nur 42 Prozent, bei den Grünen 38 Prozent und bei den Unions-Wählern 31 Prozent (Umfrage von Infratest dimap). Eine "Jamaika"-Koalition würde angesichts der hohen Zahl von Nichtwählern und Wählern kleinerer Parteien nur 39 Prozent aller Wahlberechtigten "repräsentieren".
Kompromissbereitschaft zu weiterem Rechtsruck
Was alle "Jamaika"-Parteien eint, ist die Bereitschaft, die Interessen der Monopole geschäftsführend zu vertreten. Über die konkrete Umsetzung beginnt schon jetzt der Streit. So fordert CSU-Chef Horst Seehofer: "Wir haben eine offene Flanke auf der rechten Seite. Jetzt kommt es darauf an, dass wir diese Flanke schließen." Ein unverhohlener Aufruf zum weiteren Rechtsruck unter dem Vorwand des angeblichen "Wählerwillens".
Bundeskanzlerin Merkel beharrt zwar auf ihrem "Weiter so", sagt aber jetzt schon, dass sie sich mit der CSU einigen will. Ihr "Weiter so" ist eine Fortsetzung des bisherigen Rechtsrucks der Regierung. Am meisten zieren sich aufgrund ihrer Massenbasis die Grünen, doch Partei-Chef Cem Özdemir signalisiert ebenfalls: „Alle müssen Kompromisse machen.“
Die Spitzen der beiden großen Unternehmerverbände BDI und BDA erteilten "Jamaika" bereits ihren Segen. "Ich glaube sehr wohl, dass wir mit den Inhalten leben können", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezogen auf diese Konstellation. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, forderte "angesichts der weltpolitischen Lage und der wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten ... möglichst schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung".
AfD-Zugewinne ernst nehmen
Dass die Wähler die Große Koalition abgestraft haben, ist berechtigt. Allerdings gelang es durch eine systematische Aufwertung und Protegierung der rassistischen AfD, den Protest zu einem erheblichen Teil auf deren Konto umzuleiten. Diese Zuwächse der AfD müssen sehr ernst genommen werden. Das betonte auch Gabi Fechtner, Vorsitzende der MLPD, in ihrer ersten Wahlanalyse:
Schon am ersten Tag nach der Wahl setzt sich allerdings auch die Entzauberung der AfD fort. Die bisherige Parteivorsitzende Frauke Petry verließ demonstrativ die gemeinsame Pressekonferenz der Parteispitze, erklärte ihren Austritt aus der Fraktion und kündigte heute ihren Parteiaustritt an.
Das ist eine Reaktion darauf, dass die faschistoiden und faschistischen Kräfte die AfD immer mehr dominieren. Dazu gehören nicht nur Alexander Gauland und Björn Höcke, sondern auch Kräfte wie Jens Meier oder Wilhelm von Gottberg, die unter anderem ein Ende des „deutschen Schuldkults“ fordern.
Stefan Engel: "Das Internationalistische Bündnis weiter aufbauen"
In einem Redebeitrag auf der gestrigen Montagsdemonstration in Gelsenkirchen sagte Stefan Engel, langjähriger Vorsitzender der MLPD und jetzt Leiter der Redaktion ihres theoretischen Organs, dazu unter anderem:
"Woher kommt das, warum hat die AfD einen solchen Aufwind gekriegt? Erinnert euch: Nach den Landtagswahlen im Mai hatten sie wieder etwas verloren, sind auf sieben Prozent bei den Umfragen runter.
Erst in den letzten Wochen, seit dem G20-Gipfel in Hamburg, als die Bundesregierung meinte, man müsse den Hauptstoß gegen Links richten und eine sogenannte Linksextremismus-Kampagne gestartet hat, hat sich die AfD als Oberscharfmacherin profilieren können und hat mit dieser Kampagne gegen links die rechte Flanke aufgemacht.
Man hat ihnen ungeheuer viel Spielraum gegeben, ihre rechte Politik zu verbreiten. Die Bundesregierung, also die Große Koalition, ist mit dafür verantwortlich, der AfD diesen Durchmarsch zu erleichtern und ihnen soviel Spielraum zu geben. …
Gegen diese Rechtsentwicklung brauchen wir ein breites Bündnis. Keine fortschrittliche Organisation kann allein eine Überlegenheit gegen diese Rechtsentwicklung herstellen. Wir müssen das Bündnis weiter aufbauen. Bisher sind es 16 Organisationen, es müssen aber 50 Organisationen werden, es müssen Zehntausende werden, die sich dem anschließen, da muss man auch mal kompromissbereit sein.
"Wir werden die Massenentlassungen erleben"
Wir können es nicht zulassen, dass jeder für sich über die AfD meckert. Wir müssen ... eine überlegene antifaschistische, antirassistische, demokratische Bewegung aufbauen, um dieser rechten Entwicklung entgegenzutreten. Dazu ist die Regierung nicht in der Lage, dazu sind die bürgerlichen Parteien nicht in der Lage, das muss von der Bevölkerung selbst kommen und organisiert werden. Wenn wir sagen: "Wir sind das Volk", dann ist das eine der zentralen Aufgaben, die wir leisten müssen. …
Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass die Situation, die auf uns zukommt, kompliziert wird. Wir werden als nächstes die Ankündigung von Massenentlassungen aus den Betrieben erleben, wir werden eine Strukturkrise in der Industrie erleben, an der mehrere Branchen beteiligt sind - die Elektrobranche, die Auto- und Chemiebranche. Da werden Massenentlassungen auf uns zukommen, das deutet sich schon an."