Spitzensport in den Klauen des Finanzkapitals
Milliarden Menschen auf der Welt verfolgen große Sportereignisse, Olympische Spiele, Weltmeisterschaften oft mit Begeisterung. Das Fernsehen übermittelt faszinierende Bilder, wo Hundertstelsekunden und wenige Zentimeter über Sieg und Niederlage entscheiden.
Der Spitzensport wirkt als Lokomotive, um Millionen Menschen in der Freizeit zu sportlichen Aktivitäten anzuregen. Zugleich ist der Spitzensport wie noch nie von Profitinteressen bestimmt und mit Skandalen gepflastert: Korruption, Doping, Manipulation, Gerangel um Übertragungsrechte ... Wer ab 2018 die Fußball-Champions-League im Fernsehen schauen möchte, muss dafür bezahlen – der Pay-TV-Sender Sky hat sich die Rechte gesichert.
Sport wurde im Kapitalismus um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu einer Massenbewegung. Im Feudalismus war sportliche Betätigung Luxus – und den Herrschenden vorbehalten. Im Volk waren hauptsächlich Glücksspiele beliebt. Vor allem die Arbeiterklasse hat den Drang nach sportlichem Wettkampf immer mehr zu einer Massenerscheinung gemacht. Für sie war und ist Sport oft Ausgleich für einseitige körperliche Arbeit. Die Freude am Sport rührt aus einem – mit durch die Großproduktion entstandenden Bedürfnis – sich durch messbaren Vergleich zu verbessern. Mit dem erfolgreichen Kampf um Verkürzung der Arbeitszeit konnten immer mehr Arbeiterinnen und Arbeiter in ihrer Freizeit Sport treiben. Heute findet in Deutschland in Tausenden Amateur- und Hobby-Sportgruppen und Vereinen ein hoher, meist ehrenamtlicher Einsatz von Trainern, Betreuern und Eltern statt – für den solidarischen Zusammenhalt und die Achtung vor dem Mitspieler und Gegner. Nicht zufällig stehen Mannschaftssportarten an der Spitze der Beliebtheit, allen voran Fußball.
Die Kapitalisten und ihre Regierungen nutzen den Sport heute mehr denn je als Instrument für ihre Propaganda und Profitmacherei. Mit Sorge blicken Fußballfans auch auf gewalttätige Übergriffe von einzelnen faschistischen und rassistischen Gruppierungen. Diese werden von Politik und Polizei zu Bürgerkriegsübungen und Überwachungsszenarien genutzt. Unter der Masse der Fans haben Faschisten keine Chance.
Spitzenvereine am Tropf von Monopolen
Der Umsatz der 18 Bundesligaklubs lag 2013/2014 bei 2,45 Milliarden Euro – ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die fünf größten Fußball-Profiligen setzten 2013/2014 jährlich rund 11 Milliarden Euro um. Die Investoren erwarten im Jahr 2017 eine Verdoppelung! Das wäre dann ein Umsatz in Höhe des Porsche-Konzerns. Dazu kommen: Sportartikel, Sportwetten, die Gastronomie, Übertragungsrechte, Werbespots, Trikot-Werbung …
Heute hängen die Spitzenvereine alle am Tropf von Industrie- und Bankmonopolen und werden von ihnen diktiert. VW hat seine abgasgiftigen Finger in nicht weniger als 16 deutschen Profiklubs. Auffällig sind die zunehmenden Investitionen aus neuimperialistischen Ländern – vor allem aus den sogenannten BRICS- und MIST-Staaten: So investierte der russische Gas- und Öl-Milliardär Roman Abramowitsch beim FC Chelsea 165 Millionen Euro. Allein 2014 erzielte der Klub 30 Millionen Euro Reingewinn. Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, Mitglied der Herrscherfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate, kaufte 2009 Manchester City. Er pumpte eine Milliarde Euro in den Klub. Zwei englische Meistertitel waren das Ergebnis.
Die Investitionen größter Kapitalmengen in den internationalen Spitzensport erwachsen nicht aus den Vorlieben einzelner russischer Oligarchen, saudischer Prinzen oder Fleischfabrikanten wie Uli Hoeneß oder Clemens Tönnies. Die weitverbreitete Auffassung, dass sich internationale Konzerne der „korrupten FIFA“ aus Profitinteressen unterordnen, stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Die Triebkraft hinter dieser Entwicklung ist nicht im Sportbereich selbst zu finden. Im Spitzensport wirken die gleichen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten wie auf anderen Gebieten des Kapitalismus – heute auf der Stufe der Neuorganisation der internationalen Produktion.
Seit den 1990er-Jahren bleiben die Maximalprofit versprechenden Anlagemöglichkeiten stets hinter der Ausdehnung des Kapitals zurück. Die Überakkumulation von Kapital ist chronisch geworden. So entstand für das internationale Finanzkapital der Zwang, Kapital in neue maximalprofit versprechende Bereiche zu investieren. Dazu gehört die rücksichtslose Ausbeutung von Naturressourcen (Tiefseebohrungen, Fracking, Urwaldrodungen usw.). Weitere Felder sind die öffentliche Daseinsfürsorge (Krankenhäuser, Bildung …), Kultur (Theater, Bäder …) bis hin zur perversen Spekulation mit Lebensmitteln und Hunger. Auch den Spitzensport hat das allein herrschende Finanzkapital längst für sich entdeckt. Die Regierungen schaffen dafür willfährig die Rahmenbedingungen.
Maximalprofit mit Spitzensport
Medienkonzerne spielen im „System Spitzensport“ heute eine Schlüsselrolle. Es sind US-Konzerne wie Comcast (NBC) und Discovery Communications (Eurosport), die durch den Erwerb von Fernsehrechten die FIFA und das IOC zu einem Gutteil finanzieren – und darüber bestimmen, was und wann gesendet wird. Als olympische Wettbewerbe – wie Schwimmen in Rio (2016) oder Skispringen in Sotschi (2014) – auf nachtschlafende Zeit gelegt wurden, geschah das im Interesse von NBC und Co. Im Interesse ihrer Werbeeinnahmen musste die Direktübertragung in den USA bei Tage erfolgen.
Die Spitzengremien des Sports und seiner Berichterstattung sind den Interessen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals untergeordnet. Dafür steht als Galionsfigur heute Dr. Thomas Bach, der aus Deutschland stammende Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Der frühere Spitzenfechter und Rechtsanwalt gilt als enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Als FDP-Mitglied geht Bach im CDU-geführten Innenministerium ein und aus, wo die Regierungskompetenz für Sportpolitik angesiedelt ist. Zu dieser Connection gehört auch Michael Vesper (Grüne), der seit 2006 dem Deutschen Olympischen Komitee als Vorstand vorsitzt.
Bach war mehrere Jahre im Beraterkreis des Bundesministers für Wirtschaft. Er wurde von Adidas in dessen Direktorium für internationale Beziehungen berufen, wurde Aufsichtsrat oder sogenannter „Berater“ führender Übermonopole, wie Siemens. Bach steht heute einem Weltverband mit Rücklagen von geschätzt mehr als einer Milliarde Dollar1 vor. Hinter den Kulissen zieht er die Drähte im Auftrag alter und neuimperialistischer Regierungen.
„Sport ist die schönste Nebensache der Welt“, erklärte Dr. Andre Hahn von der Linkspartei 2015 im Deutschen Bundestag. Wenn er dann allerdings Thomas Bach viel Erfolg wünscht, zeigt das eine bemerkenswert naive Unterschätzung der Problematik.
Wie ökonomische und machtpolitische Interessen mit der Sportpolitik verfolgt werden, zeigt die Vergabe der Fußball-WM 2018 an Russland und 2022 an Katar: Für die Stimmabgabe für Russland erhielt der UEFA-Funktionär Marios Lefkaritis aus Zypern kurz vor der WM-Vergabe für seinen Ölkonzern Petrolina lukrative Aufträge von einer Gazprom-Tochter. Der UEFA-Funktionär und deutsche Nenn-Kaiser, Franz Beckenbauer, wurde wenige Monate nach der Vergabe vom WM-Organisationspartner Gazprom als „Sportbotschafter“ verpflichtet.
Die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar hat das Golf-Emirat mehr oder weniger direkt gekauft. Nach Berechnungen der britischen Daily Mail hat Katar dafür mehr als 24 Milliarden Euro ausgegeben. Nach Besuchen im Ausland durch das Ex-FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied Mohamed bin Hammam übernahm Katar den Spitzenfußball-Klub Paris St. Germain und die Übertragungsrechte der höchsten französischen Liga.
Die schöne Werbung verbirgt, auf wessen Kosten die Adidas-Profite erzielt werden: Adidas lässt in 69 Ländern produzieren. Weil in China die Löhne steigen, zieht sich Adidas dort zurück. Der Konzern baut Kapazitäten in anderen Ländern auf – mit noch niedrigeren Löhnen. Adidas entgegnet Kritikern: Wir bezahlen die Mindestlöhne. Der lag 2013 in Kambodscha bei 60 Euro im Monat. Davon kann aber selbst dort niemand leben – das Existenzminimum liegt bei 286 Euro. Adidas lässt zu solchen Mindestöhnen auch in Malaysia, Sri Lanka, Indien, Indonesien und Bangladesch produzieren.
Mensch und Natur betroffen
Der Spitzensport wird heute wissenschaftlich betrieben: Körperreaktionen, Blutwerte usw. gemessen und Ernährungs- und Trainingsmethoden auf höchste rationelle Zweckmäßigkeit zur Steigerung von Ausdauer und Kraft getestet. Ein durchaus positiver Nebeneffekt sind nutzbringende Anwendungen im Reha-Sport und gesundheitsfördernde Massenbewegungen, wie Walking und andere.
Die kapitalistische Profitmacherei stellt aber all das einseitig unter das Diktat „Leistung und Sieg um jeden Preis“. Schon früher haben krasse Dopingfälle im Radsport bei Lance Armstrong, Jan Ulrich und anderen echt mafiöse Strukturen gezeigt. Inzwischen haben wir es vielerorts mit halbstaatlichen, ausgefeilten Dopingsystemen zu tun – wie sie inzwischen weltweit in Russland, in Kenia, in Deutschland, bei jamaikanischen Sprintern usw. aufgeflogen sind.
Karrierismus, Korruption, Bestechung, Doping, irrwitzige Spielergehälter – all das funktioniert nur durch die Macht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Und sie widerspiegeln die Fäulnis des imperialistischen Weltsystems. Die Herrschenden der Welt verbreiten den bürgerlichen Ehrgeiz wie ein Virus. Fußballstar zu werden ist heute unter Afrikas Jugend ein verbreiteter Traum, um individuell Hunger, Krieg und Elend zu entkommen.
Wenn Eltern ihre Kinder zu künftigen Stars trimmen wollen, wenn junge Sportler ohne Rücksicht auf den eigenen Körper Verschleiß von Knochen und Gelenken in Kauf nehmen, dann wird das im Allgemeinen abgelehnt. Die Zuschauer kritisieren in ihrer großen Mehrheit solche Erscheinungen. Sie haben ein Gespür, mit welchen Spitzensportlern sie sich identifizieren – und welche sie ablehnen. Und immer weniger lassen sie sich von hochgezüchteter nationalistischer Begeisterung anstecken. Im Gegenteil: Gegen den Bau des Olympischen Golfplatzes in Rio 2016 leisteten die Mitglieder von „Ocupa Golfe“ Widerstand. Umweltverbände schlagen in Südkorea Alarm, weil einer der bedeutendsten Urwälder Südkoreas durch die Olympischen Winterspiele 2018 in Gefahr ist.
Die Herrschenden müssen heute viel mehr als früher mit den Massen rechnen und können auch im Sport nicht schalten und walten, wie sie wollen. Dabei spielen auch manche mutigen Journalisten eine gute Rolle.
Spitzensport im Sozialismus
Im Sozialismus werden spannende Wettkämpfe im Sport und im Spitzensport und faires Verhalten von Sportlern gefördert. Im damals noch sozialistischen China unter der Führung von Mao Zedong wurden Spitzensportler sowohl gut ausgebildet als auch zur Bescheidenheit im Dienste des Volkes erzogen. Sie machten Tourneen auf dem Lande und unterrichteten Kinder in ihrer Sportart. Sie waren positive Werbeträger für den Sozialismus auf der internationalen Sportbühne. Für Furore sorgte in den 1970er-Jahren die chinesische Tischtennismannschaft: in der Zeit der Kulturrevolution gewann sie nicht nur Wettkämpfe bei der Weltmeisterschaft. Sie luden auch andere Mannschaften ein, mit ihnen zusammen zu trainieren und gegenseitig voneinander zu lernen. Sie lebten das Motto „Freundschaft im Wettkampf“ vor.
Mit dem bürgerlichen Sportbetrieb heute wird die kleinbürgerliche Denkweise gezüchtet – die Menschen in solche erster Klasse (Siegertypen) und zweiter Klasse (die Looser) gespalten. Es wäre aber grundfalsch, deshalb Kinder vom Sport abzuhalten. Sie können dabei wichtige Eigenschaften für ihre Persönlichkeit lernen, etwa: Grenzen überwinden, kollektiv handeln, Erfolge und Rückschläge richtig verarbeiten; Bescheidenheit im Sieg und Achtung gegenüber dem Verlierer. Sport ist wesentlicher Bestandteil auf den Sommercamps des Jugendverbands REBELL. Sport gehört zur Lebensschule der proletarischen Denkweise unter der Masse der Jugend. Das fördern die MLPD, der Jugendverband REBELL und die Kinderorganisation Rotfüchse.
Gemeinsamer Sport, überhaupt Bewegung und Kultur stärken den Zusammenhalt. Viele Kolleginnen und Kollegen müssen sich das in Zeiten wachsender Schichtarbeit, Flexibilisierung und Wochenendarbeit richtig erkämpfen. Zudem wird der Breitensport immer mehr individualisiert und teurer. Werbung inszeniert Sport als egozentrische Selbstdarstellung und Körperkult. Wo früher Vereine und Bäder städtisch gefördert wurden, findet man heute immer öfter teure Fitness-Ketten oder privatisierte „Spaßbäder“.
Wachsende Bewegungsarmut ist eine Ursache für den dramatischen Anstieg von Volkskrankheiten wie Diabetes, Krebs, Bluthochdruck. Bürgerliche Wissenschaftler machen dafür in erster Linie die Einzelnen verantwortlich. Natürlich hat jeder eine eigene Verantwortung. Aber die Hauptursachen liegen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Profitsystem. Wenn Sportstätten vordergründig aus Kostengründen geschlossen werden, wohnungsnahe Freiflächen dem Ausbau von Verkehrsflächen und Gewerbegebieten weichen müssen. Allerdings gibt es zunehmend selbst organisierte Aktivitäten wie gemeinsame Jogging- oder Walking-Gruppen, Fußball-Hobbymannschaften usw. Es gehört zur proletarischen Weltanschauung, solche Initiativen zur Stärkung des Zusammenhalts, der Erhaltung der eigenen Gesundheit und Fitness aktiv zu fördern und sich zu beteiligen.
Die Förderung des Breitensports ist ein zentrales Anliegen der MLPD. Sie fordert in ihrem Programm eine „qualifizierte Aufklärung und Erziehung für eine gesunde Ernährung! Ausbau kostenloser Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche!“ Ein solidarischer, auf die Bedürfnisse der Gesellschaft abzielender Sportbetrieb, kann aber erst im Sozialismus gesamtgesellschaftlich gefördert und Allgemeingut werden – befreit aus den Klauen des Finanzkapitals.
1 Bei seinem Amtsantritt 2013 betrugen die Rücklagen des IOC 901 Millionen US-Dollar