Fußball in Diyarbakır: Hoffnung für ein ganzes Volk

Fußball in Diyarbakır: Hoffnung für ein ganzes Volk

Amed SK ist ein Fußballverein aus der kurdischen Stadt Diyarbakır. Der Verein spielt in der dritthöchsten Klasse der Fußball-Liga der Türkei – aber das ist nicht so einfach

Diyarbakır gilt als Hochburg der regierungskritischen links ausgerichteten Partei HDP1. Zugleich wird Diyarbakır als die inoffizielle Hauptstadt Kurdistans angesehen. Zur Wintersaison 2015/16 änderte der Fußballverein „Diyarbakır B.B.“ seinen Namen in „Amed SK“. Amed ist der kurdische Name der Stadt Diyarbakır. Man sollte annehmen, dass eine solche Änderung problemlos über die Bühne geht und bei Mannschaften in unteren Ligen keine große Aufmerksamkeit erregt.

Doch es kam anders. Der türkische Fußallverband (TFF) sah im Namenswechsel zunächst eine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Er versuchte mit allen Mitteln, die Namensänderung zu stoppen, um die Assimilationspolitik2 im Land zu verstärken. Amed SK drohte zeitweise sogar die Auflösung. Doch es fehlten dem Verband die legalen Mittel hierzu, und somit musste TFF die Namensänderung zunächst zähneknirschend akzeptieren.

Ein Traum der kurdischen Bevölkerung wurde wahr

Erstmals in der Geschichte gab es jetzt eine legale Organisation, welche unter einem kurdischen Namen auftreten konnte. Größere Anerkennung erlangte der Verein, als er ins Viertelfinale des Landespokals einzog und gegen den Spitzenclub Fenerbahçe Istanbul antrat. Trotz seines Ausscheidens aus dem Pokalwettbewerb erntete Amed SK eine starke positive Resonanz; nicht zuletzt durch den herzlichen und antirassistischen Empfang einer türkischen Mannschaft in einer kurdischen Stadt. Was anfangs in der Stadt und im Verein als großer Erfolg angesehen wurde, entwickelte sich schnell zu einem Albtraum. Sowohl die Regierung als auch der türkische Fußballverband wollten diese Namensänderung nicht einfach so hinnehmen und erklärten Amed SK den Krieg.

Eine zentrale Figur des Vereins ist ein 27-jähriger Kurde aus Deutschland. Deniz Naki, der auch schon für St. Pauli und für die deutsche U19-Nationalmannschaft auflief, entschied sich, den Verein zu unterstützen. Er wechselte vom türkischen Erstligisten Gençlerbirliği Ankara zu Amed SK. 2014 wurde Deniz Naki während seiner Zeit in Ankara Opfer eines Gewaltverbrechens von IS-Sympathisanten. Naki selbst ist kurdischer Abstammung und bekennt sich zur alevitischen Konfession. Weil die Fans von Amed SK links orientiert sind, wurden dem Verein wegen kommunistischer Parolen vom türkischen Verband mehrmals Geldstrafen in sechsstelliger Höhe auferlegt. Der Verband erkannte dem Verein ohne Angabe von Gründen in der letzten Saison den letzten Sieg ab und verhinderte somit den Aufstieg in die nächsthöhere Liga.

Naki hatte schon zuvor vom Verband eine Sperre für zwölf Spiele und eine hohe Geldstrafe bekommen. Grund dafür war seine Aussage, „Kinder sollen nicht mehr sterben, sie sollen zum Spiel kommen“. Nakis Satz fiel nach dem Pokalspielsieg gegen Bursaspor. Er hatte dabei ein Tor erzielt und es den Opfern des kurdisch-türkischen Konflikts gewidmet. Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin ein Verfahren gegen den deutschen Staatsbürger mit der Begründung der Terrorpropaganda. Naki drohten bis zu fünf Jahre Haft, aber das Urteil endete mit Freispruch. Es wird vermutet, dass diese Entscheidung aufgrund seiner internationalen Bekanntheit und deutschen Staatsbürgerschaft getroffen wurde.

Bei Auswärtsspielen in türkischen Städten wurden Fans und Mannschaft oft Opfer von rassistischen Angriffen und Parolen durch die gegnerischen Fans. Für viele türkische Fußballfans ist Amed SK eine „terroristische Mannschaft“ und somit Zielscheibe solcher Angriffe. Der Verein erhielt von TFF viele, zum großen Teil aus nicht nachvollziehbaren Gründen verhängte Geldstrafen. Während eines Ligaspiels gingen Vereinsmitglieder durch das Stadion und sammelten von den Fans Spendengelder ein, um wenigstens eine der zahlreichen Strafen bezahlen zu können.

Ein schwarzer Tag

Der 21. Dezember 2016 war ein sehr schwarzer Tag für den Verein und seine Anhänger. Mannschaftskapitän Şehmus Özer3 kam durch einen Verkehrsunfall ums Leben. Özer, der einige Tage zuvor den Ausgleichstreffer im Pokalspiel gegen Fenerbahçe erzielt hatte, kam bei dem Unfall von der Straße ab und landete im Graben. Er wurde erst zwei Tage nach dem Unfall tot aufgefunden. Wie sich später herausstellte, war die Todesursache nicht der Unfall, sondern Unterkühlung. Am nächsten Spieltag lief die Mannschaft mit Bildern ihres verstorbenen Kapitäns auf, auch dies wieder ein „Grund“ für den Verband, eine Geldstrafe zu verhängen. Aktuell kämpft Amed SK um den Aufstieg in die zweite Liga. Der Verein befindet sich unter den ersten fünf Plätzen in der Liga. Ziel ist der direkte Aufstieg als Tabellenführer. Landet die Mannschaft auf Platz 2 bis 5, muss sie für den Aufstieg noch mal in die Playoffs.

1 Demokratische Partei der Völker

2 Die Politik der türkischen Herrschenden, das kurdische Volk und seine Kultur auszulöschen, bzw. der Türkei einzuverleiben

3 Şehmus Özer ist auf dem Titelbild dieser Ausgabe zu sehen