„Verdachtskündigung“ – ein Angriff auf alle Arbeiter und Angestellten
Die gewerkschaftlich aktive Sozialarbeiterin Narzisse Nianur wurde bei der Zindel AG 2015 fristlos entlassen
Narzisse Nianur setzte sich im Betrieb für die Gründung eines Betriebsrates ein; sie ist auch in der Frauen- und Umweltbewegung aktiv und kandidierte bei Wahlen auf der offenen Liste der MLPD. Für die Zindel AG waren das offenbar Gründe genug, um sie politisch motiviert zu entlassen – auf dem Weg der „Verdachtskündigung“ wegen angeblichem Arbeitszeitbetrug.
Vor Gericht widerlegte Narzisse Nianur die Vorwürfe und lehnte mutig jeden Vergleich, das heißt faulen Kompromiss, ab. In erster Instanz wurde 2015 die Kündigung auch prompt zurückgewiesen – nicht dagegen dieses Jahr in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht. Ohne neue Fakten kassierte die Richterin innerhalb weniger Minuten das Urteil aus der ersten Instanz ein. Im Lichte neuer Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bewertete sie den Vorgang neu. Danach ist allein wegen des „Verdachts eines Arbeitszeitbetruges“ dem Betrieb eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zuzumuten. Beweisanträge ignorierte das Gericht, wie zum Beispiel den Antrag, Kollegen aus dem Betrieb als Zeugen anzuhören. Die BAG-Urteile reichten aus. Eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht lehnte das Gericht ab. Begründung: Die vorliegende Verdachtskündigung entspreche genau den bisherigen Vorgaben des höchsten Gerichtes.
Der Solidaritätskreis für Narzisse Nianur hatte mitgeholfen, dass zahlreiche Besucher bei jedem der Prozesstage ihre Solidarität zeigten. Dieses Urteil kann genauso wenig hingenommen werden wie die ganze Methode der Verdachtskündigung. Es geht jetzt darum, weitere Bündnispartner – vor allem in den Gewerkschaften – zu finden und die Öffentlichkeit zu informieren.
„Verdachtskündigung“ – Tatbestand der Nazi-Justiz
Die Verdachtskündigung wurde 1934 – im Jahr nach der Errichtung des Faschismus in Deutschland – durch Urteile des Reichsarbeitsgerichtes (RAG) eingeführt. Durch jüngere Urteile hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen Tatbestand übernommen und einen Rechtsruck im bundesdeutschen Arbeitsrecht vollzogen. Nicht der Betrieb muss dem Betroffenen wegen der „Unschuldsvermutung“ eine Verfehlung beweisen. Vielmehr muss die beschuldigte Person ihre Unschuld nachweisen. Unternehmen müssen lediglich „schwerwiegende“ Behauptungen in den Raum stellen, wegen derer das Vertrauen in den Beschäftigten nicht mehr vorhanden sei. Dem Beschäftigten müssen sie in einem Gespräch innerhalb einer Woche ermöglichen, den „Verdacht“ auszuräumen. Wenn dies in den Augen des Betriebs nicht gelingt, kann die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen.
Skrupellose Anwaltskanzleien wie die FPS Berlin frohlocken darüber: „Auch ohne erwiesene Schuld des Arbeitnehmers können Arbeitsverhältnisse beendet werden.“1 Verdachtskündigungen sind ein Angriff auf alle Arbeiter und Angestellten und fordern entsprechenden Protest heraus.
1 www.personalpraxis24.de