„Süßer die Kassen nie klingeln“
Weihnachten ist für viele Menschen ein Höhepunkt im Jahr. Sie freuen sich auf erholsame, gemütliche und gesellige Tage im Familien- und Freundeskreis.
Die Sorge um den Weltfrieden, Solidarität und Mitgefühl mit Unterdrückten, Flüchtlingen und Hungernden, das treibt viele ebenfalls um. Es lohnt sich auch, genauer hinzuschauen – wie die Herrschenden versuchen, diese Gefühle und Wünsche der Menschen für ihre Zwecke zu manipulieren und sie auszunutzen. Und wie sie ihrerseits ein „Fest der klingelnden Kassen“ inszenieren.
Weihnachten und das große Geschäft
Die Geschäftemacherei zu Weihnachten widert viele Menschen an. Bereits im September sieht man erstes Weihnachtsgebäck in den Läden. Der Einzelhandel möchte seinen Umsatz von 418 Milliarden Euro im Krisenjahr 2009 auf geplante 485 Milliarden im Jahr 2016 erhöhen. Beträgt der monatliche Umsatz während des Jahres im Durchschnitt 39 Milliarden Euro, liegt er im Weihnachtsgeschäft im November und Dezember bei knapp 46 Milliarden. Für den Online-Handel, die Logistik-, Touristik- und Gastronomiemonopole ist das Weihnachtsgeschäft der Höhepunkt des Jahres. Für viele kleine Geschäfte ist es allerdings entscheidend fürs Überleben. Denn der Einzelhandel ist mit der Tatsache konfrontiert, dass Arbeiterfamilien immer weniger Geld zur Verfügung haben. Während im Jahr 2000 noch 35,8 Prozent des verfügbaren Einkommens im Einzelhandel ausgegeben wurden, waren es 2014 nur noch 28,6 Prozent. Nie war in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich so groß wie derzeit. 13,4 Millionen Menschen leben mittlerweile von durchschnittlich 719 Euro im Monat.1 Auf der anderen Seite verfügen zehn Prozent der Haushalte über mehr als die Hälfte des Vermögens im Land.2
An Weihnachten kommt der eigentliche Charakter der kapitalistischen Produktion besonders deutlich zum Vorschein. Waren werden nicht produziert wegen ihres Gebrauchswerts, sondern um möglichst viel Profit zu machen. Mit riesigen Werbeaktionen versuchen die Kapitalisten der sinkenden Profitrate entgegenzuwirken, indem sie den Umsatz steigern wollen. Es hat sich eine ganze Weihnachtsindustrie entwickelt. Coca Cola schuf 1931 die Figur des heutigen Weihnachtsmannes als Werbeträger. Gezielt werden Wünsche erzeugt. Statusanschaffungen – weil es jeder hat und „braucht“: das neueste Smartphone, noch einen Smoothi-Mixer, eine Espresso-Maschine oder einen neuen Fernseher mit Ultra-Ultra HD Technik. Dann werde – so suggeriert es die Werbung – Weihnachten ein erfolgreiches Fest. Erfolgreich für wen?
Gezielt richtet sich die Werbung an Kinder und Jugendliche. Damit will die Industrie einen Kaufdruck auf die Eltern erzeugen. Wer nicht mitmacht, ist ein Rabenvater – eine Rabenmutter, und liebt seine Kinder nicht. 16 Prozent der Deutschen überziehen für dieses kleinbürgerliche Familienideal ihr Konto. Die Industrie missbraucht den berechtigten Wunsch, mit seinen Lieben zu feiern und ihnen eine Freude zu machen – und befördert dazu den kleinbürgerlichen Familiendünkel, an Weihnachten nur auf die eigene Familie zu schauen.
Klingelnde Kassen im Online-Handel
Immer mehr Menschen nutzen das Internet, um sich die überfüllten Innenstädte und den Einkaufsstress zu ersparen. Der Online-Handel nimmt besonders an Weihnachten krasse Formen an: So haben die Versandhäuser regelrechte Anlockmethoden zur Bestellung per Internet entwickelt. 52,3 Prozent der Onlinehändler bieten Rabatte bzw. Sonderangebote an. 29,5 Prozent locken mit Gewinnspielen. „Wer bis Donnerstag, 22. Dezember, 12 Uhr, per Express bestellt, erhält rechtzeitig zum Heiligabend seine Ware“, verspricht Kai Renchen, Gründer und Geschäftsführer von parfumdreams.de. Aber auf wessen Knochen wird dieses Versprechen ausgetragen? Sind es nicht die Logistik-Kollegen, die Lkw-Fahrer und die Postzusteller, die diese Versprechungen halten müssen – meist zu Niedrigstlöhnen?! Amazon weigert sich, den Versandhandelstarifvertrag anzunehmen. Dagegen wehren sich die Beschäftigten bei Amazon gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di in regelmäßigen Abständen mit Streikaktionen.
Das Umweltbundesamt hebt den Zeigefinger
Das Umweltbundesamt appelliert3, aus Liebe zur Umwelt weniger zu konsumieren, mit Verpackungen sparsam umzugehen und auf üppige Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten. Viel zu viele Lebensmittel würden gekauft, die dann hinterher im Müll landen. Tatsächlich ist das Müllaufkommen über die Weihnachtstage um 20 bis 30 Prozent höher als in normalen Zeiten. Der Hauptanteil ergibt sich aber nicht durch ein unkontrolliertes Verhalten der Privathaushalte, sondern durch aufwendige industrielle Verpackungen, die knapp 50 Prozent des Müllaufkommens in Deutschland ausmachen.4 Es ist zweifellos richtig, den Umweltaspekt bei der Weihnachtsbeleuchtung, dem Lebensmittelkonsum und den Verpackungen zu beachten. Aber es ist doch mehr als zweifelhaft, wenn das Bundesumweltamt hier den Zeigefinger hebt, während es sonst sehr großzügig über Umweltzerstörung im großen Stil hinwegsieht. Wieso unternimmt das Bundesumweltamt nichts gegen die Umweltverschmutzung durch Millionen Diesel-Lkw der Logistik-Branche? Bei der Bevölkerung kommt diese Belehrung nicht gut an, zumal die Mitverantwortung von Regierung und Behörden für die Manipulation von Abgaswerten immer offener zutage tritt.
Spendenbereitschaft wird missbraucht
Die Spendenbereitschaft ist in der Weihnachtszeit besonders groß. 2015 wurden in Deutschland rund 5,5 Milliarden Euro für humanitäre Zwecke gespendet.5 Es vergeht auch kein Abend im Dezember im Fernsehen ohne Spendengala oder Spenden-Werbeaufruf. Scheinheilig bieten sich Stars und Sternchen für TV-Spendengalas an, wie Carmen Nebel bei der ZDF Krebshilfe-Benefizshow. Tatsächlich streicht das ZDF von den gesammelten 1,5 Millionen Spenden satte 600 000 Euro für die Ausrichtung der Show ein.6 Diese Shows bedienen das ehrliche Bedürfnis der Menschen, helfen zu wollen, die Not anderer zu lindern und ihnen etwas abzugeben.
Alle diese Galas und Spendenaufrufe täuschen vor, dass wir mit vereinten Kräften das schaffen, was die Politik nicht leisten kann. Damit wird von den eigentlichen Ursachen abgelenkt: Die Politik der Herrschenden im Kapitalismus ist weder willens noch in der Lage, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Somit werden diese Shows und Spendenaufrufe inszeniert als Instrument der Klassenversöhnung.
Weihnachten – Zeit der „frommen“ Sprüche
Weihnachtszeit ist auch Hoch-Zeit für bürgerliche Politiker: Sie versuchen, die Stimmung der Massen auszunutzen, um die Lebenslügen des Kapitalismus zu verbreiten – geschickt verpackt. Frau Merkel appellierte in ihrer Neujahrsansprache 2016, „jeder (solle) sein Bestes geben“, „die Wirtschaft, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, damit sich die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft weiter entfalten können“. Diese kapitalistische Wirtschaft ist jedoch nicht sozial, sondern beruht auf Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen und der Natur durch den Menschen, was die Politiker mit entsprechenden Gesetzen absichern. Dazu gehört auch die zynische „Tradition“ von Betrieben, Kollegen – nicht nur die mit Zeitverträgen – kurz vor Weihnachten zu entlassen. Die 96 Kollegen von „Wellpappe Gelsenkirchen“ durften sich ihre Kündigung aus den Briefkästen fischen. Konzernchef Palm hat das Werk Knall auf Fall ohne Vorankündigung dichtgemacht – trotz voller Auftragsbücher. Die Kollegen stehen seit Oktober ohne einen Cent da. Alles legal in Merkels „sozialer Marktwirtschaft“. Aber die kämpferische Belegschaft lässt sich nicht unterkriegen. Sie ging an die Öffentlichkeit und bekommt viel Solidarität. So konnte sie erkämpfen, dass das Jobcenter erst einmal finanziell eingesprungen ist.
Solidarität – nicht nur zur Weihnachtszeit
Für eine wachsende Zahl von Menschen ist es inzwischen fester Bestandteil ihres Lebens, Solidarität und praktische Hilfe nicht auf die Weihnachtstage zu beschränken. Was die Spendenbreitschaft und uneigennützige Hilfe anbelangt, setzte das zu Ende gehende Jahr 2016 herausragende Zeichen. Die große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft von Millionen ehrenamtlichen Helfern gegenüber den Flüchtlingen war ein wohltuendes Kontrastprogramm zur Regierungspolitik! Die Anzahl der Personen, die ehrenamtlich tätig sind, belief sich in Deutschland laut einer Erhebung des IfD Allensbach im Jahr 2016 auf mehr als 14 Millionen Menschen.7 Besonders in der Flüchtlingsarbeit sind überwiegend Jüngere und Studierende aktiv. Ehrenamtliche nehmen fundamentale Aufgaben wahr – wie Unterkunft und Mobilität zu ermöglichen oder Kleidung bereitzustellen. Sie helfen bei gemeinsamen Behördengängen und Übersetzungen. Das Engagement ist in den meisten Fällen von den Helfern selbst organisiert. Ein sehr großer Teil der Befragten, etwa 74 Prozent, gibt als ein wichtiges Motiv für die ehrenamtliche Tätigkeit an, die Gesellschaft gestalten zu wollen.8
Wie viele Geld- und Zeitspenden flossen uneigennützig ein, um machtvolle Demonstrationen wie gegen TTIP, gemeinsame Aktionstage gegen massenhafte Arbeitsplatzvernichtung wie in der Stahlindustrie oder Massenproteste gegen faschistische Umtriebe möglich zu machen. Tausende halfen aktiv mit bei der Verwirklichung des ICOR-Solidaritätspaktes wie der Errichtung eines Gesundheitszentrums im nordsyrischen Kobanê und des „Hauses der Solidarität“ auf dem Gelände des Ferienparks in Truckenthal. 177 Brigadisten in Kobanê und Hunderte von Helfern und Spendern brachten Erstaunliches zu Wege. Allein die für das „Haus der Solidarität“ geleisteten 28 000 Stunden an ehrenamtlicher Arbeit entsprechen geschaffenen Werten von über einer Million Euro. Jeder dafür gespendete Cent kam auch tatsächlich dort an.
Die Feiertage und die Zeit „zwischen den Jahren“ sind eine gute Möglichkeit, um auszuspannen und gleichzeitig auch das Jahr Revue passieren zu lassen, sich auszutauschen, nachzudenken und zu beraten, wie man selber die Zukunft mitgestalten und verändern kann und will.
Die derzeit komplizierte und stark polarisierte gesellschaftliche Entwicklung weckt bei vielen Menschen wachsendes Bedürfnis nach Klarheit und Zusammenhalt. Die MLPD fördert die Solidarität untereinander, die Verbrüderung und das Zusammenwachsen innerhalb der Arbeiterklasse, zwischen Jung und Alt, mit Flüchtlingen und Migranten. Das ist auch ein großes Anliegen des Internationalistischen Bündnisses, das sich im Oktober gegen den Rechtsruck der Regierung gegründet hat und in dem die MLPD mitarbeitet. Dieses Bündnis, das 2017 mit der Internationalistischen Liste/MLPD zur Bundestagswahl antritt, entspricht dem großen Bedürfnis unter den Menschen, sich gegen den Rechtsruck der Bundesregierung zusammenzuschließen. Es gibt dem fortschrittlichen Stimmungsumschwung eine deutliche Stimme und Organisationsform.
Für die MLPD bilden Denken, Fühlen und Handeln eine Einheit – nicht nur an Weihnachten. Dazu gehört auch, den Zusammenhalt bei schwungvollen Silvesterfeiern von MLPD, REBELL, Freunden und Bündnispartnern zu stärken und das neue Jahr gemeinsam und kämpferisch zu begrüßen.
In diesem Sinne wünscht die Rote Fahne Dir/Euch/Ihnen schöne Feiertage und einen guten Rutsch in ein kämpferisches neues Jahr 2017! (lgo/hr/rem)
1 Ermittlung der EU-Statistikbehörde Eurostat, lt. AFP 6.12.16 (aus: junge welt vom 7.12.16); 2 Zeit Online, 25.01.2016; 3 WAZ vom 28.11.2016; 4 www.welt.de 16.10.2015; 5 Zeit online, 25.01.2016; 6 www.spiegel.de/kultur/tv/zdf; 7 https://de.statista.com/themen/71/ehrenamt/; 8 https://de.statista.com/themen/71/ehrenamt/und http://www.fluechtlingshilfe-htk.de/uploads/infos/49.pdf