22. UN-Weltklimakonferenz in Marrakesch – ein erstes Fazit
Umweltorganisationen sind teilweise voll des Lobes für die Klimakonferenz in Marokko Anfang November. Die Rote Fahne konnte mit dem bisherigen und dem neuen umweltpolitischen Sprecher der MLPD über den Ausgang der 22. Weltklimakonferenz Anfang November in Marrakesch sprechen
Rote Fahne: In den Medien wird berichtet, Marrakesch habe „geliefert“. Also ein Erfolg für das Klima?
Hannes Stockert: Die 22. UN-Klimakonferenz hat nicht mehr zustande gebracht, als die unverbindlichen Ergebnisse des Paris-Abkommens vom Dezember 2015 zu „bekräftigen“. Die wenigen eingereichten nationalen Klimaschutzpläne legen kaum Substanzielles fest. Einseitig hervorgehoben wird die Erklärung von 48 Staaten vor allem aus Afrika, Asien und Ozeanien, die vollständig und möglichst schnell auf 100 Prozent erneuerbare Energien umstellen wollen. Sie sind am stärksten betroffenen, aber tragen nur circa ein Prozent zur Erderwärmung bei. 2017 will die nächste UN-Klimakonferenz lediglich die Entwicklung der nationalen Selbstverpflichtungen „überprüfen“ und 2018 eine „Bilanz ziehen“. Angesichts der beschleunigten Erd- und Meereserwärmung ist das schon ein grandioses Versagen.
Dr. Günther Bittel: Zu den Ergebnissen gehört ab 2020 ein sogenannter „Grüner Klimafonds“. Er soll jährlich 100 Milliarden Dollar vorwiegend für arme und vom Übergang in die globale Klimakatastrophe betroffene Länder bereitstellen. Diese Gelder sind für die sogenannte „Anpassung an den Klimawandel“ vorgesehen. Ob die Gelder in dieser Höhe tatsächlich fließen, steht auf einem anderen Blatt.
Davon abgesehen verharmlost die UNO mit solchen Zahlenspielen auch die gegenwärtigen Verwüstungen im Rahmen regionaler Umweltkatastrophen und was der Menschheit noch bevorsteht – wenn das internationale Finanzkapital nicht durch weltweiten aktiven Widerstand zu effektiven Maßnahmen gezwungen wird. Die UN-Klimakonferenz beschloss, die Klimafonds-Projekte privatwirtschaftlich und als Public-Private-Partnership-Projekte zu realisieren. Mit der Zusage Deutschlands von circa 800 Millionen Dollar wird insbesondere auf Aufträge für Deutsche Konzerne wie beim inzwischen größten Solarkraftwerk der Welt in Marokko spekuliert.
Zu den wenigen Ländern, die bisher einen nationalen Klimaschutzplan vorgelegt haben, gehört Deutschland. Folgen dem nun Taten?
Hannes Stockert: Mitnichten! Selbst die wenigen und unzureichenden konkreten Zahlen und Zeitvorgaben im Entwurf von Umweltministerin Barbara Hendricks wurden auf Druck von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und den CSU-Ministern Alexander Dobrindt (Verkehr) und Christian Schmidt (Landwirtschaft) gestrichen. Die industriellen Hauptverursacher der Treibhausgas-Emissionen werden aus der Schusslinie genommen.
Der neue US-Präsident Donald Trump will aus dem Paris-Abkommen und jeglichem Klimaschutz aussteigen, weil es angeblich keine Klimakrise gibt. China wird als neuer Hoffnungsträger des internationalen Klimaschutzes gepriesen. Wie kann das sein?
Dr. Günther Bittel: In der Tat hat China inzwischen die höchsten Investitionen in erneuerbare Energien weltweit getätigt. Die chinesische Regierung hat eine hohe Mindestquote für Elektroautos ab 2018 beschlossen. Chinesische Konzerne haben ihren Führungsanspruch für den Weltmarkt der Elektroautos wie bei der Solar- und Windenergie angemeldet. China ist weltweit der größte Automarkt. Das erklärt auch die aktuelle Panik bei deutschen Automobilkonzernen wie VW, die jahrzehntelang emissionsfreie Autos boykottiert haben. Die MLPD und die ICOR werden alles daran setzen, dass sich die Arbeiterkämpfe um soziale Fragen mit dem Aufbau einer internationalen Widerstandsfront zur Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft durchdringen. Wer den nötigen gesellschaftsverändernden Charakter des Umweltkampfs mit durchsetzen will, der findet in der MLPD seinen richtigen Platz.
Die nächste Weltklimakonferenz wird vom 6. bis 17. November 2017 in Bonn stattfinden, wie sehr ihr das?
Hannes Stockert: Die ICOR hat mit ihren jährlichen Umweltkampftagen auch in Deutschland wesentlich dazu beigetragen, dass überparteiliche Zusammenschlüsse und kämpferische Aktivitäten zu diesem Tag stattfanden. Auch in Marrakesch hat unsere Delegation von MLPD und ICOR trotz aller Behinderungen über 130 Kontakte geknüpft. Das Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ von Stefan Engel und andere revolutionäre Literatur fanden trotz Verbot im Buchhandel großes Interesse. Eine Weltklimakonferenz in Deutschland ist für uns eine große Chance und Herausforderung. Wir würden uns eine breite machtvolle Demonstration gegen diese Konferenz wünschen – ein Bündnis, das ein Zeichen setzt: Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft!