GSA Umweltdossier 2/2015
GSA Gesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Studien zur Arbeiterbewegung e.V. 17.08.2015
Umweltdossier 2/2015
1.Einleitung
Der Übergang in eine globale Umweltkatastrophe schreitet weiter beschleunigt fort. Das internationale Finanzkapital hat sich entschieden, dies für die Realisierung seiner Maximalprofite weiter in Kauf zu nehmen (siehe Abschnitt 6). Ihre Doppeltaktik, gleichzeitig auch auf erneuerbare Energien zu setzen, ist sowohl ein Zugeständnis an das weltweit gewachsene Umweltbewusstsein und der kämpferischen Umweltbewegung, hat aber auch einen materiellen Hintergrund in Veränderungen der Investitionspolitik des internationalen Finanzkapitals im verschärften imperialistischen Konkurrenzkampf. Dies wird für eine Verfeinerung des imperialistischen Ökologismus genutzt, für den jetzt auch verschiedene NGOs und große Umweltorganisationen gewonnen werden konnten, was andererseits die Widersprüche zu den kämpferischen Teilen der Umweltbewegung entfaltet und sich nach einer verbreiteten G7-Klimaergebnis-Euphorie auch wieder Ernüchterung breit macht. (Abschnitt 7).
Gegenwärtig treibt besonders die allseitige Wechselwirkung zwischen Regenwaldvernichtung, der Entwicklung hin zur Klimakatastrophe und einem möglichen Umkippen der Weltmeere den Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe voran. Die Regenwälder könnten bei dem derzeitigen Tempo ihrer Vernichtung schon in 30 Jahren ganz verschwunden sein (Abschnitt 3). Neben dem Verlust an Biodiversität, den dies mit sich bringt, würde das die Klimaerwärmung vollständig entfesseln. Diese wirkt besonders auf die Verlangsamung der Meeresströmungen ein, deren Versiegen zum Auslöser eines irreversiblen Umkippens der Weltmeere führen würde (Abschnitt 5),mit Rückwirkungen auch auf alle anderen Faktoren zur Auslösung der globalen Umweltkatastrophe. Auch regionale Umweltkatastrophen, die jetzt schon vor allem an Intensität gewaltig zunehmen (Abschnitt 4), werden durch diese Entwicklung noch einmal weiter verstärkt. Es zeichnet sich ab, dass durch die mutwillig verursachten destruktiven Einwirkungen auf die Biosphäre qualitative Sprünge entstehen, durch die immer mehr der einzelnen Ökosysteme ihr dynamisches Gleichgewicht verlieren und neue unkontrollierbare Zerstörungskräfte freisetzen.
2.Die trügerische Entwarnung zur Entwicklung des Ozonlochs
Im Jahr 2014 startete die Bundesregierung eine Kampagne1: „Spätestens um das Jahr 2050 wird das Ozonloch Geschichte sein. Denn die Erholung der Ozonschicht wird in den nächsten Jahren weiter voran schreiten. Das zeigen die neuesten Untersuchungen, wie sie gerade von der "Welt Meteorologischen Organisation" (WMO) veröffentlicht wurden.“ Damit soll die Umweltbewegung desorientiert werden. Auch eine wissenschaftliche Publikation von Chehade, Weber und Burrows von der Universität Bremen2 beteiligt sich an dieser Entwarnung mit der Aussage, dass die Trends seit 1997 die Effektivität des Montreal-Protokolls zum FCKW-Verbot belegen. Dabei hat ihre Studie jedoch ausgerechnet die polaren Regionen ab 65° nördlicher bzw. südlicher Breite nicht analysiert. So wird auch die relativ neue Erscheinung des arktischen Ozonlochs ausgeblendet, die 2011 ihr bisheriges Maximum3 erreichte. Professor Jonathan Shanklin führt das auf die zunehmende Abkühlung der Stratosphäre als Folge der Erwärmung der Troposphäre zurück (ebenda). Damit hat sich die Dynamik des Ozonlochs von dem reinen Bezug zur FCKW-Freisetzung gelöst und ist zu einem vielschichtigen Prozess in Verbindung zum Übergang in die globale Klimakatastrophe geworden. Doch auch die als Insektizid im Reisanbau eingesetzte Chemikalie Methylbromid treibt die Vernichtung der Ozonschicht weiter voran4, und der FCKW-Ersatzstoff für Kältemittel hat immer noch ein 4fach höheres Treibhausgas-Potenzial wie CO2.
3.Die beschleunigte Vernichtung der Regenwälder treibt die Klimakatastrophe an
Auf einer Homepage von „Nature“ finden sich Angaben zur Vernichtung der Regenwälder. Demnach gab es um 1500 vor unserer Zeitrechnung 15,5 Millionen Quadratkilometer an tropischem Regenwald. Aufgrund der Vernichtung des Waldes sind heute nur noch 6,2 Millionen Quadratkilometer übrig, 40 Prozent der ursprünglichen Fläche. Zwischen 2000 und 2012 wurden weltweit 2,3 Millionen Quadratkilometer Regenwald vernichtet5. Das sind 17,7 Millionen Hektar im Jahr. Dieser Wert ist mehr als drei Mal so hoch wie In dem Buch „Katastrophenalarm!“, wo allerdings schon kritisch darauf hingewiesen wurde, dass die im Buch zugrunde gelegten Zahlen der FAO (5,2 Mio Hektar/Jahr, Tabelle 1) das wahre Ausmaß verschleiern, weil sie die Abholzung gegen die Aufforstung aufrechnen6. . Die Homepage von „Nature“ führt weiterhin aus, dass die tropischen Regenwälder etwa 50 Prozent der bekannten Pflanzen- und Tierarten beherbergen, obwohl sie nur 2 Prozent der Erdoberfläche bedecken. Außerdem wird dort dargelegt, dass sie für das Weltklima die Rolle eines „Thermostaten“ spielen indem sie Temperaturen und Wettermuster regeln7. Somit wird die Vernichtung der Regenwälder zu einem Hauptfaktor für das Artensterben und für die beschleunigte Entwicklung der Weltklimakatastrophe. Als Hauptgründe für die Regenwaldvernichtung listet die Website „Deforestation“8 Palmöl- und Sojaanbau aber auch großflächige zerstörerische Abbaumethoden im Bergbau auf.
4.Regionale Umweltkatastrophen als Schrittmacher der globalen Umweltkatastrophe
Die Zahl der erfassten Naturkatastrophen 2014 lag nach einer Studie der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft9 mit 980 deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre von 640 und dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre von 830. Das ist nicht verwunderlich, denn 900 Naturkatastrophen oder 92 Prozent waren wetterbedingt. Es kommt zu immer häufigeren und heftigeren Extremwetterereignissen. Die starke und rasche Zunahme der Anzahl regionaler Umweltkatastrophen bestätigt die Einschätzung der MLPD, dass sie einen Schrittmacher des Übergangs zur globalen Umweltkatastrophe bilden. Die bürgerliche Presse versucht diese bedrohliche Entwicklung herunter zu spielen. Entgegen der obigen Zahlen lautete eine Überschrift zum Erscheinen des Weltkatastrophenberichts 2014 der Föderation der Rotkreuz- und Roter-Halbmond-Gesellschaften (IFRC) „Zahl der Naturkatastrophen auf Zehn-Jahres-Tief“10. Naturgemäß kommt es immer zu größeren oder kleineren Schwankungen der in einem Jahr balanzierten regionalen Umweltkatastrophen. Das hängt auch von Zufälligkeiten ab. Entscheiden ist jedoch die Zunahme im langfristigen Trend, Auch ist die bloße Zahl der Naturkatastrophen tatsächlich auch nur ein eingeschränkter Maßstab für ihre Bedeutung als Schrittmacher der globalen Umweltkatastrophe. Eine aktuelle wissenschaftliche Analyse von Kang und Elsner11 zeigt, dass die Klimaerwärmung in den Tropen zu einer höheren Dampfsättigung in der unteren Troposphäre und zu einem höheren Druck in der mittleren und oberen Troposphäre führt. Wie die Autoren durch eine statistische Analyse bestätigen konnten, reduzieren diese Faktoren die Häufigkeit tropischer Zyklone bzw. Hurrikans, führen dadurch aber nur zur Entladung der gewachsenen thermischen Energie in wenigen Zyklonen um so höherer Intensität. Das heißt, besonders extreme regionale Umweltkatastrophen nehmen überproportional zu. 2015 ist auf dem Weg, nach 2014 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 136 Jahren zu werden. Verantwortlich dafür sind immer weniger einzelne Hitze-Peaks in einzelnen Monaten, sondern eine Zunahme von Rekordtemperaturen in mehreren Monaten hintereinander. Die Zunahme von tödlichen Opfern durch Hitzewellen ist mittlerweile nicht nur eine Erscheinung z.B. im pazifisch-asiatischen Raum, wie jüngst in Pakistan mit über 1.200 Toten (noch tödlicher waren einer internationalen Datenbank zufolge zuvor nur sieben Hitzewellen seit dem Jahr 1900) und in Indien mit mehr als 2.000 Toten. In Kalifornien ist die Dürre bereits eine langjährige Erscheinung geworden.
5.Die Gefahr umkippender Weltmeere treibt auf eine Kulmination zu
Erstmals erbrachten jetzt Stefan Rahmstorf und Kollegen12 den indirekten Nachweis, dass sich die nordatlantische Zirkulation tatsächlich verlangsamt. Das Seegebiet südlich von Grönland zwischen etwa 45° und 60° nördlicher Breite hat sich entgegen dem allgemeinen Trend der Erderwärmung abgekühlt. Dies liegt daran, dass der sich abschwächende Nordatlantikstrom beträchtlich weniger Wärme in dies Gebiet transportiert. Rahmstorf und Mitarbeiter konnten anhand des Vergleichs von Klimamodellrechnungen zeigen, dass die Meeresoberflächentemperaturen in diesem von ihnen als „subpolarer Wirbel“ bezeichneten Gebiet besonders empfindlich auf die Entwicklung des Atlantikstroms (Atlantic meridional overturning circlulation, AMOC) reagieren. Daraus leiteten sie einen Index für die Entwicklung der AMOC als Differenz der Meeresoberflächentemperaturen in diesem Gebiet zu der mittleren Oberflächentemperatur auf der Nordhalbkugel ab. Unter Benutzung von Daten unter anderem aus Sedimentbohrkernen konnten sie diesen Index für den Zeitraum seit etwa dem Jahr 900 bis in die Gegenwart rekonstruieren. Dieser Index des Atlantikstroms blieb über die mittelalterliche Warmzeit und die anschließende „kleine Eiszeit“ hinweg mit kleineren Schwankungen stabil. Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts fällt er jedoch zunächst langsam und nach 1970 in der Haupttendenz scharf ab. Das belegen auch von Rahmstorf und Mitarbeitern zitierte neuere direkte Messungen, die eine Abschwächung des Atlantikstroms seit Beginn der Messreihe im Jahr 2004 zeigen.
Die plausible Erklärung für die Abschwächung des Atlantikstroms ist die Verdünnung des Salzgehalts des Meerwassers durch das abschmelzende Grönland-Eisschild, wodurch das Oberflächenwasser spezifisch leichter wird. Dadurch wird die Tiefenwasserbildung durch Absinken des Oberflächenwasser im Nordatlantik vermindert, die eine wesentliche Triebkraft des Atlantikstroms ist. Die teilweise Erholung des Atlantikstroms ab den 1990er bis Anfang der 2000er Jahre kann durch die Abkühlung des „subpolaren Wirbels“ hervorgerufen worden sein, die das Grönland-Eisschild zeitweilig stabilisieren konnte bis die globale Erwärmung und die für das Abschmelzen des Grönland-Eisschilds hauptverantwortliche Abnahme der Albedo wieder die Oberhand gewannen.
Eine weitere Ursache für die Abschwächung der nordatlantischen Zirkulation zeigen Kent Moore und Kollegen13. Besonders in zwei ozeanischen Wirbeln nordöstlich von Island und bei Grönland südwestlich von Spitzbergen findet die den Nordatlantikstrom antreibende Tiefenwasserbildung aufgrund der Abkühlung des Oberflächenwassers statt. Moore und Kollegen haben nun Daten analysiert, die belegen, dass das Seeeis in dem Seegebiet bei Island seit Ende der 1960er Jahre und in dem Wirbel bei Grönland seit Mitte der 1990er Jahre abnimmt. Dadurch und auch durch die wärmere Atmosphäre kann sich das Oberflächenwasser dort nicht mehr ausreichend abkühlen um schnell in die Tiefe zu sinken. Durch den mit dem Nordatlantikstrom verbundenen gewaltigen Wärmetransport hat er einen entscheidenden Einfluss auf das Weltklima. Das Buch „Katastrophenalarm!“ urteilt über die Bedeutung dieser Erkenntnisse14: „Die Verlangsamung der Meeresströmungen bis hin zum Versiegen stellt – nach heutigen Kenntnissen – einen bedeutenden Faktor der beschleunigten Herausbildung der globalen Umweltkatastrophe dar.“
Drei Faktoren, Versauerung, Erwärmung und der Schwund an Sauerstoff im Ozean, werden von den Wissenschaftlern Bijma, Pörtner, Yesson und Rogers15 als tödliches Trio bezeichnet. Neben den küstennahen „Todeszonen“ stellen die Autoren auch einen allgemeinen Trend zur Abnahme der Sauerstoffkonzentration in tropischen Ozeanen und im Nordpazifik fest. Die küstennahen Todeszonen haben sich laut dieser Studie seit 1960 etwa alle 10 Jahre verdoppelt. Durch diese Bedrohung des Lebens in den Ozeanen wird auch deren Funktion der Aufnahme von CO2 in Frage gestellt, die gegenwärtig die Klimaerwärmung noch abbremst.
Teilweise mehr noch als durch das Aussterben einzelner Arten werden die Meeresökosysteme durch die Einwanderung von Arten aus anderen Klimazonen als Folge der Erwärmung der Meere bedroht. Eine Studie von Fossheim und anderen16 zeigt, dass die Einwanderung von Fischen wie Schellfisch und Dorsch aus der an die Arktis angrenzenden „borealen“ Klimazone in arktische Gewässer als Fressfeind die Population der meist kleineren arktischen Fische wie Groppen und Scheibenbäuche und als Konkurrent die wenigen großen arktischen Fische wie den Grönland-Heilbutt und den arktischen Rochen dezimieren.
Beaugrand und Mitarbeiter untersuchen in einer aktuellen Studie17 die Entwicklung der Biodiversität in den Meeren als Folge der vom Weltklimarat aufgestellten Klimaszenarien. Für die negativsten Annahmen der globalen Erwärmung finden sie einen Rückgang der Biodiversität, der mindestens so stark ist, wie die Veränderung seit dem Maximum der letzten Eiszeit. Dies kann einen Zusammenbruch der Ernährungsgrundlage für die Hälfte der Menschheit bedeuten.
6.Das internationale Finanzkapital schlägt mit Fracking und anderen zerstörerischen Abbaumethoden die Richtung zur Forcierung der globalen Umweltkatastrophe ein
Fracking vergiftet Wasser und Boden, verpestet die Luft, erzeugt Erdbeben, ruiniert die Landwirtschaft und beschleunigt die globale Klimakatastrophe durch die Freisetzung weiterer großer Mengen von Kohlendioxid und Methan. Für die internationalen Übermonopole im Energiesektor ist Fracking dagegen ein ökonomischer Zwang zur Steigerung ihrer Maximalprofite. Ihr Börsenwert ist an die Ausweisung möglichst großer fossiler Energiereserven gebunden, die heute nur noch mit sogenannten „unkonventionell“ zu fördernden Vorkommen erreicht werden können. Dazu übertreiben die Konzerne die Schätzung dieser Reserven auch um bis zu einem Faktor 10. Es entsteht so auch eine Spekulations-Blase die sich auf das Fracking bezieht.
Auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause am 3. Juli 2015 stand ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Fracking zur Gasförderung in Sandstein generell, in Schiefergestein tiefer als 3000 Meter ebenfalls generell und darüber mit Zustimmung einer dafür eingesetzten Experten-Kommission erlauben will. Das Fracking nach Schieferöl soll danach auch generell erlaubt sein. Es ist ein vorläufiger Erfolg der Massenproteste dagegen, dass dieser Gesetzentwurf kurzfristig wieder von der Tagesordnung genommen werden musste. Das wurde sicher auch durch die gegenwärtigen Tiefstpreise bei Öl und Gas und die damit gesunkene Profitrate beim Fracking beeinflusst. So ist nach Angaben des Statistischen Bundesamts der Einfuhrpreisindex bei Erdgas zwischen 2012 und 2015 von 140 auf 90 Indexpunkte, also um 50 Prozent gesunken. Doch die Proteste müssen noch weiter zu einem regelrechten Massenwiderstand gesteigert und höherentwickelt werden, um dieses Gesetz endgültig zu verhindern.
Es ist nicht möglich die mächtigsten Lagerstätten für Flözgas am nördlichen Niederrhein und im zentralen Münsterland in Tiefen von etwa 1000 bis 4500 Metern anzuzapfen, ohne die aktiven Zechen Prosper Haniel, Auguste Victoria, und Ibbenbüren still zulegen. Dies geht indirekt aus dem Gutachten der Landesregierung Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2012 hervor18. Der räumliche Zusammenhang zwischen Gebieten, in denen bereits Lizenzen für Fracking erteilt wurden, und noch aktiv betriebenen Zechen ist ziemlich eng. Auch das Argument, dass man ja auch in Zonen abseits der Bergwerke fracken könne, ohne damit den Bergbau direkt zu beeinträchtigen und somit kein Zusammenhang zwischen Zechenstillegung und Fracking bzw. Flözgasförderung existiere, wird durch das Gutachten selber widerlegt. Es heißt dort19 „Solange der Grubenwasserspiegel unterhalb der Karbonoberfläche gehalten wird, liegt eine auf den Grubenwassertiefstpunkt ausgerichtete Potenzialdifferenz vor, entlang derer ein Transport von Frack-Fluiden in Richtung auf die Grubenwasserhaltungen erfolgen kann. Eine Zumischung von Frack-Fluiden zu den gehobenen und in die Fließgewässer eingeleiteten Grubenwässern ist somit prinzipiell möglich.“
Das Gutachten gibt zwar nicht zu, dass Stilllegung von Zechen mit Fracking zusammenhängt, jedoch macht es eindeutig klar, dass eine Fortführung der Wasserbewirtschaftung schon in der bisherigen Form die Gefahr mit sich bringen würde, dass Frackinggifte an die Oberfläche gefördert werden und damit direkt in die Wasser ableitenden Flusssysteme der Emscher, Lippe und Ruhr eingebracht würden. Keine Aussage findet sich darüber, welche Folgen der von der RAG geplante Anstieg des Grubenwasserspiegels auf 500 Meter, also über die Carbonoberfläche nach sich ziehen wird. Darum ist besonders die Bergarbeiterbewegung herausgefordert, eine Hauptrolle im Widerstand gegen das Fracking zu übernehmen.
Fossile Energien sind bei weitem nicht das einzige Gebiet, auf dem das internationale Finanzkapital zerstörerische Abbaumethoden mutwillig betreibt. Das „WISE Uranium Project“ deckt auf, dass das im Uranbergbau zur Lösung des Urans aus dem im Boden verbleibenden Erz angewendete „in-situ leaching“ (ISL) eine immer größere Rolle spielt.20 Zur Lösung des Urans wird dabei eine Flüssigkeit aus Ammoniumcarbonat oder Schwefelsäure oder beidem durch Bohrungen in das Erz gepresst. Die giftige Flüssigkeit gelangt dabei zusammen mit gelöstem Uran und anderen Schwermetallen auch in das Grundwasser. Sie hat auch unvorhersehbare Folgen auf das bearbeitete Felsengestein. Beträchtliche Mengen des radioaktiven Edelgases Radon werden dabei ebenfalls freigesetzt. In Deutschland wurde mit dieser Methode in Königstein bei Dresden bis 1990 mit 100.000 Tonnen Schwefelsäure 18.000 Tonnen Uran geschürft. ISL wird weiter in den USA, Tschechien, Bulgarien, der Ukraine, Russland, Kasachstan, Usbekistan, China und Australien in teilweise noch weit größerem Ausmaß angewandt. Die Qualität des Grundwassers kann derzeit trotzt verschiedener technischer Versuche auch nach dem Ende solcher ISL-Projekte nicht wieder hergestellt werden.
7.Der G7-Gipfel verfeinert den imperialistischen Ökologismus
Bis in den Beginn des 21. Jahrhunderts waren erneuerbare Energien weltweit im wesentlichen auf Wasserkraft beschränkt. Solarenergie- und Windenergieausbau waren hauptsächlich ein Zugeständnis an das weltweit gewachsene Umweltbewusstsein. Im Jahr 2000 betrug die weltweite Kapazität erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung 842 GW. Davon stammten 93% von Wasserkraftwerken21. Mit der Verbilligung der Massenproduktion von Solar- und Windkraftanlagen und staatlichen Fördergeldern in 145 Staaten (Stand Mitte 2015)22 wurden erneuerbare Energien für das Finanzkapital immer interessanter. Im Jahr 2009 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland noch 16%. Bis zum ersten Halbjahr 2015 kletterte er auf 32,5%. Seit 2010 hat sich die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien sogar noch beschleunigt23.Allein China hat in seinem Fünfjahresplan, der 2011 in Kraft trat, mehr als 540 Mrd € für die Förderung erneuerbarer Energien vorgesehen24. Es baut seine Netze auf Grundlage neuester HGÜ-Technik (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) aus. Die weltweiten Neuinvestitionen in erneuerbare Energien waren Ende 2014 doppelt so hoch wie die in fossile Energien25. Das Weltmarktvolumen beim Zubau von Kapazitäten bei erneuerbaren Energien betrug 2014 301 Miliarden US $. Mittlerweile kommen selbst eingefleischte Befürworter des Ausbaus fossiler Energieträger aus USA, Indien, China und Deutschland im Grünen Gewand des Umweltschützers daher. Eine scheinbar wundersame Wandlung vom fossilen Saulus zum erneuerbaren Paulus wird uns weltweit zur Schau gestellt.
Diese Doppeltaktik des imperialistischen Ökologismus setzt sowohl auf fossile/atomare wie auch auf erneuerbare Energieträger. Sie propagiert eine Anpassungsstrategie an den „Klimawandel“ und lange Laufzeiten für fossile und atomare Kraftwerke. Begründet wird das damit, die Energiewende müsse sozialverträglich durchgeführt werden. Gleichzeitig wird die komplexe Umweltkrise auf die Klimafrage zu reduzieren versucht und die Illusion verbreitet, die Erderwärmung ließe sich bei Fortführung der fossilen Energieerzeugung auf 2° Celsius begrenzen. Das Treffen der G7 vereinbarte einen unverbindlichen Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe bis 2100. Bis 2050 sollen die Emissionen von Treibhausgasen 40-70% unter dem Stand von 2010 liegen26. Eine Verringerung um 40% geht jedoch kaum unter den Stand von 1990 zurück. Ganz im Sinne der neuen Doppeltaktik werden die Ziele für den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger bewusst und verantwortungslos weit in die Zukunft gelegt. Kern ist die Anpassungsstrategie an den nicht mehr zu verhindernden Klimawandel. Dazu wird die kleinbürgerlich-negativistische Denkweise gefördert. „Das schlimmste verhindern“, „Jede Krise ist auch eine Chance“ und „man muss auch das Positive sehen“ sind Kernbotschaften. Sie zielt auf die Zersetzung der neu heranwachsenden kämpferischen Umweltbewegung und die Vertiefung der Trennung von der Arbeiterbewegung. Die Masse der Bevölkerung soll glauben, dass die „Energiewende“ nun endlich weltweit zur Sache der Herrschenden geworden ist. Die Umweltbewegung soll diesen Prozess lediglich noch kritisch begleiten, aktiver Widerstand oder Gesellschaftsveränderung sei unnötig geworden.
8. Umweltpolitische Kernfragen und Entwicklungen in der Arbeiter- und Umweltbewegung
Für die Entwicklung der führenden Rolle des internationalen Industrieproletariats in der Umweltbewegung von besonderer Bedeutung ist die internationale Bergarbeiterbewegung. In Peru wurde sie in Verbindung mit der 1. Internationalen Bergarbeiterkonferenz zur Speerspitze, beteiligte sich 2014 an der Demonstration in Lima anlässlich des UN-Klimagipfels und blockierte 2015 während eines landesweiten Streiks die Transamazonica im Kampf gegen den umweltzerstörerischen Kupfer-Bergbau in Arequipa. Dagegen wurden Armee und Polizei eingesetzt. In Deutschland entwickelt sich im Kampf gegen Zechenschließungen, Giftmüll und PCB unter Tage, Kohleverbrennung, Braunkohletagebau und Fracking in Verbindung mit der jahrelangen Arbeit der Bewegung Kumpel für AUF und der MLPD das Umweltbewusstsein und proletarische Klassenbewusstsein der Kumpel. Dagegen richtete sich die IGBCE-Führung im Interesse der Energiemonopole mit der Unterschriftensammlung „Für bezahlbaren Strom und gute Arbeitsplätze“27 mit 125.000 Unterschriften und der Demonstration in Berlin am 25.04.2015 für die weitere Verstromung der Braunkohle mit 15.000 Teilnehmern. Gleichzeitig verkennen kleinbürgerliche Umweltschützer die Bedeutung der Gewinnung der Arbeiter für den Umweltkampf, wenn sie vom 14. - 16.08.2015 mit „Ende Gelände“ zur Besetzung der Kohlebagger im rheinischen Braunkohlerevier aufrufen, ohne das mit Forderungen nach Ersatzarbeitsplätzen zu verbinden. Dabei stehen der Vernichtung der Solarbranche in Deutschland mit 100.000 Arbeitsplätzen rund 18.000 Arbeitsplätze im Braunkohletagebau gegenüber. In Griechenland kämpft die Bevölkerung seit 2012 auf der Halbinsel Chalkidiki mit neuen Formen der kämpferischen Selbstorganisation gegen eine Goldmine als gigantischer Tagebau. Dabei gelang es Hellas Gold, die Gesellschaft zu spalten, indem sie Bergarbeiter der früheren Kupfermine, die ursprünglich gegen den Tagebau waren, mit dem Lockmittel von Arbeitsplätzen gegen die Protestbewegung ausspielten.
Der weltweite Widerstand gegen Fracking hat sich enorm belebt. Fracking-Verbote konnten seit 2013 in Frankreich, Bulgarien, Südafrika, Dänemark und im US-Staat New York durchgesetzt werden. Der US-Energieriese Chevron hat nach Protesten besonders in Rumänien und Polen seine Suche nach Fracking-Standorten in Europa beendet und ist von Vereinbarungen mit Litauen und der Ukraine zurück getreten.28 Im Süden Algeriens bei In Salah wurde Polizei gegen die Dauerproteste eingesetzt. Migrantenorganisationen in Frankreich aus Algerien, Tunesien und Marokko29 solidarisierten sich. In Großbritannien wächst die Kritik an den Fracking-Plänen der Regierung, ein Parlamentsausschuss verlangte ein Moratorium. Auch in Kanada fordern indigene Gruppen, Umweltorganisationen und der Ältestenrat der Nordwest-Territorien ein Moratorium. Ein solches gibt es in Schottland30 und in den Niederlanden31. In Österreich stellte die Regierung ein Fracking-Projekt in Weinanbaugebieten zurück. In den USA hat sich im Kampf gegen Fracking eine der größten Umweltbewegungen in der Geschichte herausgebildet. Demonstrationen umfassen 10 bis 100 Tausend Teilnehmer. In der Bewegung „Americans Against Fracking“ sind ca. 250 Organisationen zusammengeschlossen. Bei ihrem USA-Besuch 2015 haben Genossen neue Verbindungen zu dieser Bewegung aufgebaut.
Generell ist der moderne Antikommunismus zentraler Bestandteil des imperialistischen Ökologismus. Das spiegelt sich in der Attacke von Naomi Klein auf „linke Extraktivisten“32 wider, wenn sie in ihrem Buch „Kapitalismus versus Klima“ aus der antikommunistischen Kampfschrift von Judith Shapiro „Mao's War Against Nature“ zitiert. Shapiro ist Mitglied der „National Endowment for Democracy“ (NED), die 1983 vom US-Kongress gegründet wurde, um das durch Enthüllungen ramponierte Ansehen des CIA wieder aufzupolieren. In der Blockupy-Bewegung steht ebenfalls die Kapitalismuskritik im Vordergrund, doch die Orientierung auf „grundlegende globale Umverteilung“, „Demokratisierung aller Lebensbereiche“, „gerechte Arbeitsverhältnisse weltweit“ richtet sich gegen eine revolutionäre Lösung der sozialen und ökologischen Frage.
1Bundesministerium für Bildung und Forschung, 23.09.2014, http://www.bmbf.de/de/20301.php
2W. Chehad, M. Weber und J. P. Burrows, „Total ozone trends and variability during 1979-2012 from merged data sets of various satellites“, Atmospheric Chemistry and Physics 14, 7059-7074 (2014)
5 „Facts About Rainforests“, www.nature.org, herunter geladen am 13.5.2015
6Stefan Engel: „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“, Verlag Neuer Weg (März 2014), S. 99f
8Rhett Butler, „Deforestation“, http://rainforest.mongabay.com, 27.7.2012
9„Schadenereignisse weltweit 2014 Geographische Übersicht“, Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft, Geo Risks Research, NatCatSERVICE – Stand Januar 2015
10„Weltkatastrophenbericht 2014“, www.t-online.de, 16.10.2014
11Nam-Young Kang und James B. Elsner, „Trade-off between intensity and frequency of global tropical cyclones“, Nature Climate Change 5, 661-664 (2015), doi:10.1038/nclimate2646
12Stefan Rahmstorf, Jason E. Box, Georg Feulner, Michael E. Mann, Alexander Robinson, Scott Rutherford und Erik J. Schaffernicht, „Exceptional twentieth-century slowdown in Atlantic Ocean overturning circulation“ Nature Climate Change 5, 475-480 (2015), doi:10.1038/nclimate2554
13G. W. K. Moore, K. Våge, R. S. Pickart und I. A. Renfrew, „Decreasing intensity of open-ocean convection in the Greenland and Iceland seas“ Nature Climate Change, online veröffentlicht 29.06.2015, doi:10.1038/nclimate2688
14Stefan Engel: „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“, Verlag Neuer Weg (März 2014), S. 137
15Jelle Bijma, Hans-O. Pörtner, Chris Yesson und Alex D. Rogers, „Climate change and the oceans – What does the future hold?“, Marine Pollution Bulletin 74 (2013) 495–505, abgedruckt in http://www.stateoftheocean.org/pdfs/IPSO-Papers-Combined-15.1.14.pdf
16Maria Fossheim, Paul Primicerio, Edda Johannesen, Randi B. Ingvaldsen, Michaela M. Aschan und Andrey V. Dolgov, „Recent warming leads to a rapid borealization of fish communities in the Arctic“, Nature Climate Change 5, 673-677 (2015), doi:10.1038/nclimate2647
17Grégory Beaugrand, Martin Edwards, Virginie Raybaud, Eric Goberville und Richard R. Kirby, „Future vulnerability of marine biodiversity compared with contemporary and past changes“, Natue Climate Change 5, 695-701 (2015), doi:10.1038/nclimate2650
18Landesregierung Nordrhein-Westfalen, „Fracking in unkonventionellen Gaslagerstätten in NRW“ (2012)
20WISE Uranium Project, „Impacts of Uranium In-Situ Leaching“, http://www.wise-uranium.org/uisl.html vom 09.01.2015, herunter geladen 25.05.2015
21IRENA, International Renewable Energy Agency, „Renewable Engergy Capaity Statistics 2015“, http://www.irena.org (2015)
22IRENA, International Renewable Energy Agency, „Renewable Energy Target Setting“, http://www.irena.org (2015)
24BMWi, „Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Lage der deutschen Photovoltaikindustrie“, April 2012
25Franz Alt, „Rekord-Zubau von Wind- und Solarenergie in 2014“, http://www.sonnenseite.com/, 20.06.2015
26G7 Germany 2015, Schloss Elmau, „Think Ahead. Act Together. An morgen denken. Gemeinsam handeln.“, Abschlusserklärung G7-Gipfel, 7.-8. Juni 2015
28http://www.rtdeutsch.com/12790/wirtschaft/nach-chevron-rueckzug-aus-rumaenien-steht-fracking-in-europa-vor-dem-endgueltigen-aus/
30http://www.nzz.ch/finanzen/devisen-und-rohstoffe/rohstoffe/fracking-spaltet-grossbritannien-1.18487764