Wie die AfD salonfähig gemacht wird
Die überwiegende Mehrheit in Deutschland lehnt die AfD ab. Dennoch zog die AfD im März dieses Jahres in drei Landtage ein,
nachdem sie monatelang in Talkshows und Medienauftritten ihre Hetzparolen demagogisch verpackt unter dem Millionen-Publikum verbreiten durfte. Ihr Programmparteitag Anfang Mai in Stuttgart war dem Fernsehsender „Phoenix" eine kritiklose Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung wert. Wie kann es sein, dass einer Partei, die ein extrem reaktionäres, rassistisches, arbeiter-, frauen- und umweltfeindliches Weltbild verkörpert, der Nimbus einer angeblichen, ernstzunehmenden „Protestpartei" verschafft und sie derart aufgewertet wird?
Die Regierung ist nach rechts gerückt ...
Die Merkel/Gabriel-Regierung rückt seit Herbst 2015 immer mehr nach rechts, wozu die Flüchtlingsfrage ausgenutzt wird: Sie verschärft das Asylrecht, geht mit dem Erzreaktionär Erdogan einen menschenverachtenden Deal gegen die Flüchtlinge ein; sie beschneidet demokratische Rechte, baut die Bespitzelung der Bevölkerung aus und treibt mit dem Aufbau einer neuen „Antiterror-Einheit“ der Polizei die Faschisierung des Staatsapparats voran. Die Bundeswehr wird weiter aufgerüstet zur „Sicherung der deutschen Interessen“ im Ausland. Verstärkte Reaktion nach innen und Aggression nach außen – das ist das Klima, in dem ultrareaktionäre und faschistoide Kräfte wie die AfD gedeihen können – und sollen.
Dazu gab es reichlich Unterstützung aus Teilen der bürgerlichen Medien. Manipulierte Umfragewerte hatten den Zweck, der AfD Stimmen zuzutreiben und ihre Vertreter als „seriöse Politiker“ erscheinen zu lassen. Am 3. Mai schwört Angela Merkel ihre Partei auf eine „sachliche Auseinandersetzung“ mit der AfD ein „… ohne Schaum vor dem Mund und ohne Pauschalurteile“.1 Damit diffamiert sie die notwendige offene Kritik an der AfD. So wird versucht, die AfD mit den Weihen der Kanzlerin in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
... getrieben von der Angst
Dieser Rechtsruck der Regierung ist die Antwort auf den seit 2015 eingeleiteten Stimmungsumschwung unter den Massen. In den Tarifrunden 2015 und 2016 vor allem bei ver.di und der IG Metall zeigt sich das auf breiter Front erwachte gewerkschaftliche Bewusstsein. Seither nahm auch die Kritik an der Flüchtlingspolitik der Regierung zu. Hunderttausende beteiligen sich an antifaschistischen Protesten, neun Millionen engagierten sich ehrenamtlich in der Flüchtlingssolidarität. Die Jugend politisiert sich, das Umwelt- und Frauenbewusstsein festigt sich und das internationalistische Bewusstsein erwacht auf breiter Front. Die MLPD wächst, auch aufgrund ihrer proletarischen Flüchtlingspolitik, in eine neue gesellschaftliche Rolle hinein. Diesen Linkstrend will die Regierung stoppen und vor allem eine Stärkung der revolutionären Richtung verhindern. Dazu fördern die Herrschenden bewusst ultrareaktionäre, faschistoide Bewegungen und Strömungen. All das hat den Stimmungsumschwung unter den Massen bisher nicht umkehren können, aber doch merklich beeinflusst.
Ultrarechte Positionen werden Regierungspolitik
Als die AfD-Vertreterinnen Frauke Petry und Beatrix von Storch vergangenen Herbst davon sprachen, an der Grenze auch Schusswaffen gegen Flüchtlinge einzusetzen, distanzierte sich die Regierung noch heuchlerisch davon. Aber, was ist besser daran, wenn bewusst in Kauf genommen wird, dass wieder Hunderte und Tausende im Massengrab Mittelmeer umkommen, weil die Grenzen nach Europa dicht gemacht wurden?
„Das, wofür man uns vor drei Monaten oder zwei Monaten noch geziehen hat, wir seien äußerst rechts-außen, das ist jetzt ungefähr das, was jetzt Herr Gabriel, Herr Kauder und viele andere vertreten“, jubelt Jörg Meuthen, AfD-Landesvorsitzender der AfD in Baden-Württemberg.2
Aber nicht die AfD oder ein angeblicher „Rechtsruck der Massen“ treibt die Regierung. Andersherum, die Regierung rechtfertigt ihren Rechtsruck unter anderem mit der AfD und Pegida. In den Umfragewerten legte die AfD erst zu, nachdem von der Regierung selbst ultrarechte Positionen ins Zentrum der Diskussion gerückt und „geadelt“ wurden. So war es auch in Österreich. Erst vollzog die bürgerliche Regierung einen Rechtsschwenk zu einer offen reaktionären Flüchtlingspolitik. Dann erst folgte der Erfolg des ultrareaktionären FPÖ-Manns Norbert Hofer im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl.
AfD-Funktionäre im Staatsdienst
In Berlin wurde im April der AfD-Funktionär Roman Reusch bei der Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ zum leitenden Oberstaatsanwalt befördert. Reusch, Mitglied des AfD-Landesvorstandes Brandenburg, ist kein unbeschriebenes Blatt. Im Dezember 2007 hatte er bei einer Tagung der „Hanns-Seidel-Stiftung“ der CSU erklärt: „Es muss erreicht werden, dass besonders auffällige ausländische Kriminelle außer Landes geschafft oder sonst ‚aus dem Verkehr‘ gezogen werden können.“3 Damals wurde er wegen dieser menschenverachtenden Äußerung als Abteilungsleiter abgesetzt. Heute ist er Funktionär der ultrareaktionären, faschistoiden AfD – und wird befördert!
Der Bundesparteitag der AfD in Stuttgart wurde von 1.000 Polizisten geschützt. Über 5.000 Antifaschisten protestierten dagegen. 1.500 AfD-Gegner, die in direkter Nähe demonstrierten, wurden von der martialisch aufgerüsteten Polizei mit Pfefferspray und einem Wasserwerfer traktiert, 900 von ihnen zum großen Teil über zwölf Stunden unter menschenunwürdigen Umständen in Gewahrsam genommen. Augenzeugen berichten, dass ein nennenswerter Teil der Polizeikräfte offen mit der AfD sympathisierte. Bei der Polizei in Sachsen sind die Anhänger von „Pegida“ offenbar so einflussreich, dass sich bei der Polizei keine Zeugen finden lassen für Volksverhetzung von Rednern bei „Pegida“-Kundgebungen. Das Aufpäppeln der AfD ist auch Bestandteil der Faschisierung des Staatsapparats.
Das Märchen von der „Protestpartei“
Die AfD hätte niemals ihre heutigen Stimmenzahlen bekommen, wenn sie ihre ultrareaktionären Ziele offen vor sich hertragen würde. Ihr Programm ist nicht nur rassistisch und unsozial, sondern auch arbeiterfeindlich, frauenfeindlich und gegen den Umweltschutz gerichtet.4
Sie gibt sich basisdemokratisch, steht für den Ausbau des staatlichen Gewaltapparats. Sie ist ein Sammelbecken, bestehen aus erzreaktionären Kräften, von der „Pegida“-Bewegung bis hin zu Faschisten. und mit engsten Connections zur NPD und anderen faschistischen Organisationen.5 Gleichzeitig verfügt sie über beste Verbindungen in den Staatsapparat und ist vernetzt mit Ultrareaktionären und Faschisten in Europa. Die AfD ist der erneute Versuch, eine ultrareaktionäre, faschistoide Partei in Deutschland zu etablieren nach dem Vorbild anderer europäischer Länder. Gescheitert sind in den letzten Jahrzehnten REP, Schill-Partei, Pro Deutschland und andere.
Der Mythos der „Protestpartei“ gegen „die da oben“ ist inszeniert. Die gut betuchte AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg6, macht auf rebellisch und weigert sich medienwirksam, Radio- und Fernsehgebühren an die GEZ zu zahlen, bis zur Pfändung ihres Kontos. In Wahrheit hat die AfD mit den Anliegen der Arbeitslosen, Arbeiter und kleinen Angestellten überhaupt nichts am Hut. Das Programm der AfD spiegelt besonders die Interessen der nichtmonopolisierten Bourgeoisie und national ausgerichteter Monopole wider. Aus diesen Kreisen wurden zwei Millionen Pro-AfD-Zeitungen im Landtagswahlkampf 2016 finanziert und unzählige Wahlplakate. Die Namen der Spender hielt die AfD geheim – ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Rund 5,2 Millionen Euro staatliche Finanzierung erhielt die angeblich verfemte, ach so systemkritische AfD 2015.
Für 2016 wurden bereits zwei Millionen Euro Teilfinanzierung aus Steuergeldern an Petry, Gauland und Co. überwiesen. Auch dubiose Goldgeschäfte der Partei subventionierte der Staat noch bis Ende 2015.
Die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ versucht, sich ebenfalls rebellisch zu geben: „Wer heute rebellieren will, ist rechts!“ Rebellieren? Die AfD-Jugendorganisation hat ihren Sitz bezeichnenderweise in Köln im Haus der Burschenschaft „Leopoldina Breslau“, und der Bundesvorsitzende Sven Trischler ist Mitglied dieser Verbindung. Frauen sind dort nicht zugelassen. Die „JA“ beantragte beim Parteitag das vollständige Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Alle zwölf Bundesvorstandsmitglieder sind männlich. Die AfD und ihr Jugendverband sind spießig, muffig, konservativ – das reaktionäre Gegenteil von Rebellion.
Die AfD präsentiert sich gerne als Kraft, die der Kanzlerin und den Regierungsparteien mal so richtig Kontra geben würde. Unter Menschen mit einem niedrigen Klassenbewusstsein verfängt die soziale Demagogie und die Scheinradikalität der AfD-Redner teilweise. „Diese Kräfte sind heute raffinierter als damals die Faschisten“, warnt Stefan Engel, der Vorsitzende der MLPD. „Momentan haben sie noch ein demokratisches Gewand, aber die Richtung ist relativ eindeutig. Wir werden alles tun, um solche faschistischen Strömungen zurückzuweisen.“7
AfD: antikommunistisch und rassistisch
Im kleinen Kreis gab der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke einen Einblick in sein krudes rassistisches Weltbild: „‚Afrikas Bevölkerungsüberschuss betrage etwa 30 Millionen Menschen im Jahr‘, hatte Höcke gesagt und gefolgert: ‚Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.‘“8
Wie die Rassentheorie der Faschisten stempelt Höcke hier Millionen Menschen zu „Überschuss“. Menschen, deren Lebensgrundlagen durch die imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung zerstört werden. Dass dieser Rassist einer der Stars des Parteitags in Stuttgart war, sagt fast mehr über die AfD als das beschlossene Programm! Und mit solchen Leuten möchte Frau Merkel respektvoll umgehen.
Hervorstechend ist die streng antikommunistische Ausrichtung der AfD. Am 24. Januar 2016 veröffentlichte sie auf ihrer Facebook-Seite ein Plakat mit brennenden Autoreifen und der Parole: „Es wird Zeit für den Kampf gegen Links“.
Dass die Herrschenden solche Kräfte fördern, zeigt auch, dass sich das gesellschaftliche System der kleinbürgerlichen Denkweise als Regierungsmethode abnutzt. Mit der Organisierung einer solchen ultrareaktionären, faschistoiden Massenbasis stemmen sich die Herrschenden gegen die zukunftsweisende Suche der Massen nach einer gesellschaftlichen Alternative und versuchen, sie in systemkonforme Bahnen zu lenken. Die reaktionären Verschärfungen vertiefen die Polarisierung in der Gesellschaft und fordern die Massen zur Stellungnahme heraus; die Politisierung nimmt zu. Wir erleben gegenwärtig die größte antifaschistische Bewegung seit Jahrzehnten. Auch die Flüchtlingssolidarität ist politischer geworden. Am 1. Mai bekamen vor allem die Rednerinnen und Redner Beifall, die ultrarechte und rassistische Positionen der AfD angriffen. In den Tarifrunden dieses Jahr spürt man einen kämpferischen Geist und sie sind politisierter.
Den revolutionären Pol stärken!
Mit der Demonstration gegen das faschistische Konzert in Hildburghausen am 7. Mai wurde auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung ausgefochten9: Konsequent Position beziehen und aktiv werden gegen Reaktionäre und Neofaschisten und für internationale Solidarität – oder vor der damit verbundenen Verschärfung der Auseinandersetzung zurückweichen.
MLPD und REBELL haben führend mit die Initiative für diese Demonstration übernommen. Ein konsequenter antifaschistischer Kampf vertraut auf die breiten Massen und wendet sich an sie. So hat die klare Positionierung gegen das faschistische Konzert sofort Unterstützer gewonnen unter Gewerkschaftern und Jugendlichen. Die Demonstration wurde zu einem Höhepunkt der Vorbereitung und Mobilisierung für das Rebellische Musikfestival in Truckenthal.
In der gesellschaftlichen Polarisierung muss sich der fortschrittliche, revolutionäre Pol stärken, um den Massen eine Alternative zu geben. Die Marxisten-Leninisten müssen sich an die Spitze der fortschrittlichen Bewegung stellen! Perspektivisch hat die MLPD vor wenigen Monaten den Aufbau eines breiten Bündnisses revolutionärer und fortschrittlicher Kräfte vorgeschlagen. Dazu haben bisher zwei Treffen mit Migrantenorganisationen, fortschrittlichen Bündnissen und Einzelpersonen stattgefunden. Nach einem Aufruf zur Demonstration am 7. Mai erfolgen weitere gemeinsame praktische Schritte mit einer gemeinsamen Kandidatur zur Bundestagswahl 2017.
Die gesellschaftliche Entwicklung fordert heraus, neue Lebensentscheidungen zu treffen: Revolutionär zu werden, sich in MLPD und REBELL zu organisieren und für den echten Sozialismus zu kämpfen.
1 „WAZ“ vom 04.05.2016
2 DGB-Studie „Die AfD: Eine rechtspopulistische Partei im Wandel“, S.16
3 „Die Welt“ vom 19.04.2016, S. 39
4 Siehe Seite 18/19 dieser Ausgabe
5 Siehe Seite 22/23 dieser Ausgabe
6 Mehr zu Beatrix von Storch auf Seite 23 dieser Ausgabe
7 Bei der Montagsdemo in Gelsenkirchen am 25.04.2016
8 Rede bei der Tagung des „Instituts für Staatspolitik“ auf Gut Schnellnroda, 21./22.11.2015 zitiert nach: DGB-Studie „Die AfD: Eine rechtspopulistische Partei im Wandel.“, S. 26
9 Siehe Seite 8 dieser Ausgabe