„Game of Thrones“ – was macht die „Fantasy“-Serie für viele so faszinierend?
Auch die jüngste Staffel der Fernsehserie „Game of Thrones“ hat wieder Millionen überwiegend junge Zuschauer in ihren Bann gezogen. Derzeit läuft die fünfte Staffel auf „RTL 2“ – die nächste, sechste Staffel beginnt am 24. April beim Pay-TV-Sender „Sky“
Spannende Kämpfe in exotischen Gefilden und eine Vielzahl von Helden (und Heldinnen), die im Auf und Ab der Handlung, im Mit- und Gegeneinander sich behaupten müssen – oder untergehen. „Game of Thrones“ wird als „Fantasy“ bezeichnet, ist aber eher eine historische Serie. Ihre Schauplätze ähneln verblüffend dem mittelalterlichen England zwischen normannischer Invasion 1066 und den Rosenkriegen, ergänzt durch andere Länder und Epochen, etwa antikes Griechenland und hunnisch-mongolisches Nomadenreich der Steppe. Die „Fantasy“, das sogenannte Übernatürliche, das in anderen Werken dieses Genres oft die Stelle eines „deus ex machina“, eines Theatergottes, einnimmt, der immer dann eingreifen muss, wenn die Hauptperson an irgendeiner Stelle festhängt, spielt hier nur eine untergeordnete Rolle und bestimmt nicht den Ablauf des Geschehens. Und der seit einigen Jahren zu beobachtende Trend, dass Liebes-, Abenteuer-, historische etc. Filme immer mehr miteinander verschmelzen, führt in diesem Fall zu einer Ausweitung der Geschichte auf episches Ausmaß und zu einer größeren Farbigkeit der Figuren, die nicht mehr nur schwarzweiß gezeichnet werden.
Das Interesse wird weiter wach gehalten durch die (vielleicht tatsächlich dem Mittelalter nachempfundene) Grausamkeit, mit dem die menschlichen Schöpfer dieser Welt die Serienhelden behandeln, sie unvermutet erhöhen oder stürzen. Der Zuschauer kann sich nie sicher sein, was mit seinem Filmliebling passieren wird.
Doch das vermag die Faszination dieser Serie und dieses Genres überhaupt nicht gänzlich zu erklären. Die mittelalterliche Welt der „Fantasy“ zeigt eine einfache, klar gegliederte Gesellschaft, in der ein jeder, ob König oder Küchenjunge, als Herr seines Schicksals auftritt und es selbst in der Hand hat, ob er steigt oder fällt. Diese Ordnung erscheint viel beweglicher und durchlässiger als der staatsmonopolistische Kapitalismus. Der Arbeiter oder Jugendliche, dessen Fähigkeiten nur verwendet werden, wenn sie der Profiterwirtschaftung nutzen, und der im Grunde, wenn er sich nicht der Arbeiterbewegung anschließt, nichts bewirken kann, hat hier eine Möglichkeit, wenigstens in der Fantasie der eintönigen Gegenwart zu entkommen und in einer virtuellen Wirklichkeit seine ungenutzten Kräfte zu erproben und zu erschöpfen.
Aber diese Unterhaltungskultur hat eine den Drogen vergleichbare Wirkung. Sie baut die schöpferischen Kräfte nicht auf, sondern ab, indem sie die Fantasie in vorgegebenen Mustern verkümmert. Und sie verwandelt die verdeckte Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus in eine Akzeptanz seiner Regeln.
Bei aller Dramatik des Geschehens führt die „Fantasy“ eine unveränderliche und sehr patriarchalische Ordnung vor. Der Held – es kann auch eine Heldin sein – kämpft sich durch, indem er sich dieser Gesellschaft anpasst und ihre verletzten Gesetze wiederherstellt. Sein Sieg ist immer ein Triumph des Alten. Die Geschichte erscheint als ein Kreislauf, der zum Ausgangspunkt zurückführt. Alles Handeln, das diesem Ziel widerspricht, ist verderblich – das ist Denkweise dieser seriellen Träume.
Berlin (Korrespondenz)