Das „Nein“ der griechischen Bevölkerung vertieft die Euro-Krise
Die große Mehrheit der griechischen Bevölkerung hat mit 61,31 Prozent gegen eine verschärfte Abwälzung der Krisenlasten auf die breiten Massen durch die Troika gestimmt. Das ist vollkommen berechtigt. Denn die Verschuldungsquote Griechenlands in Höhe von 177,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigt die finanziellen Möglichkeiten des Landes bei weitem. Es blutet aus.
Kein Privathaushalt kann eine Verschuldung in einer Höhe abtragen, die sein Einkommen um fast das Doppelte übersteigt. Das gilt erst recht für ein Land wie Griechenland, dessen Wirtschaftsleistung seit dem Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise Jahr für Jahr sinkt.
In Griechenland ist das Bruttoinlandsprodukt – ein Maß für die gesamtwirtschaftliche Leistung – seit dem Jahr 2008 bis 2014 ununterbrochen gesunken: von damals 237 Milliarden Euro auf 179 Milliarden Euro im Jahr 2014.1 Das ist ein Rückgang um 24,4 Prozent. Die Industrieproduktion in Griechenland lag im März 2015 um 26,7 Prozent unter dem Höchststand vor Krisenbeginn.2
Dieser tiefe Einbruch ist das Ergebnis der 2008 ausgebrochenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Sie hat Griechenland sehr heftig getroffen. Das Bankensystem stand vor dem Kollaps. Es wurde nur am Laufen gehalten durch massive Unterstützung der europäischen Rettungsfonds, Eingriffen der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Diese Programme waren an die Erpressung und Unterdrückung des Großteils der griechischen Bevölkerung geknüpft, dafür massive Kürzungen bei den Löhnen und Gehältern, der Zahl der Beschäftigten, Kürzung der Sozialleistungen, der Renten, der Kranken- und Arbeitslosenversicherung hinzunehmen. Die Folge war eine dramatische Verarmung und die Ausbreitung eines massenhaften Elends.
„Die Institutionen“, wie sich die Troika der Bande von Erpressern aus der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds heute vornehm betitelt, hat höllische Angst vor einer unkontrollierten Entfaltung des Widerstands des griechischen Volkes gegen ihre diktatorischen Maßnahmen. Um ihre Maximalprofite im Interesse des internationalen Finanzkapitals zu sichern, verstärken sie den Druck auf das griechische Volk ins Unerträgliche.
Der Hintergrund dafür ist der relative Rückfall der EU im internationalen Konkurrenzkampf. Die Industrieproduktion der USA hatte im April den Höchststand vor Ausbruch der Krise um 4,3 Prozent überschritten. Die EU lag im März jedoch noch um 9,2 Prozent darunter, die Eurozone sogar um 10,6 Prozent.3 Die EU ist im internationalen Maßstab nicht erst im Verlauf der Weltwirtschafts- und Finanzkrise zurückgefallen, sondern es handelt sich um eine langfristige Entwicklung. Im Jahr 2000 lag ihr Anteil am Weltsozialprodukt noch bei 26,5 Prozent, 2013 dagegen nur noch bei 23,7 Prozent. Der Anteil Chinas ist dagegen im selben Zeitraum von 4,1 Prozent auf 12,6 Prozent gestiegen.4
Das EU-Finanzkapital hat daher das Interesse, die Ausplünderung der breiten Massen in Europa zu steigern. Im Jahr 2000 verkündete sie in ihrer „Lissabon-Strategie“ als „strategisches Ziel … die Union zum wettbewerbsfähigsten … Wirtschaftsraum der Welt zu machen“.5 Das Vorgehen in Griechenland ist dabei die Speerspitze, um die Ausplünderung der Massen auch in den anderen Ländern zu verschärfen.
Zudem lockt die EU-Monopole der Ausverkauf wertvoller Unternehmen und von Infrastruktur-Einrichtungen, auf die sie besonders scharf sind, wie die Häfen von Piräus und Thessaloniki, der Flughafen Hellinikon von Athen, Regionalflughäfen, die Eisenbahngesellschaft Trainose, der Gasmarkt, das unabhängige Elektrizitätsversorgungsunternehmen Admie usw.
So nutzen die internationalen Übermonopole die Verschuldung dazu aus, sich die Filetstücke der griechischen Wirtschaft und Infrastruktur unter den Nagel zu reißen. Darüber hinaus sollen zahlreiche Rechte eingeschränkt werden im Kampf gegen Massenentlassungen, bei Streiks und Tarifverhandlungen. Der griechische Ministerpräsident Tsipras und das griechische Volk lehnen diese Erpressung zu Recht ab. Die Krise sollen die Banken und Konzerne bezahlen, die sie verursacht haben!
1 Eurostat Pressemitteilung 26.4.2011 und 21.4.2015
2 OECD Monthly Economic Indicators, eigene Berechnung
3 ebenda
4 databank.worldbank.org, eigene Berechnung
5 Stefan Engel, „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“, S. 288