„Da gab es kein Gewackel!“
Interview zur bundesweiten ver.di-Streikdelegiertenversammlung der Sozial- und Erziehungsdienste
Die „Rote Fahne“ führte ein Gespräch mit Petra Müller und Claudia Braungart, langjährige und erfahrene Erzieherinnen und Mitglieder der Streikleitung.
Ihr habt der „Roten Fahne“ kürzlich in einem Interview über den Streik berichtet und damals habt ihr angekündigt, dass eine bundesweite Streikdelegiertenversammlung stattfinden wird. Uns interessiert natürlich brennend, wie die Stimmung dort war. Könnt ihr uns eure Eindrücke schildern?
PM: Es herrschte eine richtige Aufbruchstimmung. 330 Delegierte waren da und auch aus Teilen Deutschlands aus ganz kleinen Orten, von denen ver.di nicht mal wusste, dass dort gestreikt wird. Die Kolleginnen und Kollegen haben den Streik gemeinsam beschlossen, die Kita im Ort blieb zu und sie riefen bei der ver.di an und fragten, ob sie Material zugeschickt kriegen und was jetzt zu tun ist.
CB: Es durften dann tatsächlich auch nur die Streikdelegierten abstimmen und nicht die Funktionäre, die natürlich auch auf diesen Treffen sind. Was mich besonders beeindruckt hat, war, dass aus allen Ecken Deutschlands, vom Land, von großen und mittleren Städten, aus dem Osten Streikdelegierte da waren und das alles trotz GDL-Streik, der zu dem Zeitpunkt voll im Gange war. Und es war wirklich so: Es gab keine einzige Stimme in diesen Berichten, die gesagt haben, wir möchten den Streik jetzt mal aussetzen, sondern es war eine ganz klare Ansage für den unbefristeten Streik! Was mich am meisten beeindruckt hat, waren die Delegierten aus Ostdeutschland. Dort ist der ver.di-Organisationsgrad nicht besonders berauschend. Faszinierend war aber, wie sie um jede Kita kämpfen, dass die bestreikt wird.
Man konnte vorher gar nicht einschätzen, wie die Stimmung werden würde, aber ich muss sagen – also, ich bin selber ja nicht so zimperlich – aber mir traten wirklich die Tränen in die Augen, als ich diese Standhaftigkeit der Kolleginnen und Kollegen dort erlebt habe. Da gab es kein Gewackel. Deshalb bin ich auch ganz schön stolz auf meine Kollegen!
Was waren die zentralen Fragen, die besprochen wurden?
PM: Die kommunalen Arbeitgeberverbände wollen das hier nur aussitzen und wir waren uns einig darüber, dass wir diese Auseinandersetzung viel mehr in die Öffentlichkeit bringen müssen, weil unser Streik ja erst mal nicht so einen hohen wirtschaftlichen Schaden anrichtet wie beispielsweise der Streik der GDL. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Öffentlichkeit hinter unserem Streik steht. Denn dieser Streik ist nicht nur für uns Erzieherinnen und Erzieher, sondern auch für die ganzen sozialen Berufe, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, die alle schlechter bezahlt werden.
Welche weiteren Festlegungen wurden noch getroffen, damit sich der Streik höherentwickelt?
CB: Was ich sehr begrüße, ist, dass wir jetzt auch festgelegt haben, dass bundesweit morgens Streikposten vor den Einrichtungen stehen. Da gibt es zwar immer noch kritische Auseinandersetzungen darum unter den Kollegen, das klappt so auch noch nicht überall. Dass man dann nicht einfach seine Streikgelderfassung macht und dann wieder abhaut, sondern die Auseinandersetzung geht darum, dass Streikzeit auch Arbeitszeit ist! Wir stehen jeden Morgen von sieben bis neun vor der Einrichtung oder in der Öffentlichkeit, gehen zu anderen Einrichtungen und unterstützen die, die noch wacklig sind. Also, bei denen, die sich noch nicht so trauen, die Auseinandersetzung mit den Eltern oder der Öffentlichkeit zu führen.
Herzlichen Dank für das Interview und wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und Durchhaltevermögen!