„Heute steht die Frage, ob der Kumpel sich das gefallen lässt“

Auf der 527. Gelsenkirchener Montagsdemonstration hielt Stefan Engel den folgenden Beitrag zum Thema Bergbau:

Wir haben im Bergbau folgende Situation: die unabhängige Bergarbeiterbewegung „Kumpel für AUF“ und die Betriebsgruppen der MLPD haben vor drei Jahren aufgedeckt, dass für die Kumpel ein Tarifvertrag gemacht wurde, mit dem die Kumpel, die 2018 noch nicht 48 Jahre sind, abgeschoben werden konnten. Sie sollten gezwungen werden dann jeden Job im Umkreis von 200 Kilometern anzunehmen.

Das erste Angebot durften sie noch ablehnen, bei Kürzung von 10 Prozent ihres Lohns, beim zweiten Mal sank der Lohn auf 80 Prozent, beim dritten Mal konnten sie entlassen werden. Das war nichts anderes als der Zwang, für Niedrig­löhne zu arbeiten.

Wir haben das entlarvt. Das haben die Kumpel aufgegriffen und eine Massenklage gemacht und prompt in der 1. und 2. Instanz gewonnen. Das Gericht hat den Tarifvertrag als ungültig und unsozial verurteilt. Jetzt war die dritte Instanz. Der Richter hat der RAG gleich gesagt, dass sie keine Chance haben, das Gericht wird ihn ebenfalls als ungültig erklären.

Infolge dessen hat die Ruhrkohle AG den gesamten Sozialplan, also nicht nur den Tarifvertrag für die Nichtanpassungsberechtigten, aufgelöst. Seit 1. April gibt es keinen Sozialplan mehr für die Kumpel. Das kann bedeuten, dass viele Kumpel nicht mal 1.000 Euro haben, wenn sie in die Anpassung kommen, weil die RAG-Zulage entfällt. Auch die Zuzahlung der RAG für 55- bis 60-Jährige in Höhe von 154 Euro wird gestrichen. Die Kollegen verlieren ihre Entgeltsicherung, die sie bei einer Verlegung bekommen haben. Die Kumpel bekommen ihre Deputatkohle gestrichen, das ist eine erhebliche Kürzung eines zugesicherten Rentenbestandteiles. Der ganze „sozialverträgliche“ Stillegungsplan ist gescheitert.

Und die Gewerkschaftsführung der IG BCE, die diesen Vertrag mit ausgearbeitet hat, erdreistet sich jetzt, sich auf außerordentlichen Betriebsversammlungen vor die Kollegen hinzustellen und gegen diejenigen zu hetzen, die diesen Mistvertrag angegriffen haben.

Sie mobilisiert nicht gegen die Ruhrkohle AG, gegen die Regierung und den ganzen Mist, der hier läuft. Sie mobilisiert gegen die Kollegen, die sich gewehrt haben, dass so ein Vertrag auf Kosten der Kumpel ausgearbeitet wird.

Heute ist die Frage, ob der Kumpel sich das gefallen lässt oder nicht.

Es sind derzeit noch 10.000 Kumpel bei der RAG angestellt, dann kommen noch einige Tausend in Leihfirmen dazu usw. Es ist eine Belegschaft, die noch genug Kampfkraft hat, dagegen aufzustehen und die auch genug Erfahrung dazu hat. Dazu braucht sie allerdings die Solidarität der Gewerkschaften, und vor allem der Gewerkschafter, die diesen Klassenverrat nicht mitmachen.

Wir müssen uns auch mal frei machen von solchen Leuten, die uns nur im Genick sitzen. Die IG BCE hat seit 1951 keinen einzigen gewerkschaftlichen Tarif-Streik mehr durchgeführt, seit über 60 Jahren halten die die Füße still. Alle Kämpfe, die im Bergbau gelaufen sind, waren selbständig.

Wenn sich die Kumpel zum Kampf entscheiden, dann werden sie die feste Solidarität der Bevölkerung des Ruhrgebiets, der Belegschaften im Ruhrgebiet, der Montagsdemonsrationen haben.

Wir können uns das nicht bieten lassen, die ganze Zeit das Gerede von Sozialplan und Sozialverträglichkeit und in Wirklichkeit werden die Kumpel, die das Ruhrgebiet aufgebaut haben, behandelt wie das letzte Stück Dreck. Das machen wir nicht mit. Wir werden zum Kampf dagegen aufrufen.

Was ich hier sage, steht in keiner Zeitung, das wird in den Betriebsräten und den Vertrauensleuteversammlungen diskutiert, immer mit dem Argument: „Wir dürfen die Kumpel nicht unruhig werden lassen.“ Was heißt denn hier „unruhig“?

Unruhe kommt doch nur auf, weil die Schauermärchen vom „sozialverträglichen Auslaufbergbau“ nicht mehr ziehen. Und das ist gut so!

 

1 „Anpassung“ nennt man den vorzeitigen Ruhestand von Bergleuten