Manuela Schwesig und das frauenpolitische Image der Großen Koalition

Zweifellos unterscheidet sich Manuela Schwesig (SPD), Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der Großen Koalition, in vielem von ihrer Vorgängerin Kristina Schröder (CDU). Sie hat 2014 die von Schröder 2011 eingeführte antikommunistisch motivierte Extremismusklausel entschärft und mehr Gelder für den Kampf gegen „Rechtsextremismus“ angekündigt.

Dass sie selbstbewusst auftritt, sich nicht einfach durch abfällige Kommentare von CDU-Chauvis wie Kauder und Co. unterbuttern lässt, die Tradition der Jugendweihe verteidigt usw. stößt bei vielen auf Zustimmung und Sympathie. Die Probleme und Sorgen der Frauen scheinen mit Schwesig in der Bundesregierung in guten oder wenigstens in besseren Händen. Sie setzt sich für einzelne Verbesserungen für Frauen ein. Ihr Auftrag in der Großen Koalition ist aber vor allem, das frauen- und familienpolitische Image der Bundesregierung aufzupolieren.

Was hat sich für die Masse der Frauen mit der Merkel/Gabriel-Regierung tatsächlich verändert? Anfang März beschloss der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD eine Frauenquote von 30 Prozent der Aufsichtsräte von Großunternehmen. Sie gilt ab 2016 für etwa 100 börsennotierte und „mitbestimmungspflichtige“ Unternehmen. 3.500 weitere Unternehmen sollen sich selbst Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen setzen. Das Gesetz verschafft nach Berechnungen der Managerinnen-Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ 258 Frauen einen hoch bezahlten Spitzenposten in führenden Monopolen. Für 19,7 Millionen erwerbstätige Frauen in Deutschland ändert sich dadurch nichts.

Schwesig hat in den letzten Wochen angekündigt, dass sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer durchsetzen will. In Deutschland verdienen Frauen im Durchschnitt sogar offiziell immer noch 22 Prozent weniger als Männer. Nur in Österreich ist innerhalb von Europa diese Kluft noch größer. Beim Pro-Kopf-Einkommen sind es sogar 49 Prozent.

Darin erscheint die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen im Kapitalismus. Sie ist systemimmanent, sie lässt sich nicht durch ein Gesetz abschaffen. Die bürgerliche Familienordnung ist das Gegenstück zur Ausbeutung der Lohnarbeit. Frauen verdienen weniger, weil ihre Arbeitskraft durch die ihnen auferlegte Hauptverantwortung für Haushalt, Kindererziehung und Pflege Angehöriger den Kapitalisten nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht. Solange die Hausarbeit und Kindererziehung privaten Charakter behält, solange kapitalistische Gesellschaftsverhältnisse existieren, bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Illusion.

Um wieder arbeiten gehen zu können, sind Familien und Mütter von kleinen Kindern darauf angewiesen, einen Platz in der Kindertagesstätte oder Ähnliches zu bekommen. Doch nur 6 Prozent der bundesdeutschen Kitas und Tagespflegeeinrichtungen sind in der Lage, eine gute bis sehr gute Betreuung der Kleinen unter drei Jahren zu leisten. Um das auszubauen, müssten mindestens 117.800 weitere Vollzeitkräfte eingestellt werden (Studie der Bertelsmann-Stiftung vom November 2014). Doch Schwesig sieht darin keinen Handlungsbedarf, sie vertagte kurzerhand Ende 2014 einen ersten Bericht zur Verbesserung der Kita-Qualitäten um zwei Jahre.

Von der SPD und den bürgerlichen Massenmedien werden die von ihr initiierten Maßnahmen und ihre Wirkung zugleich überzeichnet. Die Realität der gesellschaftlichen Ungleichheit von Frauen und Männern hat sich nicht verringert, zum Teil hat sie sich noch verstärkt.

Schwesig prangert die Ungleichheit von Mann und Frau an, verkörpert ein frauenpolitisches Selbstbewusstsein, sich nicht einschüchtern zu lassen, sich durchzukämpfen gegen Widerstände. Zugleich schürt sie damit aber kleinbürgerlich-feministische Illusionen, weil sie die gesellschaftlichen Ursachen vollständig ausblendet. Die kämpferische Frauenbewegung verteidigt Schwesig gegen frauenfeindlich und reaktionär motivierte Attacken von CDU/CSU-Politikern und Vertretern der Kapitalistenverbände. Aber sie ist gut beraten, ihre eigene Rechnung aufzumachen und die Politik der Bundesregierung insgesamt ins Visier zu nehmen!