Autokonzerne bekommen Unterstützung „von links“

Stuttgart (Korrespondenz): Am 27. Januar lud der IG-Metall-Vorstand zu einer Konferenz in Brüssel mit dem bezeichnenden Titel „Anforderungen an eine CO2-Regulierung in der Automobilindustrie“ ein. Eingeladen und Hauptadressat war der EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete, der den Auftrag hat, eine Absenkung der CO2-Emissionen für Autos nach dem Jahr 2020 durch die EU vorzubereiten. Zur Erinnerung: Diese sollten bereits im Vorjahr auf 68 Gramm bis 2025 reduziert werden, was jedoch auf Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Auftrag von Daimler und BMW verhindert wurde. Der „Kompromiss“ war die Absenkung des Abgasgrenzwerts von durchschnittlich 130 Gramm im Jahr 2013 auf 95 Gramm 2020.

Keine Festlegung neuer Grenzwerte

Keine Festlegung neuer Grenzwerte forderte der IGM-Vorsitzende Detlef Wetzel. Diese müsse „für die Zeit nach 2020“ unter Einbeziehung von „Gewerkschaften und Arbeitgebern“ erfolgen. Er begründete dies mit den angeblich bereits großen Fortschritten, die die Autoindustrie in der EU bei der CO2-Reduzierung gemacht habe, als „ambitionierte Klimapolitik“, die von der IGM unterstützt würde. Doch was soll daran anspruchsvoll sein, wenn selbst die EU-Umweltkommissarin Connie Hedegaard überzeugt ist, dass „95 Gramm bereits mit dem gegenwärtigen technischen Standard zu erreichen“1 sei. Die IGM-Spitze gibt sich als Beschützer der Arbeitsplätze: „Neue Regeln dürfen jedoch … nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen.“2 Doch seit wann schadet der Schutz des Klimas und der Kampf gegen immer neue CO2-Rekorde den Interessen der Arbeiter und Angestellten?

Beschäftigung muss Vorrang haben“

Beschäftigung muss Vorrang haben“, betonte mehrfach der 2. IGM-Vorsitzende Jörg Hofmann. Er, wie auch Detlef Wetzel, sprachen von „negativen Beschäftigungseffekten“, wenn die „Grenzwerte nach 2020 (nicht mit dem nötigen) Augenmaß festgelegt“ würden. Sie wiederholten damit nur, was uns die Autobosse ständig unter die Nase halten, um uns weich zu klopfen: Zu viel Umweltschutz koste Arbeitsplätze, weshalb wir uns für eine Seite entscheiden müssten. Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist das allerdings kein Widerspruch. Im Kampf um die „Nr. 1“ beschleunigt er das Tempo beim Abbau der Eigenfertigung und Arbeitsplätze, während er von der Bundesregierung die Förderung des umweltzerstörerischen Frackings und des Auto- und Lkw-Verkehrs fordert. Es sind die führenden internationalen Monopole wie Daimler, die sowohl an der Spitze der Umweltzerstörung als auch der Arbeitsplatzvernichtung stehen. Die notwendigen Sofortmaßnahmen zur Verhinderung einer globalen Umweltkatastrophe würden stattdessen die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitplätze erfordern.

Was die IGM-Spitze tatsächlich umtreibt, ist, dass „die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Autoindustrie „erhalten und ausgebaut“ wird: „Ein zu hoher Anspannungsgrad bei den Emissionsstandards kann deshalb die wirtschaftliche Situation der Automobilhersteller verschlechtern“. Die Losung „Beschäftigung muss Vorrang haben“ entpuppt sich damit als Vorrang für die Maximalprofite! Und davon können auch die Bochumer Opelaner ein Lied singen, denen die Unterstützung ihres Kampfes gegen die brutale Werkschließung durch die IGM- und Betriebsratsführung verweigert und gegen die sogar gehetzt wurde. Gegen dieses beschämende Vorgehen haben bereits über 2.000 Kolleginnen und Kollegen die Petition „Aufstand des gewerkschaftlichen Gewissens“ unterzeichnet (www.gewerkschaftsgewissen.info).

Wir brauchen Gewerkschaften, die mit uns für Arbeitsplätze und Umweltschutz kämpfen

Statt sich zum Büttel für die Automonopole zu machen und für die Abschwächung von CO2-Grenzwerten bei der EU und den Regierungen einzutreten oder Personalabbaupläne „kritisch zu begleiten“, brauchen wir eine IGM, die den Kampf gegen die Überausbeutung von Mensch und Natur organisiert.

Eine wachsende Zahl von Automobil-Beschäftigten versteht sehr wohl, dass sich die Herren in den Vorstandsetagen und Werkleitungen so zerstörerisch gegenüber der Natur verhalten, wie sie auch mit den Menschen umgehen. Allerdings wirkt die reformistische These von der Arbeit als Quelle allen Reichtums in der Form, dass viele Kollegen das Thema Umwelt außerhalb von Betrieb und Gewerkschaften ansiedeln. So muss zum Beispiel eine Kritik entwickelt werden, dass für die Debatte um die Anträge zum bevorstehende IGM-Gewerkschaftstag im Oktober 2015 die Umweltproblematik nicht als ein Schwerpunktthema vorgesehen ist. Geklärt werden muss, dass wir uns bereits mitten im Übergang zur globalen Umweltkatastrophe befinden. Dieser die Menschheit bedrohende Prozess kann nur durch den weltweit gut organisierten Widerstand unter Führung des Industrieproletariats im Kampf gegen das internationale Finanzkapital gestoppt werden. Während die IGM-Führung den „Verbrennungsmotor … bis 2030 weiterhin (als) eine Säule des Antriebsstrangs“ sieht und den Umstieg auf den Elektroantrieb von öffentlichen Subventionen abhängig macht, brauchen wir den Kampf um die sofortige Wende hin zu regenerativ gewonnenem Strom und Verkehrssystemen in Einklang mit der Natur auf Kosten der Profite. Das schließt auch den Kampf um jeden Arbeitsplatz bzw. Ersatzarbeitplatz mit ein. Und wir brauchen eine Debatte um die gesellschaftliche Alternative zum kapitalistischen System, das offensichtlich nur mehr zum Preis der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen existieren kann.

 

1 „Stuttgarter Zeitung“ vom 27. 1. 15

2 IGM-Zeitung „Brennpunkt“ für Daimler Sindelfingen, Februar

(Alle nicht gekennzeichneten, zitierten Stellen sind aus den Konferenz-Dokumenten, unter www.igmetall.de)