25. November: Weltweit gegen Gewalt an Frauen
Rund sieben Milliarden Menschen leben auf der Erde. Die Hälfte sind Frauen. Diese eine Hälfte der Menschheit leistet zwei Drittel aller notwendigen gesellschaftlichen Arbeit, doch ihr Anteil am Welteinkommen beträgt nur ein Zehntel.
Frauen besitzen nur ein Prozent aller Güter. 70 Prozent der Kinder, die keine Schule besuchen, sind Mädchen. Gewalt gegen Frauen reicht von subtilen bis zu brutalsten Formen. Wenn diese Probleme weltweit in mehr oder weniger allen Ländern auftreten, müssen sie gesellschaftliche Wurzeln haben. Seit 1960 gibt es den 25. November als Tag gegen Gewalt an Frauen.
Ein internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
Während der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen seinen Ursprung in einem hochpolitischen Zusammenhang hat, wurde dies über längere Zeit vor allem auf Betreiben der UNO weitgehend ausgeblendet. Er geht zurück auf die Ermordung der drei Mirabal-Schwestern am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik. Sie waren zusammen mit ihren Männern führend am Aufbau einer illegalen Widerstandsbewegung beteiligt, die das reaktionäre Trujillo-Regime stürzen wollte. Nach ihrer Ermordung schlossen sich zahlreiche – vor allem junge – Menschen dem Widerstand an.
20 Jahre später, im Juli 1981 erklärte die lateinamerikanische Frauenbewegung den 25. November bei einem Treffen in Bogota zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Viele Teilnehmerinnen dieses Treffens sahen die Frauenbewegung als Teil der antiimperialistischen Bewegung und orientierten sich am Ziel des Sozialismus.
1999 wurde der Tag von der UNO aufgegriffen, weltweit verbreitet, aber auch in ihre reformistische „Gleichstellungspolitik“ integriert. Die damals verabschiedete Erklärung sieht die Ursachen der Gewalt an Frauen in den „ungleichen Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen“ und „bittet, je nach Sachlage, die Regierungen, die zuständigen Organisationen, Organe, Fonds und Programme des Systems der Vereinten Nationen sowie andere internationale und nichtstaatliche Organisationen, an diesem Tag Aktivitäten zu organisieren, die darauf abzielen, die Öffentlichkeit stärker für das Problem … zu sensibilisieren“.
Die Integration dieses Tags in die bürgerliche Politik hat die Aktivitäten in vielen Ländern über Jahre geprägt. Es war die kleinbürgerliche Frauenbewegung, die auf die vielfältigsten Formen der Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht hat. Das Bewusstsein darüber zu verschärfen ist einer ihrer größten Verdienste. Aber zunehmend wurde die individuell vorhandene Gewalt losgelöst von den strukturellen, gesellschaftlichen Hintergründen betrachtet. Das prägte zunehmend auch den 25. November.
Erst in den letzten Jahren wurde der politische und gesellschaftliche Charakter dieses Tages von der kämpferischen Frauenbewegung neu entdeckt und verwirklicht. Das fand seinen Höhepunkt in der Beschlussfassung als einer der drei Aktions- und Kampftage der internationalen Frauenbewegung durch die 1. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen im März 2011 in Caracas.
Woher kommt die Gewalt an Frauen?
Der Streit um den Ursprung der Gewalt an Frauen prägt nicht nur die Geschichte des 25. November. Die Marxisten-Leninisten bekämpfen jede Form der sexistischen Gewalt. Die MLPD hat diese sexistische Gewalt wissenschaftlich untersucht und dabei vor allem die gesellschaftlichen Wurzeln der besonderen Unterdrückung aller Frauen und der doppelten Unterdrückung der Masse der Frauen im Kapitalismus aufgedeckt.
„Die besondere Unterdrückung der Frau ist ein wesentliches Element jeglicher Herrschaftsausübung in der auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhenden Klassengesellschaft“, analysierten Stefan Engel und Monika Gärtner-Engel in ihrem Buch „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“. Sie arbeiten darin die doppelte Unterdrückung der Masse der Frauen in allen ausbeuterischen Gesellschaften heraus: „Zum einen als Teil der ausgebeuteten und unterdrückten Schichten. Zum anderen sorgt ein ganzes System der besonderen Unterdrückung der Frau für die systemerhaltende Wahrnehmung ihrer Funktionen in der Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens. Diese wiederum hat zwei grundlegende Seiten:
1. die Erhaltung und ständige Reproduktion bestehenden menschlichen Lebens, insbesondere von Arbeitskräften;
2. mit Schwangerschaft, Geburt, Ernährung und Erziehung von Kindern die „Produktion“ neuen menschlichen Lebens.“
Der Kapitalismus kann nicht ohne die bürgerliche Staats- und Familienordnung existieren. Weltweit hält deshalb ein ausgefeiltes System die besondere Unterdrückung der Frauen aufrecht. Es reicht von seinen brutalsten Formen bis zu subtilen Ketten, der Kontrolle der Sexualität, der bürgerlichen Weltanschauung von Tradition und Moral auch in Form der Religion bis zur ökonomischen Abhängigkeit vom Mann. In Deutschland wird heute die Unterdrückung der Frauen vor allem durch das System der kleinbürgerlichen Denkweise gerechtfertigt und verankert.
Medien und gesellschaftliche Strukturen fördern Macho-Gehabe und eine kleinbürgerlich-sexistische Denkweise von Kindesbeinen an. Eine bürgerliche Massenkultur, in der „Frauenversteher“ als Schimpfwort gilt und Flatrate-Bordelle als normal, fördern eine Denkweise der Unterdrückung der Frau. Die kapitalistischen Klassengegensätze widerspiegeln sich in und zwischen den Einzelfamilien und Beziehungen.
Religion und bürgerliche Moral verdammen Frauen, die ihren eigenen Weg gehen, selbständig sind und sich organisieren. Das widerspricht dem gewünschten Typus Frau. Sie soll entweder ganz in der lebenslangen Partnerschaft, Familie und kleinbürgerlicher Idylle aufgehen oder als Tausendsassa Karriere und Familie perfekt managen. Werden Frauen aktiv im Betrieb, erleben sie nicht selten ein perfides antikommunistisches Mobbing bis in rechte Gewerkschaftskreise hinein.
Armut als alleinerziehende Mutter oder zwanghafter Aufrechterhaltung einer ungewollten Beziehung ist ein Boden, auf dem häusliche Gewalt blühen kann. In Deutschland war jede vierte Frau bereits Opfer von häuslicher Gewalt. Frauen sind von häuslicher Gewalt mehr bedroht als durch Gewaltdelikte wie Körperverletzung mit Waffen, Wohnungseinbruch oder Raub. In den bürgerlichen Familien ist die Abhängigkeit der Frau vom – oft alleine verdienenden –Mann noch größer. „Der Bourgeois sieht in seiner Frau ein bloßes Produktionsinstrument“, wiesen Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest nach. Sie waren damit nicht nur Begründer der proletarischen Frauenbewegung, sondern legten auch einen theoretischen Grundstein für eine Frauenbewegung aus allen Klassen und Schichten.
„In allen bürgerlichen Gesellschaften herrscht … eine widerliche Doppelmoral, die den Reichen erlaubt, was den Armen verboten ist, oder den Männern zugesteht, was den Frauen untersagt bleibt“, heißt es im Buch „Neue Perspektiven …“. Dieses Problem lässt sich individuell bewusst machen, bekämpfen und zum Teil begrenzen, beseitigen kann man es nur gesellschaftlich.
Die wachsende, chronische Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems verschärft sogar die Unterdrückung der Masse der Frauen in den widerwärtigsten Formen von Massenvergewaltigungen bis zu Steinigungen und Töten weiblicher Nachkommen. 60 Millionen Frauen „fehlen“ der Welt als Folge von geschlechtsselektiven Abtreibungen und Mädchenmorden.
Wer denkt, in Deutschland wäre so etwas undenkbar, sollte sich an den Fall der 23-jährigen Madelaine aus Essen erinnern. Sie wurde von ihrem Stiefvater jahrelang sexuell missbraucht, hatte sogar eine kleine Tochter von ihm. Weil sie für ihre Tochter nicht das gleiche Schicksal wollte, brachte sie die Mut und die Kraft auf, in ein Frauenhaus zu flüchten und ihren Peiniger bei der Polizei anzuzeigen. Obwohl dieser als straffälliger Rocker und Faschist bekannt war, wurden ihre Aussagen von Seiten der Ämter nicht ernst genommen und die Ermittlungen nur schleppend betrieben. Durch Tricks brachte der Stiefvater sie in seine Gewalt. Geknebelt, gefesselt, ermordet, in einem Erdloch einbetoniert, wurde ihre Leiche Mitte Februar 2014 in seinem Schrebergarten entdeckt.
Wenn die UN von 500.000 Zwangsprostituierten in der EU ausgeht, finden im ach so „zivilisierten“ Europa täglich zehntausendfache Massenvergewaltigungen statt. Nicht gezählt die in die Millionen gehende legale scheinbar freiwillige Prostitution. Über 14 Milliarden Euro setzt die in Deutschland legale Prostitution pro Jahr um.
Begeisternde Fortschritte
Am 25. November 2014 blicken die Frauen der Welt besonders nach Rojava. Hier im nordsyrischen Teil Kurdistans rütteln die Frauen mit aller Macht an den Ketten ihrer besonderen Unterdrückung.
Organisiert haben die Frauen durchgesetzt, dass Verbrechen an Frauen als Verbrechen gegen die Gesellschaft aufgefasst und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Der Widerstand der kurdischen Frauen entwickelte sich zusammen mit dem Kampf um Demokratie und Freiheit unter Führung der PKK und PYD. Unter der Bedingung des Bürgerkriegs in Syrien konnten sich die kurdischen Gebiete eine Autonomie erkämpfen und bis heute verteidigen. Gegen die althergebrachte Rolle der Frau wird eine gleichberechtigte gesellschaftliche Rolle der Frau erkämpft.
Die Fortschritte einer tatsächlichen Gleichberechtigung in Kurdistan sind umso begeisternder, wenn man weiß, wie stark bis vor wenigen Jahren noch patriarchal-feudalistische Strukturen in der kurdischen Gesellschaft waren: Oft wurden Frauen traditionell sehr jung verheiratet, manchmal als Zweit- oder Drittfrauen eines viel älteren Mannes. Die Ehre des Mannes und der Familie definierte sich über die sogenannte „Reinheit der Frau“. Mädchen wurde oft nicht erlaubt, die Schule zu besuchen oder Berufe zu lernen, stattdessen wurden sie isoliert. Um diese Fragen tobt natürlich immer noch der Kampf um die Denkweise unter den Massen. Aber Kurdistans Frauen und seine fortschrittlichen Männer drehen das Rad der Geschichte vorwärts – das ist ein wesentlicher Teil ihrer überlegenen Kampfmoral gegen den extrem frauenfeindlichen „Islamischen Staat“.
Dem IS und seinen offenen oder heimlichen Unterstützern, den Imperialisten aller Couleur, ist dieser Freiheitskampf verhasst. Nicht zuletzt, weil er an der für den Kapitalismus lebensnotwendigen doppelten Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen rüttelt.
Auch deshalb rufen die europäischen Frauen der Bewegung der Weltfrauenkonferenz zur Solidarität mit Rojava auf und unterstützten die Solidaritätstour „Unser Herz für die Heldinnen in Rojava“.
Frauen mit Gewehr – Flintenweiber?
Vor allem junge Frauen in Rojava kämpfen mit der Waffe in der Hand gegen den IS. Dazu sagt Newroz Suleyman, die sich als junge Frau den YPG (Selbstverteidigungskräfte Westkurdistan) angeschlossen hat: „Viele denken, dass die Selbstverteidigung des Volkes eine Aufgabe der Männer sei. Sie liegen falsch, denn auch die Frau kann die Aufgabe … diszipliniert übernehmen.“ Dass Frauen auch mit der Waffe für ihre Befreiung kämpfen dürfen, ist eines der weltweit am meisten bestrittenen Frauenrechte. Sobald man aber Frauen braucht, um die Ansprüche der imperialistischen Staaten durchzusetzen, ist die Bewaffnung der Frau ein Akt der Gleichberechtigung. Bis in die Betriebe in Deutschland tobt die Diskussion. „Kämpfen, das widerspricht der Rolle der Frau“, so ein türkischer Kollege in Recklinghausen, als er die kurdischen Frauen in der „Roten Fahne“ mit den Gewehren sieht. Auf die trotzige Frage seiner Kollegin, ob es der Rolle der Frau entspricht, sich von Faschisten unter dem Deckmantel des Islam brutalst vergewaltigen und ermorden zu lassen, herrscht erst mal Schweigen.
Befreiung – Revolution
Der Tag gegen Gewalt an Frauen ist auch eine Gelegenheit für die solidarische Auseinandersetzung über den Weg der Befreiung der Frau. Die Befreiung der Frau kann nur verwirklicht werden durch die revolutionäre Lösung der sozialen Frage. Das bedeutet die Befreiung der Arbeiterklasse von Ausbeutung und Unterdrückung und die Befreiung der Frau von allen Formen der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung. Das ist das unverwechselbare Markenzeichen der Frauenarbeit der MLPD. Schon heute ziehen Männer und Frauen in der MLPD an einem Strang, wenn es etwa um die Förderung von Frauen und Mädchen in der Partei geht.