Stefan Engel: „Heute sind wir alle Kurden!“
Weltweit demonstrierten am Samstag, 11. Oktober Hunderttausende Menschen ihre Solidarität mit dem heldenhaften Kampf der kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer in Kobanê. Eine machtvolle Demonstration zur Solidarität mit dem Widerstand in Rojava und Kobanê erlebte Düsseldorf, wohin aus ganz Deutschland, Belgien und den Niederlanden mobilisiert wurde. Die Zahlenangaben gehen auseinander. Die Polizei spricht (sicher untertrieben) von 21.000. Während der Kundgebung war zeitweise von 70.000 bis 100.000 die Rede. Von der Polizei wurde der eigentliche Kundgebungsplatz schon bald gesperrt, angeblich weil er überfüllt war. Obwohl es noch Platz für Tausende gab.
Der Zug war ein Fahnenmeer aus kurdischen und zahllosen roten Fahnen. Jugend und Frauen traten selbstbewusst und kämpferisch in Erscheinung. Viele auch in kurdischen Trachten oder wenigstens Farben gehüllt. Immer wieder gab es verschiedensprachige Rufparolen. Gegen IS und für die Freiheit! Die kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer von YPG und YPJ wurden gegrüßt und ihre Fahnen mit Stolz getragen. Die PKK wurde gegrüßt und hunderte Fahnen mit dem Gesicht des in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan im Zug mitgeführt. Alle kurdischen Organisationen und revolutionäre und fortschrittliche Migranten-Organisationen aus der Türkei waren vertreten. Auch erfreulich viele deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren gekommen. Man sah auch einzelne Fahnen von der Linkspartei, der Linksjugend, von DKP, SDAJ und Autonomen Gruppen und zahlreiche Fahnen und Plakate der MLPD: „Freiheit für Palästina und Kurdistan“.
Das offene Mikrofon von MLPD und REBELL wurde immer wieder zum Anziehungspunkt für viele Demonstrationsteilnehmer. Zeitweise wuchs der Abschnitt, in dem vor allem die MLPD und ihr Jugendverband REBELL das Bild prägten, auf rund 1.000 Menschen. Die MLPD verteilte 10.000 Flugblätter, verkaufte 140 Exemplare der „Roten Fahne“, sowie Literatur, darunter 15 Parteiprogramme und zehnmal das Buch „Katastrophenalarm!“. Mindestens 50 Menschen gaben ihre Adresse für eine weitere Zusammen- und Mitarbeit.
Auf der mehrstündigen Abschlusskundgebung sprachen zahlreiche Vertreter migrantischer Organisationen, der kurdischen Bewegung, der alevitischen Gemeinden, der kurdischen Frauenbewegung, von Medico International, Salih Muslim Muhammad, der Vorsitzende der nord-syrischen PYD-Partei, die in Rojava maßgeblich den Kampf führt. Gänsehaut kam auf bei einer Liveschaltung zu den Verteidigern von Kobanê.
Stefan Engel überbrachte die Grüße der revolutionären Arbeiterbewegung Deutschlands, der MLPD und ihres Jugendverbands REBELL. Er sprach als Vorsitzender der MLPD sowie Hauptkoordinator der ICOR: „Ich verneige mich vor dem heldenhaften Kampf der kurdischen Söhne und Töchter, die heute an der Spitze des weltweiten Kampfs für Freiheit und Demokratie stehen.“
Er stellte die Frage, warum jetzt eigentlich täglich über den Kampf der Kurden in den Medien berichtet wird, wo dieser doch seit Jahrzehnten andauert. Der erste Grund dafür sei, dass die Strategie der USA im Nahen und Mittleren Osten vollständig gescheitert ist. Sie mussten aus Afghanistan und dem Irak abziehen und haben auch in Syrien keines ihrer Ziele erreicht. Dann haben sie auf die Karte der Förderung der islamistisch-faschistischen ISIS gesetzt. Erst auf Druck der Weltöffentlichkeit und nach Erfolgen des kurdischen Befreiungskampfes gehen sie halbherzig gegen ISIS vor.
Der zweite Grund ist, dass die weltweiten Bewegungen für Freiheit und Demokratie in eine Sackgasse geraten sind, weil ihnen oft noch die notwendige Orientierung fehlte. In vielen Ländern konnten islamistische Kräfte Einfluss gewinnen, in Ägypten sogar die Militärdiktatur wieder hergestellt werden. Der kurdische Freiheitskampf ging einen anderen Weg und ist heute zum leuchtenden Vorbild im Kampf für Freiheit und Demokratie geworden. In Rojava wurde mit dem Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung, der Verwirklichung einer breiten Demokratie und Gleichberechtigung der Frauen begonnen. Die Imperialisten wollen verhindern, dass dieses Beispiel Schule macht.
Stefan Engel weiter: „Diese beiden Faktoren treffen in Kobanê aufeinander. Deshalb muss auch die revolutionäre Bewegung sagen: Heute sind wir alle Kurden, der Kampf in Kobanê ist auch unser Kampf.“ Er berichtete im Namen der ICOR, dass sie gegenwärtig mit der Führung der kurdischen Organisationen in Verhandlungen über einen Solidaritätspakt mit dem kurdischen Befreiungskampf stehe: „Ein Pakt der Selbstverpflichtung zusammenzuarbeiten, um eine dem Imperialismus überlegene Kraft zu werden.“ Nach diesen Worten brandete der Beifall auf und Tausende stimmten „Hoch die internationale Solidarität“ an.
Stefan Engel richtete auch kritische Worte an die Linkspartei: „Ich habe erheblichen Widerspruch dazu, wenn die Linkspartei im Parlament vertritt, dass das Waffenembargo gegen Kurdistan aufrechterhalten bleiben soll. Und das in einer Situation, in der ein ganzes Volk abgeschlachtet werden soll. In einem solchen Kampf auf Leben und Tod bedeutet Pazifismus nichts anderes als die Unterstützung der Reaktionäre.“ Stattdessen müsse Rojava von allen Regierungen anerkannt werden, das PKK-Verbot in Deutschland aufgehoben werden und ihr Vorsitzender Abdullah Öcalan in der Türkei freigelassen werden. Und das Waffenembargo gegen die kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer von YPG/YPJ und der PKK muss aufgehoben werden. „Wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass die Diskriminierung des kurdischen Freiheitskampfes aufhört!“