In der Zwickmühle zwischen Inflation und Deflation

Eine Deflation ist das Gegenteil einer Inflation. Die Inflation lässt die Preise und Lebenshaltungskosten steigen und das Geld wird immer weniger wert. Sie frisst die Erhöhungen der Löhne und Gehälter, der Renten und der Hartz-IV-Bezüge auf. Die Folge ist, dass sich die breiten Massen immer weniger von ihrem Einkommen leisten können.

Diese Entwicklung einer schleichenden Entwertung der Kaufkraft war seit dem Jahr 2000 deutlich spürbar, auch wenn die offiziell angegebenen Verbraucherpreise zuletzt weniger stark gestiegen sind als noch in den Jahren unmittelbar nach der Wiedervereinigung. Jetzt ist in den bürgerlichen Massenmedien oft die Rede von einer „drohenden Deflation“. Könnte man sich nicht darüber freuen, weil die Preise endlich einmal sinken?

Gegenwärtig ist die offizielle durchschnittliche Preissteigerungsrate in der Euro-Zone mit 0,5 Prozent im Mai im Vergleich zum Vorjahr sehr nied­rig. In einigen Staaten wie Griechenland, Bulgarien, Portugal und Zypern ist die Preissteigerungsrate sogar negativ.1

Ein Leser der „Roten Fahne“ hat uns zu den Ursachen der Deflation geschrieben: „Es sei doch klar … wenn die Löhne und Sozialstandards gerade in den südlichen Ländern der EU bis zu 30 Prozent gesenkt werden, dass es dann zu billigeren Preisen in der Herstellung von Waren kommt.“

So einfach ist das aber nicht. Die Senkung der Löhne und Sozialleistungen ist nicht die Ursache der Deflation. Wenn das so wäre, müssten sich die Lohnabhängigen bei ihren Tarifforderungen nur zurückhalten, um auf diese Weise zu sinkenden Preisen beizutragen, was ihnen über eine höhere Kaufkraft wieder zugute käme. Umgekehrt hätten hohe Lohnsteigerungen notwendigerweise Preissteigerungen zur Folge. Das ist ein Märchen der bürgerlichen Ökonomie, das den Arbeitern und ihren Gewerkschaften als sogenannte „Lohn-Preis-Spirale“ immer wieder aufgetischt wird.

Tatsächlich sind für die steigenden Preise vor allem die Monopole und Übermonopole verantwortlich. Sie nutzen ihre ökonomische Macht, Monopolpreise durchzusetzen über den Wert der von ihren Beschäftigten produzierten Waren hinaus, um mit solchen Raubpreisen einen hohen Extraprofit zu erzielen.

In dem Buch von Stefan Engel „Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘“ heißt es zum Wesen einer Deflation: „Im Unterschied zur Inflation, die Geld im Verhältnis zu Waren entwertet, entwertet die Deflation Waren im Verhältnis zum Geld. Die Deflation ist Ausdruck der gesetzmäßigen Tendenz der Vernichtung überschüssigen Kapitals.“2

Sie ist also eine Folge der krisenhaften Entwicklung des Imperialismus. Das Streben nach schrankenloser Ausdehnung der Produktion führte zur Überakkumulation des Kapitals und löste die bisher tiefste und längste Weltwirtschafts- und Finanzkrise aus. Um ihren Absatz trotz des tiefen Kriseneinbruchs zu halten, senkten die Stahlkonzerne die Preise für Warmbreitband, auch unter dem Druck starker Abnehmer wie der Automobilkonzerne. Gegenwärtig liegen die Stahlpreise immer noch um rund 30 Prozent unter dem Vorkrisenstand des Jahres 2008.3

Der Masse der Bevölkerung kommen die niedrigeren Preise nur eingeschränkt zugute. Im offiziellen Warenkorb sind die Dinge des täglichen Bedarfs wie Kaffee, Brot, Mieten, Strom, Bahntickets gegenüber ihrem tatsächlichen Anteil am Konsum der Massen viel zu nied­rig bewertet. Ihr Preisanstieg liegt aber über dem offiziellen Durchschnitt. Zugleich bereichern sich die Banken und Staaten an den extrem niedrigen Zinsen, die allein die deutschen Sparer 15 Milliarden Euro im Jahr an entgangenen Zinsen auf ihre Sparguthaben kosten.4 Auch die Lebensversicherungen werden entwertet, sodass „der Sparer am Ende der Laufzeit froh sein (kann), wenn er seine eingezahlten Beiträge wieder rausbekommt“.5 Dies verstärkt noch die Auswirkung niedriger Löhne und Renten. Auf diese Weise müssen die breiten Massen nicht nur die Folgen der Inflation, sondern auch der Deflation ausbaden.

Den Monopolen ist daran gelegen, die Preise so schnell wie möglich wieder in die Höhe zu treiben. Das ist auch ein wesentliches Ziel der gegenwärtigen Welle internationaler Fusionen und Übernahmen.

 

1 Eurostat-Pressemitteilung 91/2014, 16.6.2014

2 „Götterdämmerung über der ,neuen Weltordnung‘“, S. 459

3 „Stahlpreise“ – www.gesamtmetall.de

4 Sparkassen-Präsident Fahrenschon, „handelsblatt.de“, 4.6.2014

5 „Frankfurter Rundschau“, 27.6.2014