Die Ukraine nach dem Referendum

Aus Rote Fahne 20/2014: 75 Prozent der drei Millionen Wahlberechtigten haben sich nach Angaben der Organisatoren am 11. Mai am Referendum über die Unabhängigkeit der Ostukraine beteiligt. Die Organisatoren sprechen von einer Zustimmung von 89 Prozent für eine Abspaltung der ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk von der Ukraine. Auch wenn diese Abstimmung nach formalen Kriterien völkerrechtswidrig ist, besteht kein Zweifel, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in der industriell geprägten Region derzeit für eine Lostrennung von Kiew eintritt.

Zumal die sogenannte Übergangsregierung in Kiew, in der auch Faschisten und Ultra-Nationalisten mitarbeiten, ebenfalls alles andere als völkerrechtskonform zustande kam.

In der Region bringen das scharfe Vorgehen der ukrainischen Armee gegen die Separatisten und der Terror faschistischer Kräfte die Menschen zusätzlich gegen die Regierung in Kiew auf. Der Wunsch nach Veränderung in der gesamten ukrainischen Bevölkerung hat auch etwas mit der immer desolater werdenden Lebenslage zu tun. Viele müssen mit 60 Euro im Monat auskommen, vor allem auf dem Land. Gleichzeitig explodieren ausgehend von Kiew die Lebenshaltungskosten, vor allem für Energie. Die Übergangsregierung in Kiew hatte bereits vorher verkündet, das Referendum in keinem Fall anzuerkennen. Ebenso die USA und EU-Vertreter, die unisono erklärten, das Referendum sei „demokratisch nicht legitimiert“. Die russische Putin-Regierung hatte öffentlich vorgeschlagen, die Abstimmung zu verschieben. Heute hieß es aus dem Kreml: „Moskau respektiert den Ausdruck des Willens der Bevölkerung der Regionen Donezk und Luhansk.“

Das imperialistische Tauziehen um die Ukraine spitzt sich weiter zu – die Gefahr einer militärischen Konfrontation zwischen den imperialistischen Mächten EU/USA/NATO und Russland ist nicht gebannt. Die NATO verschärft die Kriegsrhetorik. „Als Oberbefehlshaber werde ich sicherstellen, … was nötig ist, um jeden Teil unseres Territoriums zu verteidigen und jeden in unserer Bevölkerung zu beschützen“, erklärt NATO-Oberbefehlshaber und US-General P. M. Breedlove. „Genau darum verstärken gerade jetzt Flugzeuge und Schiffe unserer Verbündeten die Sicherheit an unseren Grenzen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.“ Und er macht deutlich: „Die NATO hat 2008 entschieden, dass die Ukraine und auch Georgien NATO-Mitglieder werden, vorausgesetzt, sie möchten das.“

Am Wochenende wurde in verschiedenen Medien berichtet, dass 400 Söldner der Firma Greystone Limited in der Ukraine aktiv sind. Greystone arbeitet im Auftrag der US-Firma Academi, die früher unter dem Namen „Blackwater“ bekannt war. Der „Spiegel“ berichtet, die Söldner seien in Uniformen der ukrainischen Sonderpolizei „Sokol“ unterwegs. Ein Einsatz dieser Truppe ohne Absprache mit der US-Regierung oder einem ihrer Geheimdienste ist kaum denkbar. Es ist vielmehr typisch für den US-Imperialismus, mit solchen Söldnern zu arbeiten, wenn eine direkte militärische Verstrickung (noch) vermieden werden soll. Über den Einsatz der Greystone-Leute gegen pro-russische Aktivisten in der Gegend von Slowansk informierte der Bundesnachrichtendienst die Bundesregierung bereits Ende April.

Vor diesem Hintergrund entpuppt sich die US-Kritik an Russland wegen des Einsatzes von Militär ohne Hoheitszeichen als pure Heuchelei.

Die Genossinnen und Genossen der ICOR-Organisation Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung in der Ukraine (KSRD) müssen in den verschiedenen Regionen unter komplizierten Bedingungen arbeiten. In Kiew war am 1. Mai aufgrund des faschistischen Terrors ein öffentliches Auftreten mit marxistisch-leninistischen Positionen nicht möglich. Ähnlich war es in Charkov. In Odessa und Donezk trugen die Genossen ein viel beachtetes Transparent „Für den Sozialismus und für die Einheit der Ukraine“. Es richtete sich gegen eine verbreitete Stimmung „schlechtes Kiew – gutes Russland“. Der KSRD wendet sich gegen die imperialistische Einmischung sowohl der USA/EU als auch Russlands.

(jw)