Ist ein „anderer Kurs“ der EU möglich?

Zum gemeinsamen Aufruf revisionistischer und neorevisionistischer Parteien zur Europawahl

16 Parteien der „Konföderierten Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ haben einen gemeinsamen Aufruf zur EU-Wahl veröffentlicht. Die Unterzeichner sind revisionistische, neorevisionistische und linkssozialdemokratische Parteien, darunter aus Deutschland „Die Linke“ und die DKP (Deutsche Kommunistische Partei).

Der Aufruf bemüht sich, kämpferisch und teilweise revolutionär zu klingen und die grundsätzliche Kritik aus den Massen an der EU aufzugreifen. Unter anderem heißt es, „dass die EU in ihrem Wesen als neoliberale und militaristische Struktur … nicht reformierbar ist“. Statt nun aber auf die einzig logische Konsequenz – den aktiven Widerstand der Volksmassen gegen das reaktionäre Bündnis und die Perspektive der internationalen Revolution – zu orientieren, drückt sich der Aufruf genau davor.

Stattdessen wird bereits in der Qualifizierung der EU davor ausgewichen, sie klipp und klar als Imperialismus zu benennen. Imperialismus bedeutet Krieg, neokolonialistische Ausplünderung, Aggression nach außen und Unterdrückung nach innen. Dagegen bescheinigt der Aufruf der EU, eben noch kein Imperialismus zu sein. Vielmehr erkläre sie lediglich „ihre Ambitionen, ein imperialistischer politisch-militärischer Block zu sein“. Also ein „Möchtegern-Imperialismus“? Eine solche Verharmlosung des EU-Imperialismus ist zumindest bei der DKP nicht mit Unkenntnis zu erklären, was Imperialismus ist, sondern nur mit opportunistischer Anpassung besonders an die Linkspartei, die sich wiederum opportunistisch der SPD anbiedert.

Nachdem die EU nach der Definition des Aufrufs also nicht imperialistisch ist, spricht er konsequenterweise nur noch vom „Kurs der EU“ statt von ihrem Wesen. Dieser Kurs sei „nicht unvermeidbar“, „ein anderer Kurs für Europa“ sei möglich. Als erster Schritt wäre „ein tiefgehender Bruch mit der Politik der EU“ nötig. Damit ist der Schwenk vollzogen: Weg vom Kampf zum Sturz des Imperialismus und hin zum Versuch, die EU zu reformieren. Eine EU, wohlgemerkt, von der man am Anfang des Aufrufs noch völlig richtig gesagt hatte, dass sie „nicht reformierbar“ ist.

Nachdem der Aufruf geklärt hat, dass nicht gegen den EU-Imperialismus rebelliert, sondern nur der „Kurs“ geändert werden soll, öffnen sich die Schleusen reformistischer Illusionsmacherei: Die „nicht reformierbare“ EU soll jetzt gar „ein Europa, das für Frieden und Solidarität mit allen Völkern der Welt kämpft“, werden, ein Europa, „das für ein Ende der ausländischen Einmischungen, Aggressionen und politisch-militärischer Blöcke steht“.

All das soll nach der Vorstellung der vereinigten Revisionisten und Linksreformisten ohne Revolution möglich sein. Stattdessen fantasieren sie von der Möglichkeit einer „tiefgreifenden Umgestaltung antiimperialistischer und antimonopolistischer Natur … auf dem Weg zu neuen Gesellschaften des Fortschritts, des Friedens und sozialer Gerechtigkeit“. Was anfangs so radikal startet, versandet hier endgültig in der uralten revisionistischen Illusion der friedlichen Umgestaltung des Kapitalismus.

Die EU ist und bleibt ein imperialistisches Bündnis und ein Instrument des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Eine Gesellschaftsveränderung ist deshalb nur auf revolutionärem Weg möglich. „Das ist der Weg, der über Europa hinaus führt zu den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt“, heißt es im Wahlaufruf der MLPD. Dafür steht sie nicht allein, sondern zusammen mit anderen Parteien als Mitglied der ICOR (Internationale Koordination revolutionärer Parteien und Organisationen). In deren Europa-Erklärung (Juni 2013) heißt es unmissverständlich: „Im Gegensatz zu den Reformisten und Opportunisten aller Art, die die Illusion eines sozialen, demokratischen, friedlichen und ökologischen Europas vermitteln, vertritt die Europäische Kontinentalkonferenz der ICOR die Auffassung, dass alle Kämpfe schlussendlich nur mit der revolutionären Perspektive der Überwindung des profitorientierten Systems von Krise, Krieg, Faschismus und Umweltzerstörung erfolgreich sein können. Einen Kapitalismus „light“ gibt es nicht, gab es nie und wird es auch nie geben!“