Neues aus der Weltwirtschafts- und Finanzkrise: Belebungstendenzen auf dünnem Eis
„Alles wird gut“ – das verkündeten die Verantwortlichen der Washingtoner Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), dem 188 Mitgliedsländern angehören. Der „Aufschwung der Weltwirtschaft“ habe begonnen, hieß es hoffnungsfroh.
Tatsächlich belebt sich seit Mitte letzten Jahres die Wirtschaftsentwicklung in der immer noch mächtigsten Wirtschaftsmacht der Welt, den USA, aber auch in Deutschland, der stärksten EU-Macht. Die meisten traditionellen Industrieländer zeigen Wachstumstendenzen – haben allerdings oft den Stand vor Beginn der 2008 ausgebrochenen Weltwirtschafts- und Finanzkrise noch nicht wieder erreicht.
Erleichtert vermerkt wurde vor allem, dass die Euro-Krise sich etwas entspannt hat. Und geradezu bejubelt wurde die Tatsache, dass Griechenland wieder Kredite am internationalen Kapitalmarkt aufnehmen konnte. Bereits zum Jahresende haben auch Spanien und Irland den sogenannten „Rettungsschirm“ verlassen, Portugal wird wohl bald folgen. Wie es allerdings um die katastrophale Lage der Massen in diesen Ländern bestellt ist, denen diese „Erfolge“ abgepresst wurden und werden, interessierte die Tagungsteilnehmer nicht weiter.
„Wenn man die Entwicklung des Jahres 2013 betrachtet, sprechen immer mehr Indizien für ein sich anbahnendes Ende dieser in der Geschichte des Kapitalismus beispiellos langen und tiefen Weltwirtschafts- und Finanzkrise.“1 So hat Stefan Engel, der Vorsitzende der MLPD, die Lage mit der nötigen Vorsicht gekennzeichnet. Derartige Krisenentwicklungen mit ihren vielfältigen neuen Erscheinungen können erst im Nachhinein abschließend beurteilt werden.
Selbst die Unterhändler des IWF konnten weiter bestehende Risiken für neue Kriseneinbrüche nicht völlig verschweigen. Große Sorgen macht ihnen die „Schwächephase“ in den sogenannten BRICS-Ländern. Das ist die Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – allesamt aufstrebende große, industrialisierte Länder, die sich zu imperialistischen Mächten mausern. Dorthin flossen zu Krisenbeginn aus den alten imperialistischen Ländern riesige Summen von überschüssigem Kapital. Sie erlebten wie auch die MIST-Länder (Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei) und einzelne andere Länder mitten in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise sogar eine Art Boom.
In Brasilien, der größten und bevölkerungsreichsten Volkswirtschaft Lateinamerikas, ist der Höhenflug von 2011 längst einer Stagnation gewichen. In den letzten Monaten geht die Wirtschaftsleistung zurück. Zugleich hat sich die Inflation auf sechs Prozent erhöht. Mit Preisbremsen bei Strom und Benzin versucht Regierungschefin Dilma Rousseff den Unmut der Massen zu dämpfen – gerade jetzt vor der Fußballweltmeisterschaft und Olympia – mit bislang mäßigem Erfolg.
Die russische Wirtschaft schwächelte schon vor Beginn der Ukraine-Krise, vor allem aufgrund ihrer extremen Abhängigkeit von Rohstoffexporten.
In Indien sorgen besonders die gewaltigen Probleme in der Infrastruktur für große Labilität. Im März gingen die Exporte zum wiederholten Mal zurück und im Februar sank die Industrieproduktion auch nach den offiziellen Angaben.
Die größten Sorgen haben die internationalen Krisenmanager angesichts der Entwicklung in China. Immer noch unter dem verlogenen Etikett als „sozialistisch“ getarnt, gehört es zu den aggressivsten imperialistischen Mächten. China hat besonders von den Kapitalfluten der letzten Jahre profitiert. Im ersten Quartal 2014 erlebte China das niedrigste Wachstum seit 1990.2 Der Bausektor wurde extrem spekulativ hochgepuscht. Da wurden Geisterstädte errichtet mit Wohnanlagen, für die sich aufgrund der niedrigen Einkommen keine Käufer oder Mieter finden. Nun fürchtet das Regime das Platzen einer Immobilienblase nicht minder, wie die Unfähigkeit zahlloser Kommunen, ihre Schulden zu begleichen. Genau in diesem Sektor arbeitet aber das Gros der 169 Millionen Wanderarbeiter – weitgehend rechtlos und für Hungerlöhne.
Für alle diese Länder haben massive Währungsturbulenzen eingesetzt, internationale Banken und Spekulanten ziehen ihr Geld dort ab und bringen es wieder in die USA oder die alten imperialistischen Länder, weil sie dort auf bessere Renditen hoffen. Besonders dramatisch ist der Kapitalabfluss aus Russland – die Weltbank prophezeit 150 Milliarden US-Dollar in kurzer Zeit.
Noch völlig ungeklärt ist, welche Risiken von der akuten Ukraine-Krise auch für die Weltwirtschaft ausgehen. Wenn Russland den Gashahn abdreht, fehlen ihm die Einnahmen – auch um Güter aus anderen Ländern zu bezahlen oder Kredite zu bedienen. Schon jetzt besteht in der Ukraine eine Finanzierungslücke von schätzungsweise 35 Milliarden US-Dollar. Zynisch will sich Russland an einem „Hilfspaket“ des IWF für das gebeutelte Land beteiligen, während es zugleich die Gaspreise verdoppelt hat. Die „Helfer“ wetteifern, wer am meisten Kredite geben will. Die EU spricht von 15 Milliarden, die Weltbank von 3,5 Milliarden. Bezahlen soll all das die Bevölkerung. Ihr werden die Daumenschrauben angelegt, Lohn- und Rentenkürzungen wurden bereits angekündigt. Die Währung Griwna hat seit Jahresbeginn 50 Prozent an Wert verloren, die Gaspreise für die Endverbraucher wurden auf Druck des IWF schon jetzt drastisch erhöht.
Die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten und die zugespitzte wirtschaftliche Konkurrenz sind in jedem Fall einer der Hintergründe für die wachsende Kriegsgefahr.
1 „Rote Fahne“ vom 19. 3. 2014 (siehe auch Kasten)
2 „Die Welt“ vom 17. 4. 2014