Ein Pyrrhussieg für Kanzlerin Merkel
Interview mit dem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten der MLPD, Stefan Engel
Die Kanzlerin gewinnt die Wahl, ein Sieg des Konservatismus?
Die CDU/CSU konnte mit 41,5 Prozent und 7,8 Prozentpunkten mehr als vor vier Jahren erheblich zulegen. Kanzlerin Merkel und die volksfeindliche CDU/CSU haben im Wahlkampf sozialpolitisch Kreide gefressen. Sie vertraten im Wahlkampf wie fast alle anderen Parteien auch sozialdemokratische Positionen und Phrasen. Die FDP war mit ihren aggressiven, offen reaktionären und offen antikommunistischen Tönen eine Ausnahme. Entsprechend erlebte sie mit 4,8 Prozent eine historische Pleite und flog erstmals überhaupt aus dem Bundestag. Das zeigt die tiefe Defensive der Herrschenden auf der Basis des anhaltenden Linkstrends unter den Massen.
Merkel profitierte am meisten von einem bürgerlichen Wahlkampf, der alle wesentlichen gesellschaftlichen Probleme der Massen ausblendete beziehungsweise schönredete. Bei alledem spielte die bürgerliche Opposition im Bundestag im wesentlichen mit. Auch dank der bürgerlichen Medien gewann die Mehrheit der Wähler den Eindruck, Deutschland gehe es so gut wie lange nicht mehr.
Eindeutiger Verlierer in diesem Spiel war der arrogante Herausforderer und Spitzenkandidat der SPD, Peer Steinbrück. Die SPD gewann gerade 2,7 Prozentpunkte gegenüber den Wahlen von 2009 hinzu und erzielte mit 25,7 Prozent ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit 1949.
Nur noch 27 Prozent der Arbeiter, die zur Wahl gegangen sind, haben diesmal SPD gewählt. Entsprechend konnte die Sozialdemokratie ihre Krise, in die sie 2005 mit dem jähen Ende der Regierung Schröder geraten war, nicht überwinden.
In den letzten Wochen des Wahlkampfs gerieten auch die Grünen immer mehr in den Abwärtssog. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima taten die Grünen so, als ob sie immer noch ein Aktivposten für den Umweltschutz wären. In den Umfragen kam die Partei Die Grünen damals auf bis zu 28 Prozent und wähnte sich schon als neue Volkspartei. Sie wurde mit ihren 8,4 Prozent und einem Verlust von 2,3 Prozentpunkten unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.
Die bürgerlichen Wahlauswertungen lenken von den eigentlichen Ursachen des Desasters ab. Die Grünen haben nicht in erster Linie wegen ihrer falschen Wahlkampfthemen verloren, sondern weil sie immer offensichtlicher ihres „Greenwashings“ überführt wurden.
Die Grüne Partei, die aus der Umweltbewegung entstanden ist, hat außer dem Namen nach und in Worten nicht mehr viel mit dem Kampf zur Verteidigung der natürlichen Umwelt zu tun. Sie verkörpert immer deutlicher den Hauptslogan des bürgerlichen Ökologismus von der Einheit von kapitalistischer Ökonomie und Ökologie. In der Praxis heißt das nichts anderes als: Umweltschutz nur, wenn die Profite stimmen. Es ist erfreulich, dass sie dafür die Quittung bekommen haben. Die Umweltbewegung nimmt das Wahldesaster der Grünen hoffentlich zum Anlass, sich von der lähmenden Umklammerung der Grünen zu lösen.
Die Linkspartei hatte schon 2011 ihren Zenit überschritten. Sie hat ihre Anhänger aufgrund ihrer Arbeit in den Parlamenten und der reformistischen Praxis ihrer Politik mit viel Streiterei und wenig Substanz enttäuscht. Die Linkspartei ist 2012/2013 sogar aus den Parlamenten in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen herausgeflogen und befand sich zwischenzeitlich in einem Umfragetief, das ihren Wiedereinzug in den Bundestag in Frage stellte. Sie erhielt jetzt 8,6 Prozent – immer noch ein Verlust von 3,3 Prozentpunkten. Aber sie hat es geschafft, aus dem Tiefpunkt ihrer Krise wieder herauszukommen. Dafür wurde sie aber in den letzten Wochen massiv durch die bürgerlichen Medien hochgespielt. Nachdem das Projekt Piratenpartei nach einem kurzen Höhenflug dabei gescheitert war, kritische und linke Stimmen aufzufangen, haben sich die Herrschenden wieder verstärkt der Linkspartei zugewandt. (Gesamtergebnis siehe Tabelle 3, Seite 14)
Sowohl die Wahlkampftaktik der bürgerlichen Parteien wie auch die mediale Förderung der Linkspartei waren objektiv darauf ausgerichtet, einen Damm gegen die revolutionären, klassenkämpferischen und gesellschaftsverändernden Positionen der MLPD zu errichten. Daran wird deutlich, wie groß in Wirklichkeit die Angst der Herrschenden vor unserer revolutionären Richtung in der Gesellschaft ist.
Je näher der Wahltag kam, desto massiver wurde versucht, die kleinbürgerlich-parlamentarische Denkweise taktischer Wahlüberlegungen zu mobilisieren. Das vermochte aber nicht, nachhaltigere Bindungen zu den bürgerlichen Parteien zu schaffen. So haben sich nach Umfragen 15 Prozent der Wähler erst am Wahltag zur Wahl einer Partei entschlossen, 17 Prozent in den letzten Tagen davor. Die Wahlbeteiligung bleibt mit 71,5 Prozent ähnlich tief wie 2009, wo es nur 0,8 Prozentpunkte weniger waren. Das zeigt, dass die Bindungskraft der bürgerlichen Parteien auch durch den Wahlkampf nicht erneuert werden konnte.
Welche Bedeutung hat der Rauswurf der FDP aus dem Bundestag?
Die FDP war für die Monopole seit Jahrzehnten das stets willfährige Zünglein an der Koalitions-Waage. Nun steckt sie in einer akuten Existenzkrise mit ungewissem Ausgang. Sie ist unter den Arbeitern und einfachen Angestellten am meisten verhasst. Mit offen arbeiterfeindlicher, offen prokapitalistischer und plump antikommunistischer Politik kann man heute auch in den kleinbürgerlichen Zwischenschichten keinen Blumentopf mehr gewinnen. Völlig zu Recht erlebt man überall im Lande eine riesige Freude über das FDP-Debakel, Häme, Spott und Schadenfreude.
Schockiert sind nur die Monopole, für die die FDP ein unverzichtbares Instrumentarium in den verschiedensten Regierungen war, um die Monopolinteressen zu wahren.
Noch nie gab es so viele ungültige Stimmen auf Grund der Fünf-Prozent-Hürde wie bei diesen Bundestagswahlen. Das ist doch ein neues Problem?
Zum ersten Mal wurden bei einer Bundestagswahl über 15 Prozent der abgegebenen Stimmen faktisch für ungültig erklärt, weil die gewählten Parteien und Kandidaten nicht die Fünf-Prozent-Klausel erreichten. Einschließlich der Nichtwähler und der ungültigen Stimmen sind diesmal 40,5 Prozent aller Wahlberechtigten überhaupt nicht im Parlament vertreten. (siehe Tabelle 1, S.13) Das bedeutet eine Legitimationskrise des bürgerlich-parlamentarischen Systems.
Der Mythos der bürgerlichen Demokratie, nach der das Parlament den Volkswillen repräsentiere, wird immer mehr zur Farce. Noch nie hatte ein Deutscher Bundestag eine so geringe Legitimation und eine so dünne Wählerbasis. Selbst wenn die CDU/CSU mit der SPD eine große Koalition bilden würde, würden deren Parlamentarier zusammen nur 47,5 Prozent der Wahlberechtigten repräsentieren.
Die zunehmende Loslösung der Masse der Bevölkerung vom bürgerlichen Parlament, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen entwickelt sich strategisch zu einem kritischen Moment für die Diktatur der Monopole.
Der Versuch, mit dieser Bundestagswahl eine allgemeine Stabilisierung der herrschenden Verhältnisse einzuleiten, ist damit gescheitert. Es ist angesichts der allgemeinen Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems auch für die Zukunft nicht zu erwarten, dass der Kapitalismus und sein bürgerlich-demokratisches Herrschaftssystem eine neue Attraktion auf die Massen herausbilden könnten.
Wie passt die Hessenwahl in dieses Bild?
Hauptprofiteur war hier – offensichtlich aufgrund der besonders reaktionären Politik der CDU in Hessen – entgegen dem Bundestrend die SPD, die 7 Prozentpunkte zulegte auf 30,7 Prozent, während die CDU nur leicht gewann. Vieles ähnelt ansonsten dem Trend der Bundestagswahlen, außer dass die FDP nach ihrem Verlust von 11,2 Prozentpunkten der Wählerstimmen gerade noch im Parlament bleiben konnte. Auch die Linkspartei hat gegen alle Voraussagen ihre parlamentarische Präsenz in Hessen wahren können. Trotzdem wird es große Probleme bei der Regierungsbildung geben: Weder die CDU/FDP noch die SPD/ Grünen haben eine parlamentarische Mehrheit. Jede andere Konstellation würde zumindest von einem Teil der Wähler berechtigt als Wortbruch gewertet werden. Wir sind gespannt, wie die hessischen Parteien dieses Problem lösen wollen.
Manche Linke sprechen von einem Rechtsruck bei dieser Bundestagswahl. Siehst du das auch so?
Das ist eine grobe Missdeutung der Wahlergebnisse! Bei den Neofaschisten und Ultrareaktionären hat sich der Negativtrend fortgesetzt. Sie verloren zusammen 16,7 Prozent ihrer Stimmen und die neofaschistische NPD kam nur noch auf 1,3 Prozent. (Siehe Tabelle 2) Das ist bei der wieder zunehmenden Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern und besonders angesichts der üblen Hetzkampagnen gegen Flüchtlinge in den letzten Wochen bemerkenswert. Offensichtlich hat sich in den letzten Jahren das antifaschistische und internationalistische Bewusstsein der Massen weiter gefestigt. Dazu hat die MLPD auch im Wahlkampf maßgeblich beigetragen.
Die AfD wurde letztes Jahr als Partei der bürgerlichen Eurokritiker aus der Taufe gehoben. Zweifellos ist das eine reaktionäre bürgerliche Partei, die auch nationalistische und teilweise fremdenfeindliche Töne anschlägt. Dennoch wäre es ein Fehlurteil, sie mit den ultrareaktionären Republikanern oder „Pro NRW“ gleichzusetzen, die von den Herrschenden gezielt zur Mobilisierung ausländerfeindlicher und faschistoider Stimmungen aufgebaut werden. Die AfD ist ein Produkt der nichtmonopolistischen Bourgeoisie und einiger kleinerer Monopole, die es ablehnen, dass die gesamte Politik der EU auf wirtschaftlichem Gebiet ausschließlich den Interessen der größten internationalen Monopole untergeordnet wird. Sie ist Ausdruck des wachsenden Widerspruchs zur Alleinherrschaft der internationalen Übermonopole aus den Reihen ihrer eigenen kapitalistischen Klassenbasis.
Sie wurde von Anfang an mit einem massiven Geld- und Medienaufwand zur angeblichen Protestalternative aufgebauscht. Dennoch verpasste sie mit 4,7 Prozent den Einzug ins Parlament, nicht ohne der FDP bei diesen Wahlen den Todesstoß zu versetzen, indem sie ihr entscheidende 430.000 Stimmen abnahm. Ich gehe davon aus, dass wir es weiterhin mit dieser neuen Partei zu tun haben werden. (Wählerwanderungen siehe Kasten, S. 21)
Es zeichnet sich ab, dass es nach der Bundestagswahl große Probleme bei der Regierungsbildung geben wird. Wie ist das zu beurteilen?
Vordergründig ist das Problem, dass es keine tragfähige Mehrheit für die Wunschregierung der herrschenden Monopole gibt. Ich sehe aber auch ein anderes Problem: Merkel hat in ihrem Wahlkampfspot immer getönt: „Deutschland steht heute gut da. Eine starke Wirtschaft … Ich will, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sind.“ Das geht völlig an der Realität vorbei. Was ist mit den acht Millionen Menschen in Niedriglöhnen und Ein-Euro-Jobs? Was mit den 13 Millionen armutsgefährdeten Menschen in Deutschland? Was mit dem seit zwei Jahrzehnten massiv zurückgegangenen Lohnniveau und den immer größeren Problemen, mit seinem Lohn und Gehalt eine Familie zu ernähren? Was ist mit dem sich weiter aufheizenden Weltklima und der fortschreitenden Umweltkrise?
Jetzt nach den Wahlen schlägt Merkel bereits neue Töne an. Jetzt spricht sie von „gewaltigen Problemen“, die die neue Regierung bewältigen müsse. Davon haben wir im Wahlkampf nicht viel gehört.
Tatsache ist, dass nach fünf Jahren Weltwirtschafts- und Finanzkrise selbst die deutsche Wirtschaft noch nicht aus der Krise herausgekommen ist. Noch im Juli ging die Industrieproduktion um 2,2 Prozent zurück. Damit setzt sich der seit eineinhalb Jahren bestehende Abwärtstrend fort. Finanzpolitisch sind das Krisenmanagement, das spekulativ ständig billigstes Geld in die Wirtschaft pumpt, und die Politik der „Rettungsschirme“ eine große Belastung für alle Staatshaushalte. Schon wird nach einem neuen „Rettungsschirm“ für Griechenland gerufen. Im schlimmsten Fall müsste der deutsche Steuerzahler für die Eurokrise mit 732 Milliarden Euro geradestehen! Dieser „worst case“ könnte eintreten, wenn die Wirtschaft weiter absackt. Problematisch für die Herrschenden ist deshalb, dass einige bisher als Exportventil dienende Länder wie Südafrika, Indien, Brasilien, Türkei, Indonesien oder Südkorea selbst weiter in den Krisenstrudel hinein geraten sind. Folglich sanken auch die deutschen Exporte in diese Länder erheblich.
Schon planen 80 Firmen in Deutschland in diesem Jahr die Vernichtung von über 60.000 Arbeitsplätzen. Die Kurzarbeit geht weiter und das Ende des Einstellungsstopps in vielen Fabriken ist nicht abzusehen.
Unmittelbar vor den Wahlen haben die wichtigsten Kapitalistenverbände der Monopole von der neuen Bundesregierung ultimativ verlangt, dem „Schutz deutscher Exporte“ oberste Priorität einzuräumen. Dafür fordern Sie alle „hemmenden Sozialstandards“, „Umweltrichtlinien“, Einschränkung von Kriegswaffenexporten usw. aus dem Weg zu räumen. (Erklärung vom September, siehe „Die Welt“ vom 15. 9. 2013) Die Erfüllung dieses Auftrags der Monopole würde alle Parteien, die sich an seiner Umsetzung beteiligen, in die größten Probleme gegenüber ihrer sozialen Massenbasis bringen. Jede Partei, die mit Merkel eine Regierung bilden wird, ist sich darüber im Klaren, auf was sie sich da einlässt. Deshalb schrecken alle natürlich unübersehbar davor zurück, so schnell und unter jeder Bedingung eine Koalition mit Merkel einzugehen. Letztlich wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als einen solchen Regierungsauftrag anzunehmen. Die neue Regierung wird deutlicher als die letzten beiden in Widerspruch zu ihren Wahlversprechungen kommen. Daher kann man den Wahlsieg der Monopolpartei CDU/CSU nur als Pyrrhussieg bezeichnen. (1)
Welche stabilen Regierungsoptionen gibt es denn?
Rein rechnerisch gibt es sicherlich mehrere Möglichkeiten: Eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD hätte zweifellos eine komfortable Mehrheit. Sie repräsentiert immerhin 67,2 Prozent der gültigen Stimmen und hätte im Parlament eine Mehrheit von 79,8 Prozent der Sitze. Sie könnte auch auf die mit ihnen verbundenen Landesregierungen im Bundesrat bauen und eigentlich im Sinne der Monopole durchregieren. Aber der SPD steckt der Schock ihres schlechten Wahlergebnisses nach der Großen Koalition im Jahr 2009 noch in den Knochen. Große Koalitionen sind in der Regel geeignet, die Beteiligten aufzureiben und fördern oppositionelle Kräfte und Parteien. Eine weitere tiefe Niederlage kann sich die kriselnde Sozialdemokratie nicht erlauben. Der Eintritt in die Regierung wäre für einen Teil ihrer Wähler ein Schlag ins Gesicht und würde die Zerreißprobe der SPD weiter vertiefen.
Denkbar wäre auch eine Koalition zwischen CDU/CSU und Grünen. Aber auch hier schrecken die ansonsten Regierungsposten nicht abgeneigten Grünen zurück. Denn ihnen ist klar, dass ihnen eine solche Regierung viele Wählerstimmen kosten könnte und ihren gegenwärtigen Abwärtstrend eher noch beschleunigen würde.
Schließlich bliebe die Option einer SPD/Grünen/Linkspartei-Regierung. Einmal davon abgesehen, dass dafür SPD und Grüne ihre antikommunistischen Treueschwüre brechen müssten, wäre diese Konstellation geradezu eine Einladung an die Stärkung radikal linker und revolutionärer Positionen. Jede denkbare Regierungsoption trägt also von vornherein den Keim des Niedergangs in sich.
Die MLPD hat einen ausgezeichneten und offensiven Wahlkampf geführt, aber fast 4.000 Zweitstimmen verloren – wie kommt das?
Unsere Leitlinie „radikal links, revolutionär, echter Sozialismus“ war eine hervorragende Leitlinie, um der wachsenden Zahl von Suchenden eine grundlegende gesellschaftliche Alternative zu vermitteln. Sie verdeutlichte den Unterschied zu den bürgerlichen Parteien und schärfte das unverwechselbare Profil der MLPD. Wir entwickelten dazu ein ganzes Feuerwerk an faktenreichen Argumenten. Wir zerpflückten die Sprechblasen von der „Alternativlosigkeit“, der „besten Regierung seit der Wende“ oder der „sozialen Gerechtigkeit des Peer Steinbrück“. Das saß!
Die Wählerinitiativen an 80 Orten mit zusammen annähernd 5.000 Mitgliedern und Freunden der MLPD waren diesmal die alleinigen Träger des Wahlkampfs und haben Großes geleistet. Sie haben die gesamte Arbeit geplant, durchgeführt und selbständig finanziert. Es war erstmals ein dezentral ausgerichteter Wahlkampf mit hoher Entscheidungsbefugnis der Basis.
Das Neue war der hohe Anteil Jugendlicher. In Gelsenkirchen hatten wir 473 Mitglieder in der Wählerinitiative gegenüber 400 im Jahr 2009. Davon sind 23 Prozent Jugendliche! Bundesweit wurden von den Wählerinitiativen fast 40.000 Plakate aufgehängt, über 700.000 Wahlzeitungen und zehntausende Migranten-, Jugend- und andere Flyer verteilt. Das war revolutionärer Enthusiasmus und selbstlose Eigeninitiative live! Dennoch hat die MLPD mit insgesamt 25.336 gültigen Zweitstimmen bundesweit fast 4.000 Stimmen verloren. Der bundesweite Medienboykott erwies sich einmal mehr als eines der mächtigsten Kampfmittel gegen die Durchbrechung der relativen Isolierung der MLPD. Während in den letzten Wochen des Wahlkampfs Sahra Wagenknecht oder Gregor Gysi in jeder Talkshow aufgefahren wurden, hatte die MLPD in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in sechs Wochen genau zwölf Minuten Sendezeit, verteilt auf unterschiedliche Sender! Wo es einige Zeitungsartikel gab, waren sofort deutlich gesteigerte Ergebnisse zu verzeichnen.
Dem Minus an Stimmen liegen zwei entgegengesetzte Trends zugrunde: Erstens ein Verlust an spontanen Stimmen für die MLPD, insbesondere in den Gebieten und Regionen, wo die MLPD weitgehend unbekannt ist oder keine systematische Kleinarbeit der Partei gemacht wird. Allein in den Flächen-Bundesländern Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben wir 4.745 Stimmen verloren. Zweitens eine eindeutige Trendwende mit leicht gewachsenen Stimmenzahlen in Zentren unserer Kleinarbeit bzw. dort, wo die Offensive der MLPD für den echten Sozialismus für die Massen deutlich sichtbar war. So haben wir in neun Bundesländern den negativen Trend von 2009 brechen und umkehren können. In Hamburg und Berlin haben wir sogar die besten Wahlergebnisse erreicht, seitdem die MLPD bei Wahlen kandidiert. Sehr erfreulich ist auch, dass wir in Aufbaugebieten wie im Saarland und Rheinland-Pfalz wieder eine positive Wählerentwicklung verzeichnen können. (Landesergebnisse der MLPD siehe Tabelle 4, Seite 17)
Diese differenzierten Wahlergebnisse zeigen mehr denn je, dass Parlamentswahlen nur bedingt das reale Bewusstsein der Massen und auch die Arbeit der MLPD unter den Massen widerspiegeln. Deshalb können Wahlergebnisse insbesondere im Zeitalter der Massenmedien und der Wirkung des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise auch nur bedingt ein Gradmesser für die Entwicklung des Klassenbewusstseins der Massen sein. Allerdings haben wir trotz der Manipulation der öffentlichen Meinung in der Regel dort bessere Wahlergebnisse, wo die Kleinarbeit der Partei entwickelt ist und es auch möglich war, Direktkandidaten aufzustellen. So sind die besten Zweitstimmenergebnisse in der Regel in den Wahlkreisen festzustellen, wo unsere 41 Direktkandidaten angetreten sind. Das bedeutet, dass eine bestimmte persönliche Bekanntschaft es den Massen erleichtert, Zugang zur MLPD zu finden und Vertrauen in die Partei zu fassen. Deshalb ist es zweifellos besser – wo immer es möglich ist – den Wahlkampf mit der Aufstellung von Direktkandidaten zu verbinden.
Worauf führst du den Verlust spontaner und den Gewinn bewusster Stimmen zurück?
Den größten Zuwachs an Zweitstimmen hatten wir bei der Bundestagswahl 2005. Dort erreichten wir 45.238 Zweitstimmen und hatten auch über 50.000 Mindestwähler. Im Jahr zuvor hatte sich die bundesweite Bewegung der Montagsdemonstrationen und eine ganze Serie von Arbeiterkämpfen mit dem Höhepunkt des Opel-Streiks entwickelt. Die MLPD war damals in den Medien einige Wochen lang allgegenwärtig. Dass dabei landauf landab von den verhassten bürgerlichen Politikern gegen die MLPD gehetzt wurde, machte sie für viele Leute nur noch interessanter. Vor allem in den neuen Bundesländern gab es daraufhin einen sprunghaften Mitgliederzuwachs. Diese positive Wirkung ging wieder zurück, nachdem der Medienboykott ab dem Herbst 2004 wieder radikal einsetzte. Die bürgerlichen Meinungsmacher hatten wohl kapiert, dass die Hetze gegen uns eher kontraproduktiv war. Trotzdem konnten wir 2005 als Wirkung dieser Entwicklung noch viele spontane Wähler verzeichnen.
2006 folgte dann der Beschluss des Europarats zu einer europaweiten Kampagne des modernen Antikommunismus. Seitdem rückte er ins Zentrum des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise. Die Verbreitung einer kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise gegen die MLPD wirkt heute als entscheidende Hürde gegen einen spontanen Zulauf zur MLPD. Dazu kam ab 2006 die Gründung und Aufwertung der Linkspartei, die gleichzeitig das linke Potenzial der Gesellschaft parlamentarisch kanalisieren sollte. Man muss beachten, dass unter den gegebenen Bedingungen ein relativ hohes Bewusstsein notwendig ist, um MLPD zu wählen. Unter dem Einfluss der kleinbürgerlich-parlamentarischen Denkweise erscheint die Stimme für die MLPD als verlorene Stimme.
Aber diese Hürden sind nicht unüberwindlich! Die systematische Kleinarbeit erwies sich als die entscheidende Waffe zur Durchbrechung der relativen Isolierung.
Natürlich kann die Manipulation der öffentlichen Meinung in relativ ruhigen Zeiten noch mehr wirken. Deshalb wurde im Wahlkampf auch weitgehend eine offene Polarisierung mit der Arbeiterklasse, aber auch mit der MLPD vermieden. In Zeiten offener Klassenauseinandersetzungen und der Entfaltung des offenen Antagonismus verliert allerdings auch die verzerrende Manipulation der öffentlichen Meinung an Wirkung.
Der Kreis Gelsenkirchen hat zweifellos die entwickeltste Kleinarbeit der Partei und erreichte mit 340 Zweitstimmen pro 100.000 Wählern das bundesweit beste Ergebnis, gefolgt von weiteren Wahlkreisen/Direktkandidaten, deren Kleinarbeit Trumpf ist. So haben wir in Gelsenkirchen in den besten Wahllokalen zwischen 4.110 und 1.087 Zweitstimmen pro 100.000 Wähler erreicht. Diese Wahllokale befinden sich fast alle in Einflussgebieten der MLPD in Gelsenkirchen. Diese Zahlen liegen ein Vielfaches über den durchschnittlich 57 Wählern pro 100.000 Wählern im gesamten Bundesgebiet.
In Sonneberg repräsentiert Andreas Eifler die Ferienanlage Truckenthal mit seiner intensiven rebellischen Jugend- und Kinderarbeit, ebenso wie aktives Engagement in der Umweltbewegung; Frank Oettler in Halle hat viel beachtet und mutig gegen seine mehrfachen Entlassungen gekämpft, repräsentiert eine attraktive Jugendarbeit und unwiderstehlichen Offensivgeist gegen die Herrschenden.
Zuwächse gab es auch in Zentren unserer betrieblichen Kleinarbeit, wie in den Bochumer Wahlkreisen oder einigen Bergbaustädten wie Bottrop, Marl und Gladbeck.
Die MLPD hat also nicht nur Wahlkampf geführt, sondern eine Offensive für den echten Sozialismus im Kampf gegen den modernen Antikommunismus durchgeführt. Wie kam das bei den Leuten an?
Die Einschätzung, dass immer mehr Leute eine grundsätzliche Alternative suchen, hat ins Schwarze getroffen. Auf den Straßen und Plätzen führten wir eine regelrechte Strategiedebatte um die Perspektivlosigkeit des Kapitalismus, der nur noch in Form von Krisen existiert. Wir führten eine Massendiskussion um die Notwendigkeit und Möglichkeit der gesellschaftlichen Alternative des echten Sozialismus. Wir werteten mit Tausenden von Menschen die historische Niederlage der Arbeiterbewegung, die Zerstörung der früher sozialistischen Länder durch die Entstehung einer neuen kleinbürgerlichen Bürokratie bis zur Restauration des Kapitalismus aus. Wir attackierten und zerpflückten in Tausenden von Gesprächen die Kampfbegriffe des „Stalinismus“ und „Maoismus“ und begannen eine erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Gib Antikommunismus keine Chance“. Wir führten brisante Gerichtsprozesse gegen den Verfassungsschutzagenten Rudolf van Hüllen und den antikommunistisch motivierten Bankenboykott. Hunderte zündender Argumente wurden in Kundgebungen, an Infoständen, in persönlichen Gesprächen entwickelt, geschärft und ausgetauscht. Auch wenn sie in den meisten Fällen – angesichts des gesellschaftlichen Umfeldes der Tabuthemen, der anhaltenden Krisendämpfung – noch nicht zu direkten Wahlentscheidungen für die MLPD führten, hat sich das revolutionäre Potenzial rund um die MLPD beträchtlich erweitert. Das wird ohne Zweifel eine nachhaltige Wirkung haben.
Insbesondere die Arbeiter verfolgen diese Argumente äußerst aufmerksam, speichern sie ab und werden sie in Zukunft einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Vor allem aber konnten die Arbeiter und die breiten Massen sehen, dass bei der MLPD Wort und Tat übereinstimmen. Wir führten keinen öden Debattier- oder Talkrunden-Wahlkampf. Wir förderten den Weg der Arbeiteroffensive, wenn die Opel-Arbeiter ihren selbstständigen unbefristeten Streik vorbereiteten; wir kämpften für den Weltfrieden im Kampf gegen die Kriegsgefahr in Syrien; wir verwirklichten den proletarischen Internationalismus in der lebendigen Solidarität mit dem Kampf des kurdischen Volkes insbesondere in Rojava; wir machten unserem Namen als „Partei der Jugend“ alle Ehre. Wir trotzten dem Bankenboykott und praktizierten aktiven Umweltschutz durch eine Dreimonatskampagne der erneuerbaren Energien/Einführung von Photovoltaik und Solarthermie in unseren Einrichtungen; wir waren aktiv im antifaschistischen Kampf insbesondere in den Brennpunkten des dreisten Auftretens der Neofaschisten wie in Dortmund. Wir arbeiteten mit an der Aufdeckung des Skandals der Einlagerung von Giftmüll unter Tage im Bergbau. Dabei konnten wir anknüpfen an einer über 20-jährigen Praxis dieser Enthüllungen durch die Mitarbeit an Betriebszeitungen und in Bürgerinitiativen.
Die offen ausgetragene Polarisierung mit dem modernen Antikommunismus wurde zu einer Schlüsselfrage dieses Wahlkampfs. Wir müssen aber auch etwas geduldig sein und bedenken, dass viele Leute, die von uns interessante und einleuchtende Argumente hörten, nicht aufgrund eines solchen Zusammentreffens mit der MLPD uns sofort wählten. Dazu gehören weitergehende Erfahrungen mit der MLPD, Diskussionen, Überzeugungsarbeit und persönliche Verbindungen. Deshalb betonen wir so sehr die große Bedeutung unserer systematischen Kleinarbeit, die natürlich am besten in Selbstorganisationen der Massen verwirklicht werden kann. Dort kann man regelmäßig und systematisch zusammenarbeiten, dort kann überprüft werden, wie bei der MLPD Wort und Tat übereinstimmen.
Hat sich die MLPD in diesem Wahlkampf verändert?
Allerdings! Eine solche Offensive, in der man Tag für Tag mit den Massen diskutiert, ist natürlich eine riesige Herausforderung. Jede Distanz zu den Massen, ideologisch-politische Unsicherheit, Skepsis oder eigene Verinnerlichung der relativen Isolierung wirken da wie lästige Fesseln, die man sprengen muss. Eine so komplexe Kampagne kann nur zielklar geführt werden, wenn jede Anbetung der Spontaneität überwunden ist. Eine so anstrengende Zeit kann selbst unsere aktive Basis nur schultern, wenn die Leitungen ein dialektisch-exaktes Planungsvermögen besitzen. Unsere Direktkandidaten stehen im stürmischen Gegenwind und wurden gestärkt durch Solidarität und Zusammenhalt. All diese Selbstveränderungsprozesse wurden von der Partei nicht zuletzt als Auftrag des IX. Parteitags angenommen und wir haben große Schritte vorwärts gemacht.
Die MLPD hat im Wahlkampf mit einer ganzen Reihe Migrantenorganisationen zusammengearbeitet. Was war der gegenseitige Nutzen?
Die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Migrantenorganisationen war eine große Bereicherung unseres Wahlkampfs und ein Merkmal mit strategischer Bedeutung für den Zusammenschluss revolutionärer Menschen in Deutschland. Sieben Organisationen mit türkischem bzw. kurdischem Migrationshintergrund haben zur Wahl der MLPD aufgerufen, vier davon im Rahmen einer gemeinsamen Kampagne. Das waren AGIF, ATIF, ADHF und Yasanacak Dünya. Mit ihnen gemeinsam haben wir einen Aufruf an die migrantischen Wählerinnen und Wähler in einer Auflage von 15.000 Stück gestaltet, Plakate und eine Aufkleberserie herausgegeben. Die wichtigsten Anliegen der Migrantenorganisationen, wie die Forderung nach aktivem und passivem Wahlrecht, wurden so auch Bestandteil des Wahlkampfs der MLPD. Mit beeindruckenden Worten hat Süleyman Gürcan von der ATIF auf der Auftaktkundgebung der MLPD in Kassel gesprochen. Ein Höhepunkt war zweifellos das Festival der Kurden am 21. September in Dortmund. Auch wenn YEK-KOM in Deutschland zur Wahl der Linkspartei aufgerufen hat, eroberte die revolutionäre Solidaritätsbewegung von MLPD und ICOR, für die ich auf dem Festival sprechen konnte, im Sturm die Herzen der zehntausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Erstmals bekam ich auf dem kurdischen Festival großen Beifall für meine klare Aussage, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein darf, sondern sich die in Deutschland lebenden Migranten auch am Klassenkampf hier beteiligen, sich in Deutschland und mit den deutschen Revolutionären gemeinsam organisieren und kämpfen müssen.
Ein erklärtes Ziel war, der Jugendarbeit ein stärkeres Gewicht im Wahlkampf zu geben. Ist das gelungen?
Wir können hier einen doppelten Erfolg melden: Die Jugendarbeit hat in der Partei ein viel größeres Gewicht bekommen, wenn die Wählerinitiativen an Schulen, Berufsschulen, vor Discos und Konzerten auftraten. So ist es kein Zufall, dass die besten Stimmenergebnisse der MLPD gerade auch in Orten zu verzeichnen sind, die eine besonders erfolgreiche Jugendarbeit verwirklichen. Zum anderen hat der Jugendverband REBELL seine rebellische Attraktivität weiter ausgebaut. Ideologisch-politisch und organisatorisch hat sich der Verband weiter gefestigt und in seinen Aktivitäten Neuland betreten. Ganze Cliquen von Rebellen gingen vor die Stadien, zu den Skaterbahnen, zu den Jugendtreffs an Bahnhöfen und Diskotheken. Der REBELL scheute sich nicht, heiße Eisen anzupacken. So in Duisburg mit einer Veranstaltung „Kampf dem Drogensumpf“ als klare Kampfansage gegen den jugendverachtenden Slogan vom „Recht auf Rausch“ von Linkspartei und Piraten. Ein besonderes Markenzeichen waren die Jugendwahlpartys, besonders die in Gelsenkirchen mit über 300 Besucherinnen und Besuchern. Die fortschrittliche, antifaschistische und revolutionäre Massenkultur ist ein entscheidender Schlüssel für die Gewinnung der Köpfe und Herzen der Jugendlichen.
Auf den rauschenden Wahlpartys wurde bereits die Devise ausgegeben „Den Sieg sichern!“. Worauf bezieht sich das?
Es geht um die jetzt vor uns liegende Phase der Parteiarbeit. Unseren Sieg sichern heißt, die gewonnenen Kontakte für die dauerhafte Mitarbeit zu überzeugen, den gewonnenen Masseneinfluss nachhaltig zu festigen und viele neue Freunde für ein festes, zukunftsträchtiges Kampfbündnis zu gewinnen! Der große Dialektiker unter den Militärstrategen, Carl von Clausewitz, sagte: „… daß die Energie, mit welcher dies geschieht, den Wert des Sieges hauptsächlich bestimmt, daß dies Verfolgen ein zweiter Akt des Sieges ist, in vielen Fällen sogar wichtiger als der erste …“ (Clausewitz, Vom Kriege, S. 480/ 481). Diese klare Aussage von Clausewitz räumt mit einer zuweilen verbreiteten Fehlinterpretation auf: Demnach wird die auf eine Offensive folgende Defensive nicht als notwendiger Beitrag zur Vervollständigung des Siegs, sondern als Zurückweichen oder Nachlassen der Aktivität missverstanden und diskreditiert!
Der Sieg unserer Offensive besteht in dem deutlich gewachsenen Masseneinfluss unserer Argumente, der Anziehungskraft der MLPD als revolutionäre Arbeiterpartei der Zukunft, der Jugend, der Befreiung der Frau und der Repräsentation eines neuen Politikstils. Den Sieg sichern bedeutet, dem allem Nachhaltigkeit zu verleihen. Es bedeutet auch die Stärkung der Selbstorganisationen der Massen von der Frauenbewegung bis hin zur kämpferischen Umweltbewegung in der Mitarbeit am Aufbau der Umweltgewerkschaft. Es bedeutet auch Erholung der Kräfte nach der großen Anstrengung dieser heißen Phase des Wahlkampfs. So manche persönliche Angelegenheit musste liegen bleiben und harrt der Erledigung! Wir haben uns gerade richtig warm gelaufen im Wahlkampf und so bereiten wir uns nun in aller Ruhe vor, uns an der Europawahl am 25. 5. 2014 zu beteiligen. Jede neue Regierung wird sich mit dem Widerspruch zwischen dem Schein der Wahlversprechen und der Wirklichkeit der tatsächlichen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung konfrontiert sehen. Die Tabuthemen werden, ob sie es wollen oder nicht, ins Zentrum der Auseinandersetzung bei dieser Europawahl rücken. Und dann werden wir die Rechnung aufmachen: Was wurde uns über den lang anhaltenden Aufschwung versprochen und wie passt das mit dem neuen Einbruch in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise zusammen!? Die neuen Krisenprogramme und „Schutzschirme“ innerhalb der EU wie für Griechenland werden fällig werden. Die Staatsverschuldung wird sich trotz allem billigen Geld vor allem in den Kommunen zuspitzen. Es ist nicht absehbar, wann die nächste Jahrhundertflut oder regionale Umweltkatastrophe über uns hereinbrechen wird …
Wir nehmen die Herausforderung an, mit der neuen Qualität des proletarischen Internationalismus europaweit im Rahmen der ICOR die Kämpfe und Bewegungen zu koordinieren und uns gegenseitig im Parteiaufbau zu unterstützen. Wir werden in dieser Wahlkampagne insbesondere auch das dann erschienene Buch „Der Klassenkampf und der Kampf um die Einheit von Mensch und Natur“ bundesweit bekannt machen, Lesungen und Diskussionsrunden durchführen. Und wir werden auch bei diesem Wahlkampf wieder besonders die Jugendarbeit betonen. Dieser Auftrag des IX. Parteitags muss künftig jede Seite der Parteiarbeit durchdringen und kennzeichnet ihre strategische Seite.
Möchtest du den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern noch etwas mit auf den Weg geben?
Es ist mir ein Herzensanliegen, allen, die in den letzten Monaten so aktiv mit Herzblut und Ideenreichtum gekämpft haben, herzlich zu danken. Es war auch für mich als Spitzenkandidat ein großartiges Erlebnis, quer durch die Republik mit all den Genossinnen und Genossen, Jugendlichen, Freundinnen und Freunden zusammenzutreffen und gemeinsam in die Offensive zu gehen. Uns ist kein Erfolg einfach zugeflogen! Wir alle mussten uns verändern, dazulernen, gewohnte Pfade verlassen und neue Wege gehen, aber auch unsere Stärken voll zur Geltung bringen. Da wir uns aber unverbrüchlich aufeinander verlassen konnten, jeder sein Bestes gab und wir voneinander lernten, hob sich unser Wahlkampf so unverwechselbar ab von der Dekadenz, den Sprechblasen sowie der Posten- und Geldgier des bürgerlichen Wahlkampfs. Die Selbstlosigkeit, der Einfallsreichtum, die Angriffslust und ihre tief empfundene Solidarität sind es, die die MLPD so glaubwürdig und attraktiv machen. Auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit! Glück auf!
Vielen Dank für das Interview!
(1) Ein "Pyrrhussieg" ist ein unter äußerst hohem Einsatz und großen Opfern errungener Erfolg, der mittelfristig eher einem Fehlschlag/einer Niederlage gleichkommt.