Detroit in der Pleite – Zukunft auch für Bochum, Duisburg, Bitterfeld …?

Die Nachricht von der Pleite der einst strahlenden „Motorcity“ Detroit (USA), der „Welthauptstadt des Automobils“, schlägt hohe Wellen.

Noch in den 1950er Jahren war Detroit mit 1,8 Millionen Einwohnern viertgrößte Stadt der USA. Heute leben dort nur noch 685.000 Menschen, zu 85 Prozent Afro-Amerikaner. 78.000 Gebäude stehen leer, 35 Prozent des Stadtgebiets gelten als unbewohnbar. Kilometerlang fährt man an verfallenen Wohnblocks, Industrieruinen, ausgebrannten Laternen und stillgelegten Bahnstrecken entlang. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 16 Prozent. Wären seit dem Jahr 2000 nicht weitere 200.000 Einwohner abgewandert, läge sie um das Doppelte höher. Am 19. Juli meldete Detroit offiziell Insolvenz an, nachdem der Gouverneur von Michigan dies veranlasst hatte. Noch am gleichen Tag demonstrierten hunderte Feuerwehrleute und Rentner gegen die drohenden Kürzungen ihrer Löhne und Pensionen unter der Losung „Die Insolvenz ist eine Kriegserklärung an Rentner, Arbeiter und Kommunen“.

Hierzulande fragen sich viele Menschen, ob auch dem Ruhrgebiet und anderen vom Arbeitsplätze-Kahlschlag bedrohten Regionen ein ähnliches Schicksal droht. Postwendend beteuern die bürgerlichen Politiker, dies könne „in Deutschland nicht geschehen“. Was ist davon zu halten?

Die Insolvenz einer ganzen Großstadt wie Detroit bedeutet unter anderem, dass die Gehälter der städtischen Beschäftigten, der Lehrer, Müllmänner, Feuerwehrleute usw. sowie sämtliche Pensionsansprüche von drastischen Kürzungen bedroht sind. Die Krankenversicherung der 20.000 städtischen Pensionäre, aber auch alle anderen Versorgungsleistungen der Stadt sind in Frage gestellt. Ein eingesetzter Not-Stadtdirektor trifft alle Entscheidungen (siehe auch S. 6).

Detroit zeigt, was für eine Lawine der rücksichtlosen Abwälzung der Lasten der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Massen losgetreten wird. Doch auch in Detroit wollen sich die Menschen mit diesem Schicksal nicht abfinden. Für den 19. August ist eine Großdemonstration vor der „Bank of America“ angesetzt. Genauso wird vor der GM-Zentrale im „Renaissance Center“ am Ufer des Eriesees gegen die Machenschaften dieses Übermonopols demonstriert.

Wie konnte es dazu kommen?

Der Niedergang der Stadt begann mit einer Serie von Massenentlassungen und Werksschließungen insbesondere im Automobil- und Stahlbereich. Gab es 1947 noch 350.000 Industriearbeitsplätze in Detroit, waren es 2002 gerade noch 38.000. Von Dutzenden Werken der drei großen US-Automobilkonzerne General Motors, Ford und Chrysler sind nur noch zwei kleinere Werke übrig, ein Autoteilewerk von Chrysler und eines von GM. Das führte einerseits zum Wegbrechen der Massenkaufkraft, andererseits stiegen die städtischen Sozialausgaben sprunghaft. Während 38 Prozent der städtischen Einnahmen direkt an die Gläubigerbanken, besonders die „Bank of America“, fließen, sind die Konzernzentralen von Steuerzahlungen weitgehend befreit. Nur so ist es möglich, dass ausgerechnet die Stadt mit dem Sitz des inzwischen wieder größten Autokonzerns der Welt, General Motors, Insolvenz anmelden musste.

Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 hat diese Entwicklung weiter auf die Spitze getrieben. Inzwischen sank die Zahl der Industriebeschäftigten in Detroit auf nur noch rund 20.000.

Nicht nur in den USA, sondern weltweit wurden zu Beginn der Krise im Zuge eines weltweit koordinierten Krisenmanagements Konjunkturprogramme in Höhe von fünf Billionen Dollar aufgelegt, um einen unkontrollierten Zusammenbruch des Weltfinanzsystems und eine damit einhergehende Revolutionierung der Massen zu verhindern. Das staatliche Krisenmanagement hat die allgemeine Krisenanfälligkeit der imperialistischen Weltwirtschaft auf die Staatshaushalte übertragen. Die Folgen erleben wir nun auch in Detroit.

Beispielhaft wird das an der Insolvenz von General Motors 2009 deutlich. Die Obama-Regierung hat GM mit staatlichen Mitteln von 50 Milliarden Dollar „saniert“. GM hat dabei weltweit 20.000 Arbeitsplätze vernichtet. Heute verkündet die Obama-Regierung, dass sie für die Insolvenz von Detroit keine Dollar investieren wird.

Auch deutsche Städte im Zangengriff des Finanzkapitals

Die Pleite der Stadt Detroit ist kein „Ausrutscher“, genauso wenig wie die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen in Griechenland oder Spanien. Auch in Deutschland sind viele Kommunen längst überschuldet und stehen faktisch vor der Pleite. Es ist kein Zufall, dass sich das auf Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet konzentriert. Hier befinden sich die meisten der über 140 Städte, deren Haushalte unter unter Zwangsverwaltung stehen. Eine Grundlage dafür deckt der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel in seinem Kandidatenbrief für die Stadt Gelsenkirchen auf: „Seit 1980 ist die Zahl der Industriearbeitsplätze in Gelsenkirchen von 52.000 auf 11.000 gesunken. Das war vor allem dem systematischen Zechensterben und dem Rückbau der Stahlindustrie zu verdanken. Diese Arbeitsplätze wurden ohne Ersatzarbeitsplätze vernichtet. Das ist der gescheiterte Strukturwandel. Das muss vor allem die Jugend ausbaden.“

Die internationalen Übermonopole Opel/GM, ThyssenKrupp und die Deutsche Steinkohle AG wollen diese Entwicklung durch die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze im Revier weiter verschärfen. Ähnliches trifft z. B. aber auch für Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt zu, wo massenhaft Arbeitsplätze in der angeblichen „Zukunftsbranche“ Solarindustrie vernichtet werden.

Zu dieser massenhaften Arbeitsplatzvernichtung kommt die staatliche Umverteilungspolitik durch Gesetze im Interesse der internationalen Monopole. Vor allem durch die Steuergesetze der Schröder/Fischer-Regierung wurden die Kommunalfinanzen in eine tiefe Krise gestürzt, weil die internationalen Monopole so gut wie keine Gewerbesteuern mehr zahlen müssen. Das verschärft den Zwang zur staatlichen Umverteilung – auch innerhalb der Kommunen – zu Lasten der breiten Massen.

Zusätzlich sind die Kommunen bevorzugte Opfer des Finanzkapitals, das nach neuen Anlagemöglichkeiten sucht. Da werden immer mehr städtische Einrichtungen privatisiert und Großprojekte wie Bahnhöfe, Stadien, Flughäfen aus dem Boden gestampft, deren Investoren Maximalprofite auf Kosten der kommunalen Kassen garantiert bekommen.

Eine offene Insolvenz von Städten wie in den USA ist in Deutschland rechtlich (noch) nicht möglich, weil formal die Bundesländer finanziell für sie garantieren. Bei einem Staatsbankrott Deutschlands ist diese „Garantie“ nichts mehr wert. Vor allem bedeutet dies heute schon keineswegs, dass die Bundesländer heute mit Finanzhilfen einspringen. Vielmehr werden mit Haushaltssicherungskonzepten und Nothaushalten verschärfte Krisenprogramme diktiert. Und es gibt schon Pläne für die Einführung des Insolvenzrechts für Kommunen nach US-Vorbild (siehe S. 7). Noch offener könnten dann Löhne gesenkt, Ausgaben für die Infrastruktur gekürzt, Gebühren erhöht, Schulen, Bibliotheken, Bäder und Theater geschlossen werden – und das in einem der reichsten Ländern der Welt! Für die Masse der Menschen wird der Kapitalismus unvereinbar mit ihren Lebensinteressen.

Schon jetzt nehmen gerade auf kommunaler Ebene die Proteste gegen die vielfältigen Auswirkungen dieser Politik zu. Um sie höherzuentwickeln und zusammenzuschließen, müssen die Menschen insbesondere mit dem Denkmuster der angeblichen „Sachzwänge“ fertig werden. Die von den bürgerlichen Politikern selbst beschlossenen Gesetze und Haushaltspläne werden noch zur Rechtfertigung angeführt, dass man dagegen „nichts machen“ könne.

Verantwortung für die Zukunft

Die Bundesregierung will mit ihrem „Beruhigungspillen-Wahlkampf“ weismachen, dass all dies von Deutschland noch weit entfernt sei. Auch wenn die Auswirkungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Deutschland durch Sonderfaktoren wie das Exportventil in sogenannte „Boom“-Länder wie China, Indien, Brasilien usw. zeitweise abgedämpft wurden – es ist eine Frage der Zeit, bis auch die deutsche Wirtschaft verschärft von der Krisenentwicklung erfasst wird.

Die MLPD fördert den gemeinsamen Kampf der Opelaner, Stahlarbeiter und Bergleute für ihre Arbeitsplätze und die Zukunftsinteressen einer ganzen Region. Dafür wird ihnen umgekehrt die Solidarität der breiten Massen nicht nur im Ruhrgebiet sicher sein. Wichtige Forderungen dafür sind die nach der „30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich“, nach der „Abschaffung von Hartz IV“ und der „Erhöhung des Arbeitslosengelds sowie unbegrenzter Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit“. Notwendig ist aber auch die „Senkung der Massensteuern, Abschaffung der indirekten Steuern und drastische progressive Besteuerung der Großunternehmen und Großverdiener“.

Die MLPD unterstützt dazu kämpferische Aktivitäten auf kommunaler Ebene und kämpferische überparteiliche Bündnisse. Dazu nutzt sie ihren Bundestagswahlkampf, vor allem aber zur Klärung der entscheidenden Frage, dass der Kapitalismus auf revolutionärem Wege durch ein sozialistisches System ersetzt werden muss. Ein System, in dem der Aufbau der Gesellschaft planmäßig gestaltet werden kann – im Einklang mit den Bedürfnissen der Masse der Menschen und der Natur und gestützt auf die Initiative der Massen. Diese Initiative, Tatkraft und Ideen sind auch jetzt schon gefragt – im Wahlkampf und den Wählerinitiativen der MLPD.