150 Jahre SPD – von einer revolutionären Arbeiterpartei zur willfährigen Geschäftsführung der Monopole
Am 23. Mai versammelten sich 1.600 Gäste im Leipziger Gewandhaus, um den 150. Geburtstag der SPD zu feiern. Angeblich, so die Redner, sei die SPD immer ihren Werten treu geblieben.
Bundespräsident Joachim Gauck behauptete in seiner Laudatio: „Es war die SPD, die auf Reform statt auf Revolution setzte.“ In Wahrheit begann die SPD als revolutionäre Arbeiterpartei, wandelte sich zu einer bürgerlichen Arbeiterpartei und endete als staatstragende Monopolpartei.
Wer gratuliert denn da?
Auch Bundeskanzlerin Merkel – Gast des Festaktes – hatte bereits vorher gratuliert und die SPD gerühmt, für deren „gar nicht hoch genug einzuschätzenden Dienst an unserem Land“. Welchen Wert eine solche Partei für das allein herrschende internationale Finanzkapital hat, machte unlängst Hans-Peter Keitel, ehemaliger Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), in der Zeitung „Le Monde“ deutlich: „Wenn ein Land größere wirtschaftspolitische Reformen durchführen muss, ist es besser, dass die Regierung nicht von einer politischen Farbe ist, die sie in den Verdacht bringt, den Unternehmen gegenüber wohlgesonnen zu sein.“ Gemeint war die „Agenda 2010“-Politik des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Hätte eine CDU/FDP-Regierung Hartz IV oder eine Rente mit 67 beschließen können, ohne noch größere Unruhen zu provozieren?
Das Monopolkapital dankt und schickt nicht nur Geburtstagsgrüße. Über immerhin rund 45,6 Millionen Euro staatliche Zuwendungen konnte sich die SPD allein 2012 freuen. Die Liste ihrer Spender liest sich wie das Who is Who der deutschen internationalen Übermonopole. An der Spitze mit knapp 1,4 Millionen Euro Daimler, gefolgt von BMW, Allianz, Porsche, dem Verband der chemischen Industrie, der Deutschen Bank …
Darauf ist Sigmar Gabriel, der aktuelle Vorsitzende der SPD noch stolz, weil „unsere SPD … in den letzten 150 Jahren zum stabilen Anker unseres Landes geworden ist“.
Als revolutionäre Partei entstanden
Die SPD führt ihren Geburtstag auf die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) 1863 durch Ferdinand Lassalle zurück. Kein Wort findet sich in den Festreden hingegen über die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) in Eisenach 1869. Dort vertraten die Delegierten 10.000 organisierte revolutionäre Arbeiter. An der Spitze standen Wilhelm Liebknecht und August Bebel. Die SDAP schloss sich der Internationalen Arbeiterassoziation unter Leitung von Karl Marx an. Sie hatte ein revolutionäres Programm zur Beseitigung des Kapitalismus und zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.
Ferdinand Lassalles ADAV und seine idealistische und reformistische Politik stürzten nicht zuletzt durch die Veröffentlichung des „Kapital“ von Karl Marx nach kurzer Zeit in eine tiefe Krise. Bereits 1875 drohte der zentralistisch geführte ADAV zugrunde zu gehen. Er schloss sich deshalb der SDAP an. Diese Vereinigung war ein Erfolg, verfügte die Arbeiterklasse damit doch erstmals über eine einheitliche revolutionäre Partei, die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Allerdings trug das 1875 auf dem Gothaer Parteitag beschlossene Programm auch in Teilen die reformistische Handschrift der Lassalleaner. Marx bahnbrechende „Kritik des Gothaer Programm“ wurde dagegen bis 1891 unterdrückt, unter anderem von Wilhelm Liebknecht.
Von 1878 bis 1890 wurde die SADP vom preußischen Staat mit seinem Kanzler Bismarck durch die sogenannten „Sozialistengesetze“ aufs Schärfste bekämpft und unterdrückt. Sie leistete eine vorbildliche illegale Arbeit und erlangte Masseneinfluss unter der Arbeiterschaft. Sie wurde zur damals größten und bedeutendsten revolutionären Arbeiterpartei der Welt.
Nach dem Ende der Sozialistengesetze bezeichnete sich die Partei 1890 erstmals als „SPD“. Auf dem Parteitag 1891 in Erfurt schärfte sie in wichtigen Grundpositionen unter dem Einfluss von Friedrich Engels ihr revolutionäres Profil.
Gleichzeitig trat mit dem Übergang des Kapitalismus zum Imperialismus in allen Arbeiterparteien weltweit verstärkt ein opportunistischer, bürgerlicher Einfluss auf. Revolutionäre marxistische Grundprinzipien wurden revidiert, der Revisionismus entstand. Das hatte in Deutschland besonders verheerende Auswirkungen.
Lenin sprach einmal ironisch über „die deutsche opportunistische Art, aus Gefälligkeit gegenüber der ,milden‘, liebenswürdigen und demokratischen Bourgeoisie auf den Sozialismus zu verzichten.“
Mit den Krupps und Thyssens in den Weltkrieg
Höhepunkt und offener Verrat folgte diesem Opportunismus 1914. Mit Ausnahme von Karl Liebknecht stimmte die komplette SPD-Fraktion im Reichstag für die Kriegskredite. Das erfolgte unter Bruch aller internationalen Vereinbarungen der Arbeiterbewegung. Damit wurde der Weg frei für den I. Weltkrieg mit über 17 Millionen Toten. Der Opportunismus hatte sich in der SPD durchgesetzt und zum Sozialchauvinismus entwickelt.
Es ist schon kaltschnäuzig, wenn Sigmar Gabriel in seiner Geburtstagsrede erklärt: „Wir haben nie etwas getan, für was wir uns so schämen mussten, dass wir unseren Namen SPD hätten ändern müssen.“ Das spricht für ernste Gedächtnisstörungen oder ein ausgesprochen unterentwickeltes Schamgefühl.
1918 stürzte die Novemberrevolution den Kaiser. Revolutionäre Sozialisten wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg trennten sich – wenn auch zu spät – von der SPD und gründeten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die Arbeiterklasse und breite Teile der Massen wollten die Beseitigung des Kapitalismus und den Sozialismus.
Erstmals stellte in dieser Situation eine SPD-Regierung um Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Gustav Noske ihren besonderen Wert zur Rettung des Kapitalismus unter Beweis. Vorne herum sprachen sie von „Sozialismus“ und „Verstaatlichung“. Hinten herum organisierten sie die Konterrevolution. Sie ordnete die Ermordung der revolutionären Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an. Immer wieder in den Jahren 1919 bis 1923 beteiligte sich die SPD-Spitze an der blutigen Konterrevolution. Sie setzte auch selbst Reichswehr und Freikorps gegen revolutionäre Arbeiterinnen und Arbeiter in Berlin, München, im Ruhrgebiet, Hamburg und allen anderen Teilen Deutschlands ein.
Der moderne Antikommunist Joachim Gauck glorifiziert diese Periode in seiner Geburtstagsrede so: „Die erste deutsche Demokratie, die Republik von Weimar, wäre wohl nicht zu Stande gekommen, wenn nicht die Sozialdemokraten, an ihrer Spitze Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann, den Mut gehabt hätten, sich für die politische Zusammenarbeit mit den gemäßigten Kräften der bürgerlichen Parteien einzusetzen.“ Zehntausende Arbeiter bezahlten diese Zusammenarbeit mit ihrem Leben.
Den gemeinsamen Kampf gegen Hitler verweigert
Der Klassenverrat der SPD-Spitze provozierte aber auch linke Fehler der KPD. So wurde zeitweilig von einem „Sozialfaschismus“ gesprochen. Die Diffamierung aller Sozialdemokraten als Sozialfaschisten zerstörte bestehende Kontakte zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten und behinderte die Schaffung einer proletarischen Einheitsfront.
Heute klopft sich die SPD auf die Schulter wegen der mutigen Rede von Otto Wels gegen das faschistische Ermächtigungsgesetz 1933. Kein Wort der Selbstkritik, dass die SPD-Führung das Angebot der KPD zur Durchführung eines Generalstreiks gegen die Hitler-Regierung aus antikommunistischen Gründen ausschlug. Bis heute gibt es in der SPD ein Verbot, mit Kommunisten zusammenzuarbeiten.
Es ist eine weitere große Gedächtnislücke, die Sigmar Gabriel in seiner Rede befällt: kein Wort zur Rolle der Kommunisten im Widerstand gegen den Faschismus, oft mit Sozialdemokraten gemeinsam!
Die westdeutsche SPD als Stütze des neudeutschen Imperialismus
Nach dem II. Weltkrieg entwickelte sich die SPD von einer Arbeiterpartei mit bürgerlichem Inhalt zur Monopolpartei. Ihr Arbeiteranteil sank von einst über 60 auf um die 20 Prozent. Mit dem Godesberger Programm 1959 sagte sie sich von der Arbeiterklasse auch offiziell los und wollte fortan „Volkspartei“ sein.
Sie trug den aggressiven Antikommunismus der Adenauer-Ära mit, inklusive des Verbots der Kommunistischen Partei Deutschlands 1956.
Für die Zeit nach dem II. Weltkrieg stehen die Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Sie repräsentieren in besonderer Weise den demagogischen und zu jeder Wendung bereiten Charakter ihrer Partei.
Soziale Demagogie als Kerngeschäft
In den 1960er und Anfang der 1970er Jahre erlebte die reformistische SPD ihre Blüte. Unter der Losung „mehr Demokratie wagen“ angetreten, wurden unter Willy Brandt Berufsverbote für Kommunisten beschlossen und Notstandsgesetze eingeführt. Die zeitweilige Hochkonjunktur und die Politik der „Reformen von oben“ erleichterten der SPD-Führung um Willi Brandt und Helmut Schmidt Illusionsmacherei wie von einem „krisenfreien Kapitalismus“. Diese reformistischen Wunschträume zerplatzten mittlerweile offen an der zunehmenden Krisenhaftigkeit des Imperialismus, mehreren Wirtschaftskrisen usw.
Ab den 1980er Jahren wurde die SPD zu einem integralen Bestandteil des gesellschaftlich organisierten Systems der kleinbürgerlichen Denkweise. Es verbreitet gegen den Übergang zur Arbeiteroffensive Desorganisation, Desinformation und Demoralisierung. Dabei stützt sich die SPD auch auf ihre Beteiligung an über 70 Tages- und Wochenzeitungen, mit Einfluss auf zwölf Millionen Leser. Sie verfügt als einzige Partei in Deutschland neben ihrer Parteizeitung über einen solchen Umfang an Medieneinfluss.
Trotzdem sollte es 16 Jahren Helmut Kohl dauern, bis 1998 mit Gerhard Schröder der nächste SPD-Kanzler folgte. Die Schröder/Fischer-Regierung erhob erstmals das gesellschaftliche System der kleinbürgerlichen Denkweise zum Regierungsprogramm. Schröder gelang – zumindest zeitweise –, was keine der früheren Bundesregierungen je schaffte: unterschiedlichste Kräfte der Arbeiter- und Volksbewegung weitgehend an die Regierungspolitik zu binden.
Gerhard Schröder und sein Vize-Kanzler Joschka Fischer waren Meister im Umgang mit den Medien. Sie erweckten den Anschein, sie würden sich die Kritiken der Massen an der Kohl-Regierung zu eigen machen.
Doch der Zauber währte nicht ewig. Natürlich verlangten die Monopole auch von der sozialdemokratischen Regierung, als ihr Geschäftsführer und zur Umsetzung ihrer Interessen tätig zu sein.
Es folgte die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, die rigoros gegen eine Massenbewegung durchgesetzt wurden. Schröder schickte die Bundeswehr in den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien. In Gabriels Worten: Schröder „fand den Mut, Deutschland aus der Agonie zu führen“.
Eine Tendenz der Loslösung der Massen von den bürgerlichen Parteien, vom bürgerlichen Parlamentarismus und von seinen Institutionen setzte ein. Zunehmend entwickelten sich auch wieder Kämpfe. In einer Serie konzernweiter Streiks begannen reformistische Manöver wie Sozialpläne, „Bündnisse für Arbeit“, Standortpropaganda oder Beschäftigungsgesellschaften ihre Wirkung einzubüßen. Höhepunkt dieser Entwicklung war der siebentägige selbständig geführte Opel-Streik in Bochum im Oktober 2004. Er leitete den Übergang in die Arbeiteroffensive ein. Bereits im Sommer 2004 hatten Hunderttausende mit Demonstrationen gegen Hartz IV begonnen. Die Schröder/Fischer-Regierung stürzte in eine offene Regierungskrise.
Im Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ heißt es: „Dass die SPD dabei auch in eine tiefe Parteikrise geriet, offenbarte ein grundsätzliches Problem der bürgerlich-demokratischen Herrschaftsausübung der Diktatur der Monopole. Hauptaufgabe der Sozialdemokratie ist es, die Arbeiterklasse an den Kapitalismus zu binden. Die offene Krise der Sozialdemokratie stand in Wechselwirkung mit dem wachsenden Masseneinfluss der MLPD, vor allem im Kern des Industrieproletariats, und mit dem ausdauernden Kampf der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV.“ (S. 225/226)
Auch wenn die offene Krise zeitweilig war – die SPD hat sich davon bis heute nicht erholt. Ihren Zenit mit zeitweise über eine Million Mitglieder Ende der 1970er Jahre hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten. Seit Regierungsbeginn Schröder verlor die SPD bis heute 300.000 Mitglieder und liegt jetzt nur noch bei rund 477.000.
Aktuell versucht sich Peer Steinbrück mit mäßigem Erfolg an dem Kunststückchen: einerseits die Agenda 2010 loben und andererseits zu suggerieren, besonders sozial zu sein.
150 Jahre SPD – eine Bilanz
Pseudoradikal empört sich Gabriel in Leipzig: „Wir geben Hunderte von Milliarden Euro und Dollar aus, um unsere Volkswirtschaften vor den Folgen der Banken- und Finanzmarktspekulation zu retten. Aber es fehlt das Geld, drei Milliarden Menschen auf der Erde den Zugang wenigstens zu sauberem Wasser zu ermöglichen.“
Er vergisst nur folgendes zu erwähnen: es war sein heutiger Kanzlerkandidat und damaliger Bundeswirtschaftsminister Peer Steinbrück, der im Herbst 2008 über Nacht 500 Milliarden Euro für die Banken zur Verfügung stellte.
Im Diskussionsforum zum Parteijubiläum schreibt ein SPD-Anhänger: „Trotz aller Ungereimtheiten, was bleibt uns schon übrig? Eigentlich ja nur die SPD.“
Nein! Für alle, die sich nicht mit dem Kapitalismus, seiner Menschenverachtung, Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, Kriegen und Armut abfinden wollen, gibt es einen Ausweg. Seine weltanschaulichen Grundlagen sind sogar noch älter als die SPD. 1848 – vor 165 Jahren – wurden sie erstmals wissenschaftlich dargelegt, im Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels.
Gabriel und seine 1.600 Geburtstagsgäste können über die tiefe SPD-Krise nicht hinwegtäuschen. Bei all ihrem Selbstlob wirkt die Propaganda-Show doch mehr wie das berühmte Pfeifen im Walde.
Die MLPD ist Erbin der revolutionären Tradition der SPD. Sie hat sich bewusst Karl Marx als Pate ihres Parteinamen gewählt und seine Lehren schöpferisch auf die heutige Zeit angewendet. Radikal links, revolutionär und für den echten Sozialismus – das ist ihr Profil!
Jörg Weidemann