C&A, KiK, Walmart … angeklagt wegen Massenmord in Bangladesch
Am 24. April stürzte in der Nähe von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, eine achtstöckige Textilfabrik ein. 677 Leichen wurden bisher geborgen. Es wurde aber erst ein Drittel des eingestürzten Gebäudes abgetragen. Hunderte werden noch vermisst.
In einer Beileidserklärung schrieb die MLPD: „Die MLPD trauert um die aus Profitgier ermordeten Textilarbeiterinnen in Bangladesch. Sie spricht den Angehörigen ihre tief empfundene Anteilnahme aus. Allen jetzt rebellierenden Arbeiterinnen und Arbeitern sprechen wir unsere uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung aus. Wir verpflichten uns, alle eure Kämpfe, die Informationen und Hintergrundberichte, die wir von euch bekommen, in der Arbeiterbewegung in Deutschland, in der kämpferischen Frauenbewegung und unter der rebellierenden Jugend bekannt zu machen.“
Die Kommunistische Partei Bangladesch (CPB) stellt in einem aktuellen Brief an die MLPD fest, dass dieser „massenhafte Tod kein Unfall, sondern vorsätzlicher Mord durch die profithungrigen Eigentümer der Fabriken ist“.
„Mörderische“ Arbeitsbedingungen
Es herrschen in den Textilfabriken in Bangladesch, genauso wie in den Billiglohnländern Pakistan oder Indien, katastrophale Arbeitsbedingungen: 13- bis 16-Stundenschichten, Hungerlöhne von 30 Euro, häufig keine Arbeitsverträge, massive, gewaltsame Unterdrückung gewerkschaftlicher Betätigung, „mörderische“ Verstöße gegen die Arbeitssicherheit. Der Einsturz war der bisher größte Massenmord an Arbeitern.
In dem eingestürzten Gebäude wären maximal drei Etagen erlaubt gewesen – aber die Fabrik hatte acht Stockwerke, ein neuntes war in Bau! Schon in den letzten Tagen und Wochen gab es Risse am Gebäude – doch die Produktion lief weiter, und das trotz einer polizeilichen Stilllegungsverfügung. Erst im November 2012 gab es einen verheerenden Brand in einer Textilfabrik mit 112 Toten. Seit 2006 sind über 600 Arbeiterinnen aufgrund mangelnder Gebäudesicherheit zu Tode gekommen.
Internationale Monopole hauptverantwortlich
In einem Telefoninterview am 30. April erklärte Hasan Chowdhury von der Internationalen Abteilung der CPB: „Angeklagt von den Arbeitern sind Regierung und Ministerien, die den Bau der Fabrik zuließen. Angeklagt sind die Fabrikanten und der Eigentümer des Gebäudes (ein führender örtlicher Repräsentant der Regierungspartei). Angeklagt sind auch die Aufsichtsbehörden und der Verband der Textilunternehmen. Angeklagt sind aber auch die internationalen Monopole, die sich zwar öffentlich von den ,schlimmen Zuständen‘ in den Textilfabriken distanzieren, hinter den Kulissen aber Druck auf die örtlichen Textilunternehmen ausüben, gegen Sicherheitsvorschriften zu verstoßen.“
Fast vier Millionen Menschen arbeiten an den Nähmaschinen in 4.000 bis 5.000 Fabriken Bangladeschs, etwa 87 Prozent davon junge Frauen.
In dem eingestürzten Gebäude wurden laut einer Fabrik-Homepage unter anderem für C&A, KiK und Walmart Kleider hergestellt. Auch Adidas, Tchibo, Nike, H&M, Levis usw. lassen in Bangladesch massenhaft ihre Waren produzieren.
Die Handels- und Modemonopole nutzen zielstrebig und rücksichtslos die Konkurrenz zwischen den Textilfabriken vor Ort und den wichtigsten Ländern der Textilbilligproduktion wie China und Indien, zunehmend auch Vietnam und Kambodscha.
Der billigste Anbieter erhält den Zuschlag …
Das ist eine Hauptmethode, wie die internationalen Monopole ihr Diktat ausüben. Bangladesch ist inzwischen die Nummer zwei unter den Textilausfuhrländern geworden. Liegt die Arbeitsstunde in China bei gut einem Dollar, liegt sie in Bangladesch bei 23 Cent. Bis zu 80 Prozent beträgt die Profitspanne für die internationalen Monopole. Zu 40 Prozent sind die Fabriken im Besitz von Abgeordneten des Parlaments in Bangladesch. Diese enge Verflechtung sorgt dafür, dass sie „ihre eigenen Sicherheitsgesetze“ machen und eine Strafverfolgung verhindert wird.
Wertlose Selbstverpflichtungen
Die katastrophalen Zustände in den meisten Fabriken offenbaren, wie wenig die bisherigen Beteuerungen und offiziellen Selbstverpflichtungen der internationalen Textilkonzerne, hier Abhilfe zu schaffen, in der Realität wert sind. Sie stehlen sich mit dem Standardargument aus der Verantwortung, aufgrund der langen „Produktionsketten“ über Zulieferer und Subunternehmen fehlten ihnen die konkreten Kenntnisse, wo und wie letztendlich produziert werde.
Nur 10 Cent pro Kleidungsstück müssten die Monopole von ihrem Profit abgeben, damit angemessene Arbeitsschutzbedingungen möglich sind; doch selbst das verweigern sie. Bereits vor zwei Jahren wurde ein Abkommen zum Gebäude- und Brandschutz für Bangladesch von lokalen und internationalen Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen erarbeitet. Mit Ausnahme von PVH (Hilfinger und Calvin Klein) sowie Tchibo wurde eine Unterzeichnung verweigert. Wie scheinheilig die Prüfungen durchgeführt werden, zeigt sich daran, dass der TÜV Rheinland in den Jahren 2011 und 2012 dreimal eine der Fabriken in dem eingestürzten Haus untersucht hatte. Es wurden keine Baumängel festgestellt, da die Prüfung nur „ethischen“ Kriterien der Arbeitsgestaltung galt.
Billigkonsumenten verantwortlich?
Systematisch werden die Hauptschuldigen aus der Schusslinie genommen, wenn z. B der „Focus“ titelt: „Der viel zu hohe Preis der Billigklamotten.“ In Medienkommentaren und Talkshows werden auf diese Weise die Konsumenten zu Schuldigen erklärt. Demnach müsste man nur teurere Kleider kaufen und alles wäre gelöst. Das ist völlig absurd, weil die internationalen Monopole überhaupt nicht daran denken, auch bei höheren Verbraucherpreisen den Produzenten vor Ort mehr Geld zu bezahlen, geschweige denn diese dann mehr in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen investieren. Neun von zehn Kleidungsstücken in Deutschland, also auch die teuren, stammen aus neokolonialen Ländern wie Bangladesch.
Merkels Krokodilstränen
Hunderte von Todesopfern wühlen die Menschen weltweit auf und fordern zum Protest heraus. Das ist der Hintergrund, warum jetzt hektisch Vertreter der in Bangladesch produzierenden Textilfirmen über „wirksame Maßnahmen“ beraten und die EU mit „schärferen Vorschriften“ droht. Scheinheilig warnt Bundeskanzlerin Merkel, es dürfe „die wirtschaftliche Entwicklung der Länder nicht behindert werden“. Als ob die Verlagerung von Billigproduktion in Länder wie Bangladesch auch nur das Geringste für den Aufbau einer eigenständigen Wirtschaft oder gar zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Massen gebracht hätte.
Die Umsätze der Textil- und Sportartikelkonzerne zusammen – noch ohne die ganz großen wie Walmart, Aldi, Lidl etc. – betragen 64,4 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Vierfache dessen, was Bangladesh aus seinen Textil-Exporten einnimmt – zwischen 14 und 15 Milliarden Euro. Das sind 80 Prozent der Exporteinnahmen des Landes. 23 Prozent der Textilexporte gehen in die USA, der größte Handelspartner ist die EU. Das ist wie eine „Monokultur“, die das Land in Abhängigkeit von seinen Hauptabnehmern hält.
Der gesetzliche Mindestlohn in der Textilindustrie wurde 2010 auf 3.000 Taka erhöht, das sind zirka 29 Euro pro Monat für bis zu 15 Stunden Arbeit am Tag unter den unmenschlichen Bedingungen der sogenannten „Sweatshops“ (Schweiß-Buden). Macht rund 10 Cent pro Stunde. Dieser Lohn deckt nicht mal die Kosten des minimalen Ernährungsbedarfs einer einzelnen Arbeiterin, ganz zu schweigen von der Ernährung ihrer Familie. Ganze Familie leben auf 12 Quadratmetern.
Perspektive der nationalen und sozialen Befreiung
Um die Ursache dieser neokolonialen Ausbeutung und Unterdrückung zu beseitigen, muss der Kampf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit der Perspektive der nationalen und sozialen Befreiung vom Imperialismus verbunden werden. Dafür steht die Kommunistische Partei Bangladesch (CPB), mit der die MLPD freundschaftlich und eng zusammenarbeitet. Beide sind Mitglieder der revolutionären Weltorganisation ICOR. Die CPB hat eine führende Rolle in den sich entfaltenden Massenprotesten mit Demonstrationen von Hunderttausenden, trotz brutaler Polizeieinsätze. An ihrer Spitze stehen die vorwiegend jungen Textilarbeiterinnen als Teil des internationalen Industrieproletariats. Die seit Monaten angekündigte „Blasphemie“-Kampagne1 islamistisch-faschistischer Kräfte richtet sich vor allem gegen die Höherentwicklung dieser Kämpfe zum revolutionären Klassenkampf. Ihr Angriff auf das Hauptquartier der CPB (siehe Interview S. 10) muss entschieden verurteilt werden.
Am Ende der Erklärung der MLPD heißt es: „Die MLPD fordert, die verantwortlichen internationalen Monopole zur Rechenschaft zu ziehen, einschließlich der Bestrafung der dort Verantwortlichen. Sie erklärt ihre internationalistische Solidarität mit den Textilarbeiterinnen und dem Volk von Bangladesch.“
1 Blasphemie = Gotteslästerung