Hat sich die Achse der Weltwirtschaft verschoben?
„Die bisherige zentrale transatlantische Achse zwischen den USA und Europa wurde durch eine neue führende transpazifische Achse zwischen Asien und den USA abgelöst.“ Zu dieser Passage des Interviews mit Stefan Engel in der „Roten Fahne“ 51/52/2012 kamen Fragen, unter anderem aus Berlin, auf die wir näher eingehen.
Schon seit der Jahrtausendwende wachsen viele Staaten erheblich rascher als die alten imperialistischen Mächte Europas, die USA, Kanada und Japan. Staaten wie Indien oder Südkorea entwickelten eigene imperialistische Bestrebungen. Die sogenannten BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sind selbst schon imperialistische Länder oder befinden sich im Übergang dorthin. Hinzu kommen mittlerweile auch die sogenannten MIST-Länder (Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei), die rasant wachsen und ebenfalls imperialistische Bestrebungen entfalten.
Einen Schub bekommt diese ungleichmäßige Entwicklung und Umwälzung der weltweiten Kräfteverhältnisse durch die seit 2008 anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise.
Ergebnis ist, dass die bisherige zentrale transatlantische Achse durch eine neue führende transpazifische Achse abgelöst wurde. Diese Kräfteverschiebung kommt nicht nur in den absoluten Zahlen zum Ausdruck, sondern noch mehr in der unterschiedlichen Dynamik der Entwicklung. 346 der 500 internationalen Übermonopole hatten 2011 ihre Basis in Asien und Amerika. Sie dominieren die Weltwirtschaft. Davon entfallen 127 auf Länder wie China, Indien oder Südkorea. Im Jahr 2000 stellten diese Staaten erst 35 internationale Übermonopole.
Diese ungleichmäßige Entwicklung wurde durch die seit Ende 2008 anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise weiter verschärft. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Krise leitete das allein herrschende internationale Finanzkapital große Teile des überschüssigen Kapitals in die aufstrebenden imperialistischen und kapitalistischen Länder um. Der Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen in die fünf BRICS-Staaten ist seit 2007 deutlich höher als in die USA und 2012 zum ersten Mal auch höher als in die gesamte EU (UNCTAD, World Investment Report).
Das führte zu einer tiefen Spaltung der Weltwirtschaft. Während es in einigen dieser Länder zu einer zeitweiligen Belebung oder sogar einem wirtschaftlichen Aufschwung innerhalb der Weltwirtschafts- und Finanzkrise kam, wurden andere Regionen wie insbesondere Südeuropa umso tiefer in die Krise gedrückt. Allerdings hat auch das zeitweilige Wachstum in Ländern wie China oder Indien eine hochspekulative Grundlage. Gleichzeitig wurde die in der Krise übliche massive Kapitalvernichtung zunächst hinausgezögert. Die aufgestauten Widersprüche werden sich über kurz oder lang umso drastischer entladen.
Der spekulative Ausbau der Stahlindustrie in China auf fast die Hälfte der Weltproduktion hat zu einem gewaltigen Hunger nach Rohstoffen aus Australien, Afrika und Südamerika geführt bis hin zur Übernahme ganzer Bergwerksunternehmen in diesen Ländern durch chinesische Konzerne. Damit wird auch der Raubbau an den natürlichen Rohstoffen auf die Spitze getrieben. Die Konkurrenz und gegenseitige Abhängigkeit wird durch internationale Organisationen gefördert und ausgebaut wie die 1989 gegründete APEC (Asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit), die heute 21 Mitglieder zählt, oder die 2012 gegründete Pazifik-Allianz von Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru.
Die raschen Kräfteverschiebungen steigern zugleich die allgemeine Kriegsgefahr. China erhöht seinen Rüstungshaushalt in diesem Jahr um über 10 Prozent und ist 2012 zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt aufgestiegen, vor Großbritannien. Das verschärft die Spannungen zu den USA, die den Schwerpunkt ihrer Streitkräfte in den Pazifik verlegt haben, und zu den mit ihr verbündeten Staaten wie Japan und Südkorea.